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Quo vadis, Deutschland?

23. März 2021
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Corona hat es an den Tag gebracht: Für die EU entpuppte sich schon bei der Impfstoff-Beschaffung das von Ursula von der Leyen mit großem Pathos verkündete „europäische Momentum“ als ein makabres Memento mori – durchaus passend angesichts der Seuchentoten.

Nicht das vermeintliche Vaterland Europa, sondern das vom grün-rot-gelb-schwarzen Polit-Potpourri geächtete Europa der Vaterländer war es, das seinen Bürgern letztlich aus der Not half. Die Konsequenz: Mehrere EU-Staaten, darunter erstaunlicherweise auch die Bundesrepublik, wollen künftig durch eigene Produktionskapazitäten eine sichere Versorgung ihrer Bevölkerung gewährleisten.

Nichts klappt

In Deutschland brachte das oft chaotische Corona-Management ein zweites, noch ernüchternderes Erwachen: die Erkenntnis, daß das Land nach sechzehn Merkel-Jahren in vielen Bereichen nur noch ein Scheinriese ist. Durch die Regentschaft eines planlosen, von den Claqueuren in Politik und Medien gleichwohl stets bejubelten Linksopportunismus ist die 1990 glücklich vereinte Republik auf unvorstellbare Weise heruntergewirtschaftet.

Euro-Rettung, Atomausstieg, Masseneinwanderung, Aussetzung des Wehrdienstes sind Stichworte eines nicht für möglich gehaltenen Niedergangs. Die Infrastruktur? Mancherorts auf früherem Ostblock-Niveau. Die Verwaltung? Karteikarten und Zettelwirtschaft statt Digitalisierung. Das Bildungssystem? Durch Inklusion und kulturfremde Zuwanderung ein fortdauernder Regressionsprozeß. Die Armee? Ein nur noch peinlicher Torso.

Wer wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier meint, „im besten Deutschland, das es je gab“, zu leben, malt sich seine Welt nach dem Pippi-Langstrumpf-Prinzip. Es sind die Bonner Altparteien CDU/CSU, SPD und FDP, die das Desaster zu verantworten haben. Waren die Liberalen im zweiten Kabinett Merkel (2009-2013) vertreten, teilen die Sozialdemokraten seit nunmehr zwölf Jahren die Regierungsbänke mit der Union.

Neutrale Beobachter können sich daher nur wundern, wie nach den jüngsten Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz jene vier Parteien und ihre bislang treuen Propagandisten in Presse, Funk und Fernsehen plötzlich einen „Aufbruch“, einen „Neubeginn“ und einen „grundsätzlichen Kurswechsel“ fordern. Kein Wort war davon zu hören, als sie noch sicher an den Schalthebeln und den Trögen der Macht saßen.

Wer auf den Schmutz hinweist, wird geächtet

Wer Kritik übte oder gar auf die Nacktheit des Kaisers (hier: der Kaiserin) hinwies, fand sich schnell in der Extremisten-Ecke wieder und/oder wurde ein Fall für den Verfassungsschutz. Und die Aussichten? Finster.

Die CDU, einst staatstragende Kanzlerpartei, hat längst abgewirtschaftet; sie ist programmatisch entleert und dient nur noch als Machtmaschine zur Umsetzung gesellschaftspolitischer Wohlfühl-Themen. Die „geistig-moralische Wende“, die Helmut Kohl 1982 versprach, aber nie verwirklichte, ist von seiner Nachfolgerin peu à peu ins Gegenteil verkehrt worden.

Unter der Parole einer vermeintlichen „Modernisierung“ läuft die CDU dem grün-roten Zeitgeist nach, zur Gaudi des Publikums angetrieben von Söders jetzt ebenfalls gewendeter CSU. Doch die Landtagswahlen haben die Unionsbrüder und -schwestern das Fürchten gelehrt: Abgesehen vom rot-grünen Schröder/Fischer-Intermezzo (1998-2005), sind erstmals wieder Koalitionen ohne CDU-Beteiligung möglich.

Die auf Werte um zwanzig Prozent abgemagerte SPD kann ebenso wie die stets wankelmütige FDP auf Sitze in einem Kabinett Baerbock oder Habeck hoffen. Eine derartige erneute Linksverschiebung würde Deutschland endgültig in den nicht nur finanziellen Bankrott treiben. Historisch wäre er die Konsequenz eines Liberalismus, der durch die 68er-Revolution in Westdeutschland absichtsvoll ins Werk gesetzt wurde.

Arthur Moeller van den Bruck ahnte es

Bereits 1923 hatte der Publizist Arthur Moeller van den Bruck (1876-1925) darauf aufmerksam gemacht, daß Liberalismus keineswegs an jene Partei gebunden ist, die ihn im Namen führt, sondern eine Strömung, die sich anschickt, in allen Parteien und Organisationen, ja selbst in Gewerkschaften und Kirchen Fuß zu fassen.

„An Liberalismus“, so Moellers Diktum, „gehen die Völker zugrunde. Der Liberalismus behauptet, daß er alles, was er tut, für das Volk tut. Aber gerade er schaltet das Volk aus und setzt ein Ich an dessen Stelle. Der Liberalismus ist der Ausdruck einer Gesellschaft, die nicht mehr Gemeinschaft ist.“

Durch liberales Denken werde das Individuum aus allen Bindungen gelöst; aus dem Staat werde die Interessengemeinschaft eines Regierungsklüngels gemacht, der sich opportunistisch nur noch nach der „Auguren-Weisheit“ (sprich: nach demoskopischen Vorgaben) richte.

Die Utopie des Liberalismus ist Moeller zufolge das selbstbestimmte, autonome Individuum, das sich – losgelöst von jeder Bindung an Volk, Nation oder Staat – in einer Welt ohne Grenzen bewegt. Als Kosmopolit, aufgeklärt und vorurteilsfrei, genießt dieses Individuum sein Leben gemäß dem hedonistischen Dreiklang: „Ich – alles – sofort!“

Angesichts der aus den USA importierten Identitätspolitik, der „Cancel Culture“, der „Critical Whiteness“, der Political Correctness, der Gender Studies etc. läßt sich auch für Deutschland feststellen, daß der von Moeller van den Bruck vor hundert Jahren diagnostizierte Linksliberalismus sein zerstörerisches Werk vollbracht hat: Wie in fast allen westlichen Staaten tobt auch hier ein geistiger Bürgerkrieg, während die Politiker wie der Zauberlehrling in Goethes Gedicht nach dem angerichteten Schaden verzweifelt den Zusammenhalt der vielfach gespaltenen Gesellschaft beschwören – vergebens.

Einen ersten, gleichwohl entscheidenden Schritt aus dem Dilemma hat dieser Tage das von eigenen Genossen als „Reaktionär“ gescholtene SPD-Urgestein Wolfgang Thierse gewiesen:

„In Zeiten dramatischer Veränderungen ist das Bedürfnis nach sozialer und kultureller Beheimatung groß. Eine Antwort auf dieses Bedürfnis ist die Nation. Das nicht wahrhaben zu wollen, halte ich für elitäre, arrogante Dummheit.“

Peter Kuntze

Kuntze wurde 1941 in Kiel geboren und hat nach Abitur und Wehrdienst eine verlagskaufmännische Lehre in Hamburg absolviert. Anschließend ein Redaktionsvolontariat in Ansbach. 1968 gelang ihm der Sprung nach München zur Süddeutschen Zeitung, wo er als außenpolitischer Nachrichtenredakteur sein Brot bis 1997 verdient hat. Nebenbei schrieb Kuntze etliche Kinderbücher, zwei Romane und acht politische Sachbücher über China. Seine konservative Wende geschah in den letzten Berufsjahren.

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