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Die AfD und das „Hochamt der Demokratie“

4. Oktober 2024
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Heribert Prantl, einstiger Chefredakteur der „Süddeutschen Zeitung“, hat Wahlen stets als feierliches „Hochamt der Demokratie“ bezeichnet. Was sich am 26. September in der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags abspielte, war jedoch der absolute Tiefpunkt der Demokratie. An jenem denkwürdigen Donnerstag ging es um die Wahl des Landtagspräsidenten, den gemäß der Erfurter Geschäftsordnung jeweils die stärkste Fraktion vorschlagen darf – seit der Wahl vom 1. September mithin die AfD.

Dies wollten jedoch die sogenannten „demokratischen“ Parteien unter allen Umständen verhindern. Die CDU und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) beantragten, die Geschäftsordnung dergestalt zu ändern, daß alle Fraktionen von Anfang an eigene Kandidaten aufstellen dürfen. Dies lehnte AfD-Mitglied Jürgen Treutler, mit seinen 73 Jahren Alterspräsident, völlig zu Recht unter Hinweis auf den entsprechenden Passus im Gesetz ab:

„Die Geschäftsordnung des Thüringer Landtags gilt so lange fort, bis der Landtag eine neue Geschäftsordnung beschlossen hat.“

Im Parlament war jetzt die Hölle los. Andreas Bühl, Geschäftsführer der CDU-Fraktion, sprach mit Blick auf Treutler und die AfD von „Machtergreifung“ und spielte so auf die NSDAP an. (Da es hierzulande keine Sippenhaft mehr gibt, wäre es angebracht, er würde sich einmal mit seinem älteren Bruder ins Benehmen setzen, denn Marcus Bühl ist AfD-Mitglied und seit 2017 Bundestagsabgeordneter.) Katja Wolf, Fraktionsvorsitzende des BSW, giftete, die AfD habe sich „die Maske der Scheindemokraten heruntergerissen. Das war ein Mißbrauch des Thüringer Landtages als politische Bühne und eine Verächtlichmachung der Demokratie“. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, war ebenfalls empört:

„Die AfD hat in Thüringen erneut ihren faschistoiden Charakter offenbart.“

Nahezu alle Medien spuckten Gift und Galle mit der wahrheitswidrigen Behauptung, der AfD sei es stundenweise gelungen, in Erfurt die Spielregeln der parlamentarischen Demokratie auszuhebeln. „Eklat“, „Chaos“, „Staatszersetzung“ waren nur einige der Vorwürfe, mit denen die Ereignisse jenes Tages beschrieben wurden. Schon zwei Tage später, am 28. September, entschieden die neun Richter des von CDU und BSW angerufenen Thüringer Verfassungsgerichtshofs, Treutler hätte von der Geschäftsordnung abweichen und schon vor der Wahl des Landtagspräsidenten über Änderungsanträge zur Geschäftsordnung abstimmen lassen müssen. Und wo bleiben da Gesetz und Ordnung? möchte man fragen. Offenbar unwichtig, wenn es um das „Hochamt der Demokratie“geht.

Das nächste „Husarenstück“ hat das Erfurter Parteienkartell bereits auf den Weg gebracht: Noch am 28. September beschloß es auf Antrag von CDU und BSW, daß die Ausschüsse des Landtags dank eines neuen Berechnungsverfahrens nur noch aus je 12 statt wie bisher aus 14 Abgeordneten bestehen sollen. Damit stehen der AfD nur noch 4 statt 5 Sitze in den jeweils zwölfköpfigen Ausschüssen zu – nicht genug also, um Beschlüsse der übrigen 8 Mitglieder aus den anderen Fraktionen blockieren zu können, denn dazu bedürfte es mehr als eines Drittels der Sitze. Da die AfD im Gegensatz zum Plenum den „Grundsatz der Spiegelbildlichkeit“ in den Ausschüssen durch den Verlust ihrer Sperrminorität verletzt sieht, will sie sich juristisch dagegen zur Wehr setzen. „Glückauf!“ kann man ihr da nur wünschen.

Wie abgrundtief der Haß auf die Rechte ist, machte die „Süddeutsche“, eines der linksliberalen Leitmedien, deutlich, als sie am 1. Oktober anläßlich des Wahlsiegs der FPÖ auf der ersten Seite ihres Feuilletons einen Artikel des österreichischen Schriftstellers Elias Hirschl abdruckte, der seinen Ekelgefühlen freien Lauf ließ:

„Die letzten Wochen hat sich die kommende Wahl schon wie ein stetig wuchernder Abszess angefühlt, der mit jeder Umfrage größer und fester wird, und irgendwie ist es natürlich erleichternd, wenn er dann zu Wahlschluss endlich aufplatzt, all der Eiter, das ganze darin fermentierte, zersetzte Gewebe sichtbar wird, Licht und Sauerstoff bekommt und man sich das Ausmaß des Schadens vor Augen führen kann. Andererseits ist da jetzt eine offene Wunde und der Guardian und die Süddeutsche Zeitung schauen sie sich entsetzt an und rufen: Junge, geh´ bitte endlich zum Arzt. Aber Österreich geht nicht zum Arzt. Nie.“

Peter Kuntze

Kuntze wurde 1941 in Kiel geboren und hat nach Abitur und Wehrdienst eine verlagskaufmännische Lehre in Hamburg absolviert. Anschließend ein Redaktionsvolontariat in Ansbach. 1968 gelang ihm der Sprung nach München zur Süddeutschen Zeitung, wo er als außenpolitischer Nachrichtenredakteur sein Brot bis 1997 verdient hat. Nebenbei schrieb Kuntze etliche Kinderbücher, zwei Romane und acht politische Sachbücher über China. Seine konservative Wende geschah in den letzten Berufsjahren.

1 Comment

  1. Wunderschön der Vergleich eines der Kernbausteine der Volksbeteiligung mit einem eiternden Abszeß. Die alternativlosen Vorbilddämokraken offenbaren sich in immer irrwitzigeren Ausmaß selbst – und merken es in ihrem Gesinnungsgeifer nicht mehr einmal.

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