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Waldemar Atterdag brandschatzt Visby; Carl Gustaf Hellqvist 1882

Der Staat als Parasit

26. April 2022
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Nicht ohne Grund findet die Bezeichnung „Räuberbande“ für den Staat Verwendung. Erstmalig wurde dieser Begriff in diesem Zusammenhang von Augustinus von Hippo (354-430) genutzt: „Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande.“ Augustinus hatte leider noch nicht begriffen – beziehungsweise war es in seiner Zeit noch nicht offenbar –, dass der Staat frei über das Recht entscheiden kann. Die Bedingung „Recht“ ist in diesem Sinne kein qualifizierendes Merkmal für staatliches Raubrittertum oder sonstige Vergehen, wie die „legalen“ Diktaturen des 20. Jahrhunderts eigentlich jedem vor Augen geführt haben.

Weiter gedacht wurde die Idee vom Staat als Bandit vom US-amerikanischen Ökonomen Mancur Olson, der erstmals von einem „stationären Banditentum“ sprach. Warlords und Räuberbanden entwickelten sich über die Jahrhunderte zu einer ortsansässigen Macht, da es schlicht und ergreifend ineffizient sei, von Dorf zu Dorf zu ziehen und Terror zu verbreiten. Der Bandit richtet sich als Herrschaftskaste vortrefflich ein und lässt den „Unterdrückten“ gewisse Freiheiten, da er selbst von ökonomischem Wohlstand und zufriedenen Bürgern profitiert. Schnell entstehen Institutionen, die Herrschaft ausüben und festigen.

Demnach ist es auch sinnig, dass die Räuberbande über die Zeit eine soziale Durchlässigkeit entwickelt und es den eigentlich Unterdrückten ermöglicht, Mitglieder in ihren Reihen zu werden. Aufgrund wachsender Aufgaben entsteht ein Interesse der Räuberbande, mehr und mehr Mitglieder zu finden – gleichzeitig werden die Dorfbewohner durch höhere Gehälter und Privilegien gelockt. Die zum Staat gewordene Räuberbande hat Anreize, sich weiter auszudehnen, was Friedrich August von Hayek wohl als Erster thematisierte.

Schutz vor dem Staat?

Es gibt zwei Optionen: Entweder man stattet Dörfer, Gemeinden, Nationen wehrhaft aus, so dass sie sich vor einer aufziehenden Staatskaste schützen können – von innen wie von außen. Unter diesem Stern wurden auch die Freiheitsrechte der USA besonders stark ausgestattet. Spoiler-Alarm: Der heraufziehende Sozialismus in den USA zeigt, dass es selbst im ursprünglich freiesten Staat der Erde nicht möglich war, den Staat dauerhaft einzudämmen.

Die zweite Option ist so unspektakulär wie logisch: Anstatt zum Korpus der Wirtstiere zu gehören, wechseln Menschen auf die Seite des Staates. Sie betreiben individuelles „Rent-seeking“, nutzen also den Staat, um größtmöglichen Profit davonzutragen. „Aber in der freien Wirtschaft verdient man viel mehr“, ist der typische Einwand gegen diese Theorie. Ja, fähige Leute sicherlich, aber nach meiner Schätzung sind über 90 Prozent der Deutschen nicht in der Lage, auf dem freien Markt mehr Einkommen zu erzielen als innerhalb des Staatsapparats. Im mittleren Dienst beispielsweise verdient man (Besoldungsgruppe A8) knapp 2.700 Euro netto – mit Hauptschulabschluss oder Mittlerer Reife –, was eklatant über dem Durchschnittseinkommen der Personen mit vergleichbaren Schulabschlüssen liegt.

Der funktionierende Staat schwindet

Da gerade der deutsche Staat in vielerlei Hinsicht über Jahrzehnte einen ziemlich guten Job gemacht hat, fiel kaum jemandem das Wirt-Parasiten-Verhältnis auf. Kein Wunder also, dass der Libertarismus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland nicht existierte und erst über den Umweg USA im 21. Jahrhundert erneut aufkam. Die Betonung liegt auf „erneut“ – denn entgegen zahlreichen Darstellungen vom Deutschen als dem geborenen Untertanen in einem Zwangssystem gab es zahlreiche freie Epochen in unserer Geschichte. Allein die Existenz des „Zehnten“, also von Abgaben in Höhe von zehn Prozent des Einkommens, weisen auf einen über Jahrhunderte existierenden Minimalstaat mit „Flat Tax“ hin, der „Flickenteppich“ Deutschlands kann im Kontrast zum übergriffigen Flächenstaat moderner Prägung als Oase der Freiheit angesehen werden, und selbst das Deutsche Kaiserreich, als militaristischer Pickelhaubenstaat verhohnepiepelt, toppte in puncto ökonomischer Freiheit alle heutigen Staaten des Westens um Längen.

Hoffen wir, dass der übergriffige moderne Staat mehr und mehr die Daumenschrauben anzieht und seine Fratze zeigt, um sich in einer niedergehenden Wirtschaft am Leben zu erhalten. Dann wird auch der einfache Bürger merken, dass es nie um Sicherheit, Gesellschaft, Volk oder Nation gegangen ist, sondern lediglich um den Selbsterhalt der Unproduktiven: „Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: ‚Ich, der Staat, bin das Volk‘“, schreibt Nietzsche in „Also sprach Zarathustra“.

Und weiter: „Aber der Staat lügt in allen Zungen der Guten und Bösen; und was er auch redet, er lügt – und was er auch hat, gestohlen hat er‘s. Viel zu viele werden geboren: für die Überflüssigen ward der Staat erfunden! Seht mir doch, wie er sie an sich lockt, die Viel-zu-Vielen! Wie er sie schlingt und kaut und wiederkäut! ‚Auf der Erde ist nichts Größeres als ich: der ordnende Finger bin ich Gottes‘ – also brüllt das Untier.“

Die unheimliche Prophezeiung Nietzsches zeigt gerade in den letzten Jahren ihre Prägnanz: Das „Untier Staat“ konnte zwar schon im frühen 20. Jahrhundert beobachtet werden – aber das Problem der „Viel-zu-Vielen“ hat sich erst in den letzten Jahren deutlich offenbart. Der Staat ist nicht mehr scharf, brutal und hart, sondern breit, feist und schwammig. Beim Gang über den Campus oder zum Amt spürt man, wie recht Nietzsche doch hatte. Der Staat lockt die Überflüssigen, und die geben sich mehr und mehr Macht.

Florian Müller

Der Sklaventreiber-Chef hat diverse Geschwätzwissenschaften studiert und nach eigenen Angaben sogar abgeschlossen. Als geborener Eifeler und gelernter „Jungliberaler“ freundete er sich schnell mit konservativen Werten an – konnte aber mit Christentum und Merkel wenig anfangen. Nach ersten peinlichen Ergüssen entdeckte er das therapeutische Schreiben in der linksradikalen Studentenstadt Marburg, wurde Autor für die „Blaue Narzisse“ und „eigentümlich frei“. Ende 2017 gründete er mit Hannes die Krautzone.

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