Deswegen verliert die AfD, und deswegen gewinnen die Grünen

19. Mai 2022
in 4 min lesen

Kamerad Vesargo und ich haben diese Woche unsere angestammten Kolumnenplätze getauscht, was ich zum Anlass nehme, meine kleine, aber feine Reihe über den Kapitalismus zu unterbrechen und meine dicke Zehe zur Abwechslung in die Jauche der Tagespolitik zu tauchen. Wirklich, wenn ich neben einer Partie Mühle oder Halma irgendetwas als wirklich, wirklich dröge empfinde, dann ist es die Kaffeesatzleserei im Nachgang von Wahlen. Ganz ehrlich, wen interessieren Wahlen? Offensichtlich immer weniger, denn in Nordrhein-Westfalen blieb nun fast die Hälfte aller Wahlberechtigten zu Hause. Warum auch nicht?

Natürlich, hätten unsere „demokratischen“ Parteien ein echtes Interesse an Demokratie, dann würde die stärkste Fraktion in Düsseldorf „Die Nichtwähler“ (DNW) heißen und rund die Hälfte der gutdotierten Sessel bliebe unbesetzt. Aber man will ja Arbeitsplätze schaffen, daher stehen solche Spinnereien nicht zur Debatte. Das ist sehr schade, denn ich hätte eine weitere: Jeder Wähler bürgt für seine Wahl. Wer Masseneinwanderung wählt, der macht in Zukunft Platz in seiner Wohnung. Wer seine Stimme den „Erneuerbaren“ gibt, der kann in Zukunft ordentlich zahlen. Wer für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine votiert, fliegt am folgenden Werktag nach Kiew, um diese dort in Empfang zu nehmen. Das ist ja überhaupt die Essenz der links-grünen Agenda: Leiden, zahlen oder kämpfen dürfen immer die anderen.

Und damit sind wir beim eigentlichen Thema: Externalisierung von Kosten. Was nach langweiligem Karteikartengelerne von BWL-Studenten klingt, ist tatsächlich so etwas wie die DNA grünlinker Politik. „Wie kann man sowatt wähl‘n ????“, wird sich Boomer-Bernd auch nach der Landtagswahl in NRW entrüstet gefragt haben, und er wird diese Frage in die Kommentarspalte eines dieser „wenigen echten Nachrichtenportale“ hacken, deren Geschäftsmodell auf der leichten und oberflächlichen Reizbarkeit der Boomer-Bernds dieser Republik basiert. Deswegen, lieber Leser, deswegen kommt in diesem Land keine „rechte Alternative“ auf einen grünen Zweig – weil Empörung, Überreizung und Gemotze keine Grundlage für ein nachhaltiges Weltbild und eine stabile Ideologie sind, in der sich eine wachsende Zahl von Anhängern einrichten möchte. Wenn Parteien nur ein Wort auf ihre Plakate drucken dürften, so stünde auf denen der Grünen „Ja“ und denen der Blauen „Nein“.

Natürlich kann man auch nach dieser Wahl zehn weitere Artikel und drei Interviews darüber veröffentlichen, wie unrealistisch/teuer/hanebüchen die grünen Programmpunkte sind oder wie unfähig und ungebildet grüne Politiker sind – die Wahrheit ist: Es interessiert, jenseits der eigenen, leicht erregbaren Blase, keine Sau. Menschen handeln opportunistisch – in einer überalternden, von Überfremdung geprägten Gesellschaft umso mehr –, sie wollen sich gut fühlen. Im Falle der Wahlentscheidung für die Grünen ist das umso leichter, da hier die Kosten des „Sichgutfühlens“ ausgelagert und verwässert werden. Man nimmt sie quasi nicht wahr, und wenn doch, kann jedes aufflackernde Unwohlsein im Keim erstickt werden: Die explodierenden Energiekosten sind die Schuld von Putin. Muslimischer Terror und Ausländerkriminalität sind die Schuld rechter Hetzer. Der Verfall des Bildungssystems liegt an zu wenigen Lehrern, und so weiter, und so fort. Entscheidet sich der Wähler für die Alternative, trägt er selbst die Kosten: Er stigmatisiert sich, er muss sich rechtfertigen, und er kann sich nach der Setzung seines Kreuzes auch nicht besser fühlen – wie sieht denn das „Deutschland, aber normal“ aus? CSDs, aber mit Deutschlandfahne? Moscheen, neben denen Sexshops stehen? Das ist keine Zukunftsvision, das ist ein Albtraum.

Verstärkend hinzu kommt die Tatsache, dass die Grünen seit etwa 15 Jahren die mächtigste Partei in der Bundesrepublik stellen. Aus der Opposition heraus haben sie maßgeblich das Klima in der BRD geprägt und alle großen Fehlentscheidungen der Ära Merkel möglich gemacht. Zur Rechenschaft gezogen wurden dafür allerdings immer nur die Regierungsparteien (und das viel zu halbherzig). Im Grunde war Merkel nichts weiter als die Erfüllungsgehilfin der Grünen, die wiederum im Kultur- und Medienbetrieb ihre an und für sich unpopulären Agenden bis in den letzten Winkel der Republik ausstrahlen konnten. Auch hier gilt wieder: Die grüne Ideologie, die über Jahre hinweg durch den Medien-, Bildungs- und Kulturbetrieb direkt in die Gesellschaft transportiert wurde, ist eine Ideologie der externalisierten Kosten: Sei wie wir, fühl dich gut, kümmere dich nicht um den Ärger. Bist du hingegen nicht wie wir, bist du offen gegen uns, dann zahlst du die Rechnung.

„UnD wAs iSt dIe LöSuNg ????“, wird jetzt vielleicht Boomer-Bernd fragen. Oder auch nicht. Ich werde mich trotzdem einmal versuchen: Die Lösung ist eine Partei, die ihren Anspruch als Empörungsvibrator endlich aufgibt, sich professionelle Grafiker, Filmer und Fotografen ins Boot holt und die reaktionäre Vision eines besseren Deutschlands in wirkungsvolle politische Propaganda ummünzt. Die sich nicht länger „Alternative“ nennt, weil das eine Wahl suggeriert, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Ich will kein Discounter-Blau, ich will eine Signalfarbe oder einen einprägsamen Kontrast. Nehmt meinetwegen Grün.

Ich will kein „Deutschland, aber normal“, ich will ein Deutschland. Ich möchte in Wahlwerbespots keinen steuerzahlenden Alman sehen, der morgens auf dem Weg zur Arbeit an einer Spielo vorbeifährt, vor der Mustafa seine C-Klasse geparkt hat. Ich will keine Antifantenflaggen oder Klimaspastis sehen. Ich will nicht dieses kleinlaute „… das ist nicht normal“ hören. Ich will Deutschland. Sonnenaufgang. Ein Haus, in dem sich eine Familie mit vielen Kindern eingerichtet hat. Eine Schulklasse ohne Kopftücher und Jogginganzüge. Schüler, die mit ihrem Lehrer an etwas Technischem herumbasteln. Ich will Fabriken sehen. Produktionsstraßen, in denen Roboterarme Autos und Flugzeuge montieren. Schnellzüge, die vorbei an gepflegten Bahnhöfen durch eine wunderschöne deutsche Landschaft sausen. Wälder. Berge. Meer. Zeigt mir Soldaten, die in Kampfjets steigen, um dieses schöne Deutschland zu verteidigen. Zeigt mir Mütter, die gesunde Mahlzeiten kochen, und Großeltern, die ihren Enkeln Märchen vorlesen. Zeigt mir Vorlesungssäle, Werkstätten, Azubis, Studenten, Ärzte, Feuerwehrmänner. Zeigt mir Astronauten und Weltraumtechnik. Ich will ein Deutschland, in dem das Internet flächendeckend, der Verkehr zuverlässig, die Armee schlagkräftig und der Dax nur am Steigen ist. Und jetzt kommt mir nicht mit: „WeR sOlL dAs bEzAhLeN ????“


Friedrich Fechter

Nachdem sich Fechter von den beiden Chefs die Leitung der Netzredaktion hat aufquatschen lassen, musste er mit Enttäuschung feststellen, dass die Zeiten von Olymp-Schreibmaschinen und reizenden Vorzimmerdamen vorbei sind. Eine Schreibmaschine hat er sich vom hart erarbeiteten Gehalt trotzdem gekauft. Und einen antiken Schreibtisch. Auf irgendwas muss man im Hausbüro schließlich einprügeln können, wenn die faulen Kolumnisten wieder ihre Abgabefristen versemmeln…

Mehr vom Autor