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Toleranz unter Abendländern oder „Nächste Station: Stalingrad“

4. Mai 2021
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Mit den Preußen kehrte die Cancel Culture zurück. Die Brücke namens „Jena“ müsse umgehend gesprengt werden, forderte Generalfeldmarschall Blücher nach seinem Einmarsch in Paris im Sommer 1815. Nichts dürfe nach den Siegen von Leipzig und Waterloo noch an die Schmach von Jena und Auerstedt erinnern, auf die Preußens sieben magere Jahre folgten.

Ludwig XVIII., von den Alliierten zum zweiten Mal frisch inthronisiert, hielt dagegen. Wenn die preußischen Besatzer diese, für den Pariser Innenstadtverkehr höchst bedeutsame, Brücke sprengen wollten, werde er, Ludwig XVIII., sich persönlich mit seinem Thron auf die Brücke setzten. Ob der Herr Feldmarschall aus dem Brandenburger Sumpfland sich dann immer noch zutraue, die Brücke zu sprengen?

Mal unter uns Europäern…

Am Ende einigten sich die Monarchisten unter Männern. Die „Jenaer Brücke“ blieb erhalten und Ludwig XVIII. benannte sie in „Pont des Invalides“ um. In einem Abwasch erhielten alle öffentlichen Einrichtungen in Paris die Bezeichnungen wieder, die sie vor 1792 getragen hatten, als eine linke Bande aus talentlosen Dichtern das Volk, sprich die hyänenhaften Weiber, aufhetzte und eine Republik ausrief.

Auf Dauer war der Versuch, Napoleons Herrschaft nachträglich ungeschehen zu machen, nicht von Erfolg gekrönt. Heute wimmelt es in Paris nur so von Gedenken an historische Ereignisse aus eben jenen Jahren, die Ludwig XVIII. so gern aus dem allgemeinen Gedächtnis gestrichen hätte.

In der französischen Komödie „Der Vorname“ scherzt der Protagonist nicht nur mit der Ankündigung, seinen Sohn Adolf zu nennen. Der Protagonist fragt auch, warum er den Pariser U-Bahn-Plan auswendig lernen solle, als sein Bruder beim Abendessen unaufgefordert über die französischen Siege von Rivoli und Marengo, von Friedland, Ulm und Austerlitz doziert.

Und siehe da: Kein Deutscher oder Österreicher, der sich heute noch über diese selbstbewusste Namensgebungen beschwert. Nicht einmal der Pariser „Stalingradplatz“ stößt in Deutschland irgendwem bitter auf. Zu Recht: Wer bei „Stalingrad“ nicht aus der Metro treten möchte, wem das gesamte Metro-Netz der Stadt wegen seiner Namen nicht passt, soll eben nicht nach Paris fahren oder aus Paris wieder abhauen. Problem gelöst.

In manchen Straßen ist die Welt noch in Ordnung

Schließlich halten wir Deutsche namenstechnischen noch immer wacker dagegen. Vor allem in Norddeutschland dürfte es kaum eine Großstadt geben, in der eine Straße nicht an die preußisch-deutschen Siege von Waterloo und Sedan erinnert, an die Bismarcks und Blüchers, Gneisenaus und Scharnhorsts, Moltkes und Yorcks dieser Nation. Jeder von ihnen trat seinen Weg in die Geschichte an, indem er Frankreich tiefe Wunden zufügte.

Und siehe da: Kein Franzose, der sich darüber beschwert. Kein „woker“ Austauschschüler, kein sich „offended“ fühlender Gaststudent, ja nicht mal Marine Le Pen fordert die Umbenennung der „Turnvater-Jahn-Straßen“. Seit Jahrzehnten nutzen die Franzosen den Eurotunnel nach London, selbst wenn die Engländer sich den Spaß erlauben, ihre französischen Gäste an der Waterloo-Station aussteigen zu lassen. Kleiner Abstecher zum Trafalgar Square gefällig?

Die Forderungen nach Abriss der Bismarck-Denkmäler, Umbenennung der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Zensur der Werke Kleists und Körners erheben meistens Deutsche aus der sogenannten vierten Generation. Nach Bismarck’schen und dementsprechend komplexeren Kategorien handelt es sich um jene vierte Generation, deren Eltern immerhin noch Kunstgeschichte studierten.

Die vierte Generation taugt nur noch für Seminare bei der Heinrich-Böll-Stiftung, Redaktionsposten beim Deutschlandfunk oder Mandate in den sozialistischen Fraktionen des EU-Parlaments. Da in Frankreich selbst Staatspräsident Macron betont, es gäbe keine französische Kultur, lediglich Kultur in Frankreich, fordern die sozialwissenschaftlichen Hochschuldozenten und Feuilletonisten in Paris womöglich auch schon die Umbenennung von Marengo, Austerlitz und Jena zugunsten von Robespierre, Michel Foucault und den Brüdern Kouachi.

General Gütesiegel

In Deutschland ist natürlich jeder französische Einwanderer heilfroh, wenn er in einer „Bismarckstraße“ oder „Moltke-Allee“ wohnen kann. Was nach den Baumeistern des Reiches benannt ist, entspricht auch der Ästhetik seiner Kaiserjahre. Entspricht einer zeitlosen Ästhetik, um genau zu sein, ist Ausdruck eines universellen Ästhetikempfindens, bevor uns linke Nachkriegs-Architekten ihre progressiven Konzepte mitten ins Stadtbild reinkotzten.

Wahrscheinlich würde selbst ein Franzose, der politisch noch zwei Schritte rechts von Le Pen dem Älteren steht, lieber einen klassizistischen Altbau in der „Erich-von-Manstein-Straße“ bewohnen, als den betonierten Menschenhass der akademisierten Linken aus den „Günter-Grass-Gassen“ dieser Republik.

Offensichtlich funktioniert die Toleranz unter den abendländischen Kulturvölkern bereits erstaunlich gut. Die Nomenklatura links wie rechts des Rheins wird gleichwohl nicht müde, ihre moralinsauren Toleranzappelle ausschließlich an sie zu richten.

Wobei, die erste Generation der türkischen Gastarbeiter hätte sich vermutlich auch nicht daran gestört, in der „Prinz-Eugen-Straße“ oder der „Lepanto-Allee“ zu wohnen, solange der Lohn am Ende einer 60-Stunden-Woche pünktlich in harter Deutscher Mark ausgezahlt wurde. Und nicht irgendwelche Integrationsbeauftragten oder Anti-Rassismus-Forscher die überschaubare Freizeit verpfuschten.

U. B. Kant

Der U. B. Kant wurde 2009 erst zwei Tage nach der Bundestagwahl volljährig, sonst hätte er noch mit beiden Stimmen die Steinmeier-SPD gewählt. Heute lebt der U. B. Kant im besten Deutschland, das es jemals gab, und möchte sein Gesicht bei freien Meinungsäußerungen lieber verbergen. Seinen Ahnen entsprechend setzt es sich zusammen aus Lüneburger Heidjen, Ostwestfalen und Ostpreußen. Schädelvermesser könnten angesichts einer solch feinsinnigen Vereinigung der Schöngeister ablesen, dass der U. B. Kant die gesammelten Werke von Shakespeare, Schiller und Sophokles nicht nur dekorativ im Bücherregal stehen, sondern deren Lektüre auch nach zehn Seiten abgebrochen hat.

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