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Der vergessene Klang der Intimität oder: Das Clavichord

14. Mai 2021
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Was ist ein „Clavier“? Mit dem Worte „Klavier“ (mit K!) verbinden wir heute eindeutig das Tasteninstrument, das seit den vergangenen zwei Jahrhunderten in seiner einfachen Form (ursprünglich „Pianino“, also „kleines Piano“, genannt) ein fester Bestandteil gutbürgerlicher Hausmusik ist und als Konzertflügel in großen Sälen das Publikum begeistern und junge Damen in Ohnmacht fallen lässt.

Doch welches Instrument hatte Johann Sebastian Bach im Sinne, als er 1722 den ersten Band des „Wohltempierte Claviers“ (mit C!) veröffentlichte? Die eben beschriebenen Instrumente setzten sich in der Flügelform erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch, das Pianino sogar erst nach 1800.

Tatsächlich bezeichnete der Begriff „Clavier“ zu Bachs Zeiten eine ganze Reihe an Instrumenten, nämlich all jene, die Tasten hatten: Dazu zählen die Orgel, für welche das Wohltemperierte Clavier eher weniger bis gar nicht geeignet ist, das Cembalo, ein Instrument, dessen Bekanntheitsgrad seit den 60er Jahren wieder kontinuierlich steigt (auch wenn ich immer wieder mal Leuten erklären muss, dass man es nicht zwischen seine Beinen packt und hin und her streicht…), und schließlich: das Clavichord, ein besaitetes Tasteninstrument, das außerhalb der Alten-Musik-Szene so gut wie unbekannt ist.

Fast jeder musikalische Haushalt innerhalb der Reichsgrenzen (und vor allem Richtung Süden weit darüber hinaus) hatte bis ins späte 18. Jahrhundert ein solches Clavichord bei sich stehen. Auch Johann Sebastian Bach besaß mindestens ein solches Instrument, und es liegt nahe, dass die vor allem für den privaten Gebrauch gedachten Stücke des Wohltemperierten Claviers primär darauf gespielt wurden.

Bildquelle: Gérard Janot, CC BY-SA 3.0, Wikicommons

Bildquelle: Gérard Janot, CC BY-SA 3.0, Wikicommons

Clavichorde gehören zu den ältesten europäischen Tasteninstrumenten, spätestens seit dem Ende des 14. Jahrhunderts sind sie nachweisbar. Das obige Bild zeigt ein Exemplar aus dem 16. Jahrhundert, vermutlich aus Italien.

Es steht heute im Museé de la musique in Paris und trägt den Namen „Lépante“, da auf seinem Deckel der Sieg der Heiligen Liga über die osmanische Flotte in der Seeschlacht von Lepanto verewigt wurde. Clavichorde waren im Vergleich zu Cembali recht billig zu bauen; zusammen mit ihrem besonderen, als zart und intim beschriebenen Klang führte das dazu, dass sie sich in Italien und im Heiligen Römischen Reich großer Beliebtheit erfreuten.

Nicht nur für häusliche Musik wurde es verwendet, sondern auch als Übeinstrument: Carl Philipp Emanuel Bach beschreibt in seinem Werk „Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen“, dass man bei erfolgreicher Beherrschung des Clavichords ohne Probleme das Cembalo spielen kann. In Kantorenhäusern befanden sich auch Instrumente mit mehreren Manualen und angebauten Pedal, auf denen Organisten geübt haben (man bedenke, dass es in Zeiten ohne Elektronik und Motoren mehrerer Menschen, sogenannter Kalkanten, bedurfte, um den Wind in die Orgelpfeifen zu blasen!).

Sowohl Johann Sebastian Bach als auch seine Söhne schätzen das Clavichord sehr, viele ihrer Werke lassen sich darauf spielen; Carl Philipp Emanuel, der zweitälteste Bachsohn, erlangte seinen damaligen Ruhm unter anderem durch seine leidenschaftlichen und virtuosen Improvisationen, die er dem Publikum an diesem Instrument präsentierte.

Auch bei den Komponisten der Wiener Klassik hatte das Clavichord einen sehr guten Ruf, so nutzte Mozart es als Arbeitsinstrument für seine Kompositionen (das Exemplar z. B., an dem er die Musik für die „Zauberflöte“ ausprobierte, ist heute noch erhalten), und Beethovens Frühwerk lässt sich ebenfalls ohne Probleme auf dem Clavichord aufführen.

Mit der Weitentwicklung des heutigen Klaviers und der Sehnsucht nach einem stärkeren und volleren Klang konnte das leise Clavichord jedoch nicht mithalten und geriet langsam aus der Mode. Mit dem Aufkommenden der Alte-Musik-Bewegung im 20. Jahrhundert jedoch erlebt es ein allmähliches Revival, auch wenn es aufgrund seiner geringen Lautstärke für einen großen Konzertsaal völlig ungeeignet ist.

Bildquelle: Berndt Meyer, CC BY-SA 3.0, Wikicommons

Bildquelle: Berndt Meyer, CC BY-SA 3.0, Wikicommons

Der Grund für dafür ergibt sich aus der Bauweise des Instruments und der damit verbundenen Tonerzeugung: Anders als beispielsweise beim modernen Klavier, wo ein Hämmerchen die Saite anschlägt und danach wieder zurückweicht, berührt beim Spielen einer Taste (A/B), die wie eine Wippe funktioniert und die Tastenwippen (2A/2B) nach oben drückt, eine sogenannte Tangente (1A/1B) die Saite (3).

Dabei erzeugt sie durch das Anschlagen den Ton und dient gleichzeitig als Steg, d. h. als Begrenzung der klingenden Saite. Wie bei jedem anderem Instrument auch gibt es auch hier einen Resonanzboden (4), der durch einen anderen, feststehenden Steg (5) rechts des Spielers zum Schwingen gebracht werden. Damit der Rest der angeschlagenen Saite nicht ebenfalls einen Ton erzeugt, wird dieser durch einen Filz (6) gedämpft.

Auf dem obigen Bild, welches das Clavichord „Lepante“ zeigt, sieht man ganz deutlich die Tastenwippen unterhalb der Saiten sowie den weißen Filz. Die Bauweise des Clavichords erzeugt nicht nur einen leisen, zarten Ton, sondern gibt den Spieler auch die Möglichkeit den Ton zu formen:

Nicht nur eine Laut-Leise-Abstufung ist möglich (auf dem Cembalo und an der barocken Orgel geht das in dieser Form nicht), durch das Verändern des Tastendrucks kann eine mit dem Vibrato der Violine vergleichbare „Bebung“ erzeugt ist, was unter den Tasteninstrumenten einzigartig ist. Lässt der Spieler die Taste los, fällt die Tangente wieder zurück und die gesamte Saite wird durch die Filze gedämpft.

Um nun endlich eine Vorstellung vom Klang des Clavichords zubekommen, gibt es gleich drei Aufnahmen: Die erste zeigt ein Instrument aus dem Italien des 16. oder 17. Jahrhunderts. Hier wird nicht nur der etwas gewöhnungsbedürftige Klang präsentiert, sondern auch das mechanische Innenleben des Clavichords:

Auf der zweiten Aufnahme wird das berühmte C-Dur-Präludium aus Johann Sebastian Bachs Wohltemperierten Clavier auf einem Nachbau eines Instruments aus dem späten 18. Jahrhundert zu hören sein:

Und zu guter Letzt gibt es ein Stück von Carl Philipp Emanuel Bach: Der zweite Satz der Sonate Nr. 3 aus der Sammlung „Sonaten für Kenner und Liebhaber“. Hier kann die ganze Ausdruckskraft des Clavichords noch einmal gespürt werden:

Damit endet nun der Ausflug in einer dem in der Moderne sein Dasein fristenden Menschen fast unbekannten Welt. So genießet ihre schönsten Früchte!

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