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Ameisen oder Hornissen – „Raus mit die Viechers!“

23. Mai 2024
in 3 min lesen

Wer sich im Sommer über die Mücken beschwert, hat definitiv noch nicht in einem Haus mit Hornissenbefall gewohnt. Über den vergangenen Sommer hatte ich das Vergnügen, mit 10 bis 15 Exemplaren Bekanntschaft zu machen, und zwar auf der falschen Seite der Türschwelle. Vorstellig wurden sie meist, wenn ich nach Einbruch der Dämmerung lüften wollte, was in einem Haushalt mit reiner Wohnungskatze ganz ohne Beleuchtung nicht ganz risikofrei möglich ist.

Die Tiere sind an und für sich nicht auf Krawall gebürstet, aber die schiere Masse des Geschosses, das sich da missmutig von Wand zu Wand schleudert, flößt einem durchaus Respekt ein. Und obwohl sie selbst augenscheinlich unglücklich über ihre neue Unterkunft sind, wehren sie sich nach Kräften dagegen, in ihr angestammtes Zuhause remigriert zu werden. Vor wenigen Tagen suchte mich die bislang erste Hornisse im laufenden Jahr heim und verkroch sich rasch an einen Deckenwinkel, der sich meinem Zugriff entzog. Glücklicherweise stand meine Katze vor demselben Problem. Denn während meine intuitive Gefahrenbewertung durch das rustikale Auftreten des wie ein Quadcopter brummenden Viechs unproduktiv hoch ausfällt, scheint sie es für eine Art lustig durch die Luft schwirrendes Mäuschen zu halten, freut sich scheinbar sogar über den ungebetenen Spielkameraden und geht ohne zu zögern auf ihn los.

Ein Problem also, das nicht ignoriert werden kann. Aber vielleicht aufgeschoben? Nach zahlreichen Versuchen, die Hornisse mit Wurfgeschossen wie Papierknäueln aufzuscheuchen, um die Hetzjagd auf Augenhöhe fortführen zu können, strich ich ob der späten Stunde die Segel, schnappte mir Jacky und schloss das Insekt in meiner Küche ein, um mich am nächsten Morgen darum zu kümmern. Eine halbe Stunde später riss mich allerdings ein lautes Summen – zu laut, um aus der Küche zu stammen – schon wieder aus dem Halbschlaf. Dieses Tier war allen Ernstes da rausgekommen. Ich kann es mir nur so erklären, dass die Hornisse sich unter dem Türspalt durchgequetscht hatte, als es ihr ohne unsere Gesellschaft zu langweilig wurde. Mein Kater war natürlich schon drauf und dran, dem Ganzen ein Ende zu bereiten, was im Zweifelsfall auch das Ende meines Katers hätte bedeuten können. Ein kurzes Herzschlagfinale später saß sie in einem Ikea-Glas fest und wartete auf die Rückführung.

Eine für Hornissen-Laien naheliegende Frage ist wahrscheinlich, warum ich sie nicht einfach mit meinem Luftgewehr abgeknallt habe. Nun, mir wurde zumindest einmal erzählt, dass das eine ganz schlechte Idee sei, weil Hornissen über eine Art Dead-Switch verfügen, sprich: Beißt eine von ihnen gewaltsam ins Gras und die anderen kriegen das spitz, werden sie tatsächlich ungemein aggressiv. Nicht, weil sie ein Konzept von Vergeltung hätten, sondern weil sie sich über Pheromone mitteilen, dass das Nest möglicherweise angegriffen wird. Alle Angaben ohne Gewehr. Sollte das stimmen, wissen meine Nachbarn es hoffentlich auch, ansonsten könnte es ein lustiger Sommer werden.

Eine, wenn auch oberflächlich betrachtet harmloser erscheinende, objektiv betrachtet jedoch deutlich nachhaltigere Gefahr erwartete mich wenig später: eine einzelne Ameise. Die sogenannte Vorhut, die für ihr Volk nachschauen soll, ob ich hier vielleicht wie der Drachenlord hause und von „Projekt Brot und Brötchen“ noch etwas für sie übrig ist. Wenn dem so ist, würde sie tags drauf besagtes Volk mitbringen und ich hätte ein manifestes Problem.

Aus Kindheitserinnerungen an einen Ameisenbefall kann ich berichten: Selbst ein (für mitteleuropäische Verhältnisse) gefährliches Insekt wie eine Hornisse, das einem eine scheißende Angst einjagt und deutlich schwerer einzufangen ist, ist ein Klacks im Vergleich mit diesem winzigen, völlig ungefährlichen Tierchen, das aber auch tatsächlich gut und gerne unter deinem Dach und von deinen Ressourcen leben möchte. Die Hornisse besucht dich wie ein verstimmter Teenager, der von den Eltern dazu verdonnert wurde, bei der komischen, einsamen Weintante vorbeizuschauen und so zu tun, als würden ihre staubtrockenen veganen Hirsekekse schmecken und ihr Gerede von Tierkreiszeichen und glutenfreien Couscous-Alternativen wäre anregend. Die Ameisen suchen dich heim wie die Philanthropen auf dem World-Economic-Forum-Gipfel in Davos den nächstgelegenen Puff zur Happy Hour. Und: Zur Abwehr von Hornissen kann man die Wohnung mit einigen Mühen zur Festung ausbauen. Ameisen beauftragen dezentrale Schlepperbanden, gründen Stiftungen gegen Hautflüglerfeindlichkeit und organisieren Arbeiterinnenaufstände. Das einzige Grauen, vor dem die Gefahr einer Ameiseninvasion in der Wohnung verblasst, lauert mit dem Ölkäfer draußen im Garten.

Shlomo Finkelstein

Shlomo Finkelstein wollte immer schon irgendwas mit Hass machen. Seit 2015 erstellt er als "Die vulgäre Analyse" Videos, und seit 2019 zusammen mit Idiotenwatch den Podcast "Honigwabe".

Belltower News schreibt über ihn: "Da er vorgibt, sein Hass sei rational begründet, sind besonders junge Menschen der Gefahr ausgesetzt, die Thesen für bare Münze zu nehmen und sich so zu radikalisieren."

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