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Der Migrationsgipfel – Ein historischer Moment?

8. November 2023
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„Ich will nicht zu große Worte ergreifen, aber doch sagen, dass ich glaube, dass das hier ein sehr historischer Moment ist.“ Das sagte Bundeskanzler Scholz in der Pressekonferenz, die anlässlich des „Migrationsgipfels“ abgehalten wurde. Am Montag, dem 6. November, trafen sich der Kanzler und die 16 Ministerpräsidenten der Bundesländer im Kanzleramt, um über einen neuen Umgang mit der Migrationskrise zu beraten. Bis in die frühen Morgenstunden wurde gestritten, erst kurz vor 3 Uhr in der Früh war die Sache vorbei.

Wenn man so den neokonservativen, amerikahörigen Teil der Presse durchliest – wozu etwa die Outlets des Springer-Verlags gehören –, könnte man meinen, es wäre eine 180-Grad-Wende von der Exekutive beschlossen worden. „‚Historischer Moment‘ – Deutschland soll für Migranten unattraktiver werden“: Das titelte die Onlineausgabe der „Welt“ gestern Mittag und zitierte damit die Worte des Kanzlers. Ein historischer Moment also: Was bedeutet das? Werden keine Migranten mehr reingelassen? Werden diejenigen, die gar keinen legalen Aufenthaltsstatus hier haben, etwa abgeschoben? Nein mehr noch, werden jetzt etwa alle, die seit 2015, nein 1990, nein 1960 hierherkamen, in den Abschiebeflieger gen Heimat gesetzt? Oder was hat der ganze Wirbel zu bedeuten?

Wir dürfen uns ernüchtern. Es wird sich nichts ändern, zumindest nicht viel. Angekündigt wurden eine Beschleunigung der Asylverfahren, weniger Geld für Asylanten und das Einsetzen von Bezahlkarten statt Bargeld. Asylverfahren sollen sogar in Drittländern stattfinden, damit die Kommunen hier sowohl personell als auch finanziell entlastet werden. Also, diese Maßnahmen können natürlich erst dann umgesetzt werden, wenn sie auch im Einklang mit den Menschenrechten und der Genfer Flüchtlingskonvention sind, sonst kämen wir ja noch in Teufels Küche – am Ende würde Deutschland ja noch selbst darüber entscheiden können, wen es reinlässt und wen nicht.

Ob die Maßnahmen nun „menschenwürdig“ sind, muss erst mal überprüft werden – was auch immer das zu bedeuten hat. Schall und Rauch also: Real ändert sich – nichts! Was auch nicht anders zu erwarten war: Seit Jahren redet die Propaganda den Menschen ein, die Bundesrepublik brauche jährlich die Einwanderung einer ganzen Großstadt von 400.000 (!) Menschen, um den Laden am Laufen zu halten – vom demografischen Aspekt abgesehen, werden sie auch wirtschaftlich kein Gewinn sein. Es gibt wohl kaum eine dreistere Propagandalüge in den letzten Jahren als diese.

Und selbst wenn die beschlossenen Maßnahmen tatsächlich umgesetzt würden: Sie blieben ein Tropfen auf dem heißen Stein. Denn wirklich ändern würden die Maßnahmen auch nichts. Klar, es würden weniger Migranten hierherkommen und vielleicht auch einige wieder gehen, aber es würde im Großen und Ganzen keinen großen Unterschied machen. Es würde ein wenig Druck vom demografischen Kessel nehmen, so dass er vielleicht ein paar Jahre später hochgeht – das Problem wäre nicht gelöst, das Symptom ein wenig entschärft. Dem politischen Gegner AfD könnte man damit außerdem ein paar blauäugige Wähler abwerben – was auch ein Teil des Kalküls sein dürfte.



Da stellt sich aber immer noch die Frage: Warum jetzt? Als ob die Migrationsproblematik nicht schon jahrelang bekannt wäre. Die Antwort liegt natürlich auf der Hand: der Israel-Hamas-Krieg. Hier treffen die Sympathie für Muslime und der Schuldkult aufeinander, doch da Letzterer deutlich fester in der Psyche des deutschen Mainstreams verankert ist, wird Israels Sicherheit – und damit auch die Solidarität mit Israel – zur deutschen Staatsräson. Die zehnminütige Rede, die Vizekanzler Habeck zu diesem Thema hielt, fasst den Grund für den Pseudowechsel in der Migrationspolitik sehr gut zusammen: die bedingungslose Ergebenheit gegenüber den Israelis. Und wenn das heißt, ein paar Achmeds und Alis abzuschieben, dann ist das eben so.

Dass diese Bevölkerungsgruppe seit mehreren Jahren einen nicht unerheblichen Blutzoll unter dem eigenen Volke gefordert hat – von dem psychischen Terror mal ganz zu schweigen –, war der Mainstreampresse und -politik vollkommen egal. Jetzt, wo die Israelis attackiert wurden, werden die Muslime auf einmal zum Problem. Wir haben ja in den letzten Wochen gesehen, wie Teile der Regierung, und noch mehr die Neokonservativen in der CDU und dem Springer-Verlag, hier auf einmal den harten Hund spielen und am liebsten alle Islamisten auf einmal heimschicken wollen – also, weil sie das Existenzrecht Israels infrage stellen, versteht sich, nicht weil sie dem Volke, welches sie hier in Deutschland demografisch ersetzten, feindlich gegenüber eingestellt sind. Und genau das macht sie alle zu den erbärmlichen Gestalten, die sie nun mal sind.

Ein „historischer Moment“ in der BRD ist eben nicht so etwas wie die Einweihung eines neuen sakralen Gebäudes, eine wichtige Rede eines wahrhaftigen Staatsmannes oder gar – Gott bewahre! – ein gewonnener Krieg – nein, ein „historischer Moment“ ist die Ankündigung leerer Versprechen, die nur deshalb gemacht wurden, weil man aus zivilreligiösen Gründen und um einer anderen Nation zu dienen auf einmal problematische Bevölkerungsgruppen abschieben möchte, deren Verbrechen gegen das eigene Volk für Jahre nicht nur kein Problem darstellten, sondern deren Erwähnung in der Presse auf perfideste Weise tabuisiert wurden. Wie passend für das beste Deutschland aller Zeiten, nicht?

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

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