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Buchkritik: Schwarze Explosion (Christopher Priest)

15. September 2022
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Von Wolfang Thurmann

Tatsächlich waren viele Science- Fiction-Romane noch in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts technikzentriert, also eher positiv in die Zukunft weisend. H.G. Wells bildete hier eine der wenigen Ausnahmen, vor allem aber Jewgenij Samjatins hellsichtiger antikommunistischer Zukunftsroman „Wir“ (1920). Doch „Goldmanns Weltraum Taschenbücher“ machten mit Christopher Priests „Schwarzer Explosion“ (1972) dem damaligen Zeitgeist einen gründlichen Strich durch die Rechnung. Priest (1943) lebt in Greatest Manchester und gilt immer noch als angesehener Autor, dessen „Schwarze Explosion“ seinerzeit sogar von der „Sunday Times“ gründlich besprochen wurde.

Der Plot des Romans ist ebenso bizarr wie gewagt. In Afrika zünden Chinesen Atombomben, was zu einer gigantischen Flüchtlingswelle nach Großbritannien führt. Der hochgebildete, aber unsichere Akademiker Alan Whitman mitsamt seiner Frau Isobel und Tochter Sally gerät schließlich in die Wirren eines Bürgerkrieges ohne Bürger. Afrikaner versus autochthone Engländer lässt das Land alsbald auseinanderbrechen. Plünderung, Vergewaltigung und Mord stehen auf der Tagesordnung, wobei sich die beiden Parteien gnadenlos bekriegen.

Der Protagonist – und das ist das Geniale an diesem Buch – erinnert sich dabei stets an seine vollkommen desolate eheliche Beziehung, und das erotisch nicht zu knapp. Der persönliche Zerfall der Beziehung bildet sich also überdeutlich auch im historischen Geschehen ab. Whitman findet noch einmal seine Familie wieder, verliert sie allerdings wieder in den fortgesetzten mörderischen Katastrophen und schultert, nachdem er seine Familie massakriert auffindet, am Schluss ein Gewehr, um am nächsten Morgen einen Afrikaner zu ermorden und sich (vermutlich) der weißen Bürgerwehr anzuschließen. Die Prosa ist in lakonischem Ton gehalten, beschreibt eher als dass sie Gefühle zulässt. Literarisch nicht gerade erste Sahne, so doch eine ziemlich glaubwürdige Beschreibung eines totalen Zivilisationszusammenbruchs.

Das Werk erschien, wie gesagt, genau vor 50 Jahren als düstere Dystopie, an die damals kaum jemand glauben wollte. „Es kann schon morgen geschehen…“ ist übrigens warnend so am Cover vermerkt. Heute wäre diese Veröffentlichung wohl ein formidabler Skandal und sicherlich besonders verhindernswert. Der Band ist nur mehr antiquarisch zu bekommen. Seit 2021 sind ca. 40.000 Afrikaner über den Ärmelkanal nach England geflüchtet.

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