Die Freiheit nach der Rede

21. November 2024
in 3 min lesen

Robert Habeck stellte seine Bewerbungsrede auf dem Grünen-Parteitag unter das Zeichen der Freiheit. Irgendwie selbstironisch, war Habeck doch noch vor wenigen Tagen für eine Hausdurchsuchung bei einem Rentner verantwortlich. Der Fall rief große mediale Empörung hervor; zu Recht – aber die Entwicklung dahinter ist viel bedrohlicher als ein anzeigewütiger Wirtschaftsminister.

Habeck zeigte einen Rentner an, weil dieser ein Meme mit dem Kopf des Wirtschaftsministers und der Unterschrift „Schwachkopf Professional“ auf X geteilt hatte. Der Vorwurf: Paragrafen 185, 188 Absatz 1, 194 Strafgesetzbuch – Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung. Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin eine Hausdurchsuchung, ein Richter genehmigte, die Polizei drang in die Privaträume des Beschuldigten ein und beschlagnahmte sein Tablet.

Eine Hausdurchsuchung wegen eines Beitrags im Netz? Das ist grundsätzlich möglich. Paragraf 102 der Strafprozessordnung sieht vor, dass bei jedem, der einer Straftat verdächtig ist, eine Hausdurchsuchung zwecks Ergreifung oder Auffinden von Beweismitteln möglich ist. Voraussetzung ist demnach der Verdacht einer Straftat, und zwar jeder. Von Terrorismus bis hin zur kleinsten Beleidigung – wie in diesem Fall. Dann braucht es nur noch eine Staatsanwaltschaft, die sich herbeikonstruiert, warum sie unbedingt in die Privatsphäre des Beschuldigten eindringen muss, und einen Richter, der das alles abnickt.

Dabei kann man es nur als abenteuerlich bezeichnen, wenn die Staatsanwaltschaft behauptet, man müsse unbedingt das digitale Endgerät sicherstellen, von dem aus der Beitrag über Habeck geteilt wurde. Immerhin wusste man offensichtlich bereits, zu wem das besagte Nutzerprofil gehört. Es schien wohl eher darum zu gehen, ein Zeichen zu setzen. Schließlich geschah die Durchsuchung im Zusammenhang mit dem „bundesweiten Aktionstag gegen antisemitische Hasskriminalität im Internet“.

Mit Antisemitismus hatte der geteilte Beitrag des Rentners zu Robert Habeck gar nichts zu tun. Dafür musste ein anderer Beitrag des Beschuldigten herhalten. Er hatte linke Boykottaufrufe gegen die Marke Müller mit den Boykottaufrufen gegen Juden seitens der Nationalsozialisten verglichen und ein entsprechendes Foto darunter veröffentlicht. Besonders bedacht mag so ein Vergleich nicht sein, aber antisemitisch genauso wenig. Für eine Hausdurchsuchung hat das dann offensichtlich auch nicht gereicht. Da musste man sich obigen Schwachkopf-Beitrages bedienen. Durchgezogen hat man die Hausdurchsuchung dann dennoch am erwähnten Aktionstag.

Wer diesen Vorgang zunächst merkwürdig findet, wird sich nicht wundern, wer hinter dem Aktionstag steckt: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) beziehungsweise das ihr unterstehende Bundeskriminalamt. Hausdurchsuchungen, um ein Zeichen zu setzen, kommen uns doch bekannt vor. Bereits im Juli diesen Jahres ließ die Antifa-Ministerin die Räumlichkeiten des „Compact“-Magazins von 339 Bundespolizisten stürmen. Mit vor Ort war die informierte Presse mitsamt Fotografen. Schließlich reichte es nicht, Jürgen Elsässer und seine Mitarbeiter durch die Durchsuchungen einzuschüchtern. Es sollten auch alle anderen mitbekommen, was passiert, wenn man in der Bundesrepublik Kritik an der Regierung übt.

Darin sehen wir die weitere Zuspitzung einer Entwicklung, die die CDU – wie in so vielen anderen Bereichen – eingeleitet hat. Konkret geht es um den Paragrafen 188 Strafgesetzbuch. Bis zur Gesetzesänderung 2021 stellte er die üble Nachrede und Verleumdung gegen Politiker gesondert unter Strafe. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass es besonders verwerflich sei, einen Politiker in der Öffentlichkeit zu verleumden, dadurch andere gegen ihn aufzuwiegeln und somit „sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren“.

Der Tatbestand der Beleidigung war in diesem Zusammenhang nicht vorgesehen. Denn während sich die üble Nachrede und die Verleumdung an Dritte richten, richtet sich die Beleidigung ausschließlich an beziehungsweise gegen den Betroffenen. Sie kann dadurch gar nicht diesen aufwiegelnden Charakter entfalten. Doch das änderte sich 2020 mit dem von CDU und SPD beschlossenen „Gesetz gegen Rechts­extre­mismus und Hass­krimi­na­lität“.

Dort wurde auch die Beleidigung in den Tatbestand des Paragrafen 188 Strafgesetzbuch aufgenommen. Seitdem haben wir in Deutschland die Majestätsbeleidigung als Straftatbestand offiziell wieder eingeführt und gleich auf alle Politiker ausgedehnt. Na ja, vermutlich nicht alle. Denn während man bei Habeck wegen der Verwendung eines Haufen-Emojis mit 600 Euro Strafe oder gleich wie oben mit einer Hausdurchsuchung rechnen muss, darf man Alice Weidel weiter als „Nazi-Schlampe“ bezeichnen.

Stellen solche Äußerungen gegenüber Habeck also einen staatswohlgefährdenden Akt dar, handelt es sich gegenüber Alice Weidel alles lediglich um Satire. Denn Hass – was auch immer das genau sein soll – kann scheinbar nur von rechts ausgehen. In dieses Bild passt auch die Erfahrung des FDPlers Wolfgang Kubicki, der davon berichtet, dass die Polizei ihn nur auf „rechte Beleidigungen und keine linken“ aufmerksam mache, obwohl es von Letzteren auch reichlich gebe.

Wenn Robert Habeck also auf dem Grünen-Parteitag von Freiheit spricht, scheint er nicht die Meinungsfreiheit im Sinn zu haben. Zumindest nicht, solange man nicht seiner Meinung ist. Das machen die 805 von ihm gestellten Strafanzeigen seit seinem Regierungsantritt deutlich. Eigentlich sollten Recht und Richter den unbescholtenen Bürger aber davor schützen, um sechs Uhr morgens von der Staatsgewalt wachgeklingelt zu werden. Inzwischen scheint der einzige Weg als Nicht-Linker, sicher zu verhindern, der Polizei im Bademantel die Tür öffnen zu müssen, bereits um fünf Uhr aufzustehen.

Felix A. Cassel

Die Rechtsphilosophischen Ideen Carl Schmitts sind für den Bonner Jurastudenten genau so wichtig wie sein Zweitname - auch wenn die Redaktion ihn zur Abkürzung zwingt. Anders als Schmitt schreibt er aber nicht „zu Juristen und für Juristen“, sondern übersetzt richterliche Entscheidungen der "BRD im Endstadium" für den einfachen Bürger - ein typischer "Rechts-populist" also.

4 Comments Leave a Reply

  1. In meiner Schulzeit (1948-1956) nannte man einen Schüler der sich mit lesen, schreiben und Rechen schwer tat einen Schwachkopf. Ich würde jeden der an das Märchen vom bösen CO2 glaupt für einen Schwachkpf halten.
    Auch ein Sigelredaktör der im Jahr 2000 das durch den Anstieg von CO2 der Kölner Dom 6m unter Wasser stehen würde. Das wär dann 56m über dem Meresspiegel liegen. Woher soll die Menge Wasser herkommen. Von den Eisbergen auf dem Süd bzw. Nordpol kommt es jedenfalls nicht, Phüsikalich funkt das nicht.

  2. Ich habe mir mittlerweile extra jeden Tag eine viertel Stunde frei gemacht, in der ich nichts anderes tue, als ausgiebig und gezielt verächtlich über unsere Regierung und deren tagtägliches fremdschämwürdiges Handeln zu lachen und dabei den Kopf zu schütteln. Ich arbeite das dann anhand von Politiker-Fotos im Internet der Reihe nach ab. Das befreit mich wirklich ungemein. 😉

  3. „I can guarantee freedom of speech – but I can’t guarantee freedom after speech! (Idi Amin Dada – vormaliger ugandischer Rechtsphilosoph…)

  4. Nicht umsonst heißt es „getroffene Hunde beißen“.

    Die massenhafte Inanspruchnahme eines ohnehin schon überlasteten Rechtswesen ist auch eine Form von Amt- und Rechtsmißbrauch, zusätzlich zur massiven Instrumentalisierung und gesinnungskonformen Umgestaltung.

Comments are closed.

Mehr vom Autor