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Doch, der Feind heißt Kulturmarxismus (Teil 2)

28. November 2022
in 4 min lesen

Von Robin Classen

Dieser Artikel ist eine Fortsetzung zum ersten Artikel zu diesem Thema, der sich in erster Linie kritisch mit den Behauptungen und Thesen von Marvin T. Neumann auseinandersetzt, der in einem Artikel für den Blog des Jungeuropa-Verlags die Ursachen für den zivilisatorischen Niedergang im Amerikanismus und Liberalismus verortet hatte. In diesem Artikel soll nun losgelöst davon dargelegt werden, warum die „Woke“-Bewegung eine marxistische und keine liberale ist.

Im ersten Artikel wurde ausgiebig die Sichtweise des „sozialpatriotischen“ Teils der deutschen Rechten auf das Weltgeschehen und seine Ursachen analysiert. Auf der anderen Seite der deutschen Rechten versammeln sich diejenigen, deren Positionierung nationale, konservative und liberale Elemente in unterschiedlicher Mischung enthält.

Für diesen Teil der deutschen Rechten – dem sich der Autor seit jeher zurechnet – ist das Ergebnis der Ursachenforschung, dass die ideengeschichtliche Quelle des heutigen gesellschaftlichen Niedergangs in der Gedankenwelt des Kommunismus und damit in der klassischen politischen Linken zu suchen und zu finden ist. Der weltanschauliche Hauptfeind ist dementsprechend der Marxismus und seine vielfältigen Ausprägungen. Das Gift dieser Ideologie der gewaltsamen Durchsetzung von Gleichheit in allen Lebensbelangen trat schon vor der Geburt von Karl Marx zu Tage und zwar bei den linken Rändern der Französischen Revolution wie der Pariser Kommune.

Die marxistischen Wurzeln sind bei fast allen von rechten gemeinhin kritisierten gesellschaftlichen Bewegungen leicht zu finden und zu belegen. So ist die feministische Idee vom Geschlechterkampf der Frau gegen den Mann (und das „Patriarchat“) eine simple Übertragung des Klassenkampfes zwischen Proletarier und Kapital. Die führenden Vordenker des modernen Feminismus waren allesamt Kommunisten. Dazu zählt etwa der Sozialphilosoph Charles Fourier, der den gesellschaftlichen Fortschritt der feministischen Idee existenziell an den Fortschritt des Kommunismus knüpfte. Man denke auch an Louise Michel, die Kommunistin und Feministin, die ihre berufliche Karriere als Lehrerin damit begann, als erstes das Morgengebet abzuschaffen. Im Marxismus ist durch die Ablehnung der Religion als „Opium fürs Volk“ bereits die Axt an jede traditionelle, wertebasierte Gesellschaftsordnung gelegt worden.

Bemerkenswert ist auch eine Hedwig Dohm, die als einer der ersten feministischen Theoretiker die geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen nicht mehr auf Biologie, sondern einzig auf „kulturelle Prägung“ zurückführte. Wie blind muss man da sein, um im aktuellen Transgenderhype allen Ernstes eine Ausprägung von „Liberalismus“ zu erblicken und solche eindeutig marxistischen Bezüge zu verkennen? Die Wurzel der Dekonstruktion der Geschlechter ist der Marxismus und die gesamte Gender-Ideologie basiert auf marxistischen Grundannahmen: Die Anhänger haben lediglich konsequent die feministische Idee analysiert und weiterentwickelt.

Der Umstand, dass klassische Feministinnen – heute in der Woke-Bewegung als „TERFs“ („Trans-excluding, radical Feminists“) verschrien – die Gender-Theoreme ablehnen, bedeutet nur, dass sie auf einer früheren Entwicklungsstufe des Marxismus verharren. Dasselbe ist denjenigen entgegenzuhalten, die entgegnen, kommunistische Länder wie China oder Nordkorea pflegten doch weitestgehend konservative Geschlechterbilder und seien im Gegensatz zu den kapitalistischen USA nicht „woke“. Hierbei wird jedoch verkannt, dass der Kommunismus maßgeblich von der Idee geprägt ist, verschiedene Entwicklungsstufen von sozialistischen Anfängen bis hin zur Utopie einer verklärten kommunistischen Gesellschaft zu durchlaufen.

Marx und Engels begreifen die Geschichte als einen voranschreitenden, gesetzmäßigen Prozess, der mit dem verwirklichten Kommunismus ein Endziel aufweist. China und Nordkorea befinden sich aus marxistischer Sicht gesellschaftspolitisch schlichtweg noch einige Jahrzehnte hinter uns und sehen nun die Verwahrlosung im Westen mit Sorge. Das kann im Endeffekt dazu führen, dass die nächste Ebene der Zwangs-Gleichheit von diesen Ländern später, vielleicht aber auch nie erreicht wird, weil die Realität im Westen die kommunistischen Ideen vorher selbst widerlegt. Das bedeutet aber gerade nicht, dass es sich dabei nicht um kommunistische Ideen handeln würde.

Wie kann es aber angehen, dass stramm kommunistische Länder gesellschaftspolitisch eine niedrigere Entwicklungsstufe des Marxismus erreicht haben, als westliche, bürgerliche Gesellschaften? Dies ist keineswegs ein offenkundiger Widerspruch, sondern gut begründbar. Der Westen hat nach dem Zweiten Weltkrieg dank der sozialen Marktwirtschaft schnell und nachhaltig ein hohes Maß an wirtschaftlichem Reichtum erlangt, sodass es der Gesellschaft überhaupt möglich war, sich schwerpunktmäßig mit gesellschaftlichen und soziologischen Fragestellungen zu beschäftigen und nicht mit „Brot-und-Butter“-Fragen, wie in den bettelarmen kommunistischen Nationen. Armut war in der Geschichte fast immer ein Garant für eine Wahrung des sozialen Status-Quo, von Familienstrukturen und bewährten, tradierten Einstellungen jeglicher Couleur.

Aufgrund des wirtschaftlichen Erfolges und Wohlstands im Westen trat derweil die soziale Frage immer stärker in den Hintergrund, was zu einer schrittweisen Versöhnung und einem Rückzug der klügeren, strategischeren und geistig beweglicheren Kommunisten von radikalen Forderungen in diesem Bereich und einer Fokussierung ihres Marxismus auf gesellschaftliche Themen führte – einem Terrain, auf dem man die Schlachten am laufenden Band und in rasender Geschwindigkeit gewann. Ich erinnere mich an einen meiner Lehrer, der als 68er-Studentenfunktionär mit einer Delegation in die DDR reiste und im Unterricht davon berichtete, wie groß der Kulturschock zwischen den gesellschaftspolitisch-orientierten West-Marxisten und ihrem Kommunenwesen und den fast schon „konservativen“, viel stärker wirtschaftsfixierten Ost-Marxisten war. Es waren jedoch zwei Seiten derselben Medaille.



Diese Entwicklung führte zur Entstehung des so genannten „Linksliberalismus“ – einer weltanschaulichen Richtung, die wirtschaftspolitisch mit der bürgerlichen Gesellschaft ihren Frieden schloss, den Klassenkampf aufgab, aber dafür gesellschaftspolitisch modernste marxistische Positionen energisch vertrat. Diese weltanschauliche Richtung fand ihre parteipolitische Heimat in den Grünen, die heute konsequenterweise eine der stärksten Parteien in diesem Land und weltanschaulich schärfster Gegner der deutschen Rechten ist.

Der „Marsch durch die Institutionen“ der 68er hinterließ natürlich auch in konservativen und liberalen Kreisen seine Spuren – und zwar vor allem in den bürgerlichen, auf gesellschaftliches Renommee fixierten, die sich plötzlich mit einer immer weiteren Verbreitung letztlich marxistischer Ideen auch in ihrem eigenen sozialen Umfeld konfrontiert sahen und – wie man an den bürgerlichen Parteien der Mitte im gesamten Westen exemplarisch sieht – mangels geistiger Verteidigungsmittel letztlich Position um Position räumten und zum Teil sogar übernahmen. Gänzlich falsch ist derweil der Irrglaube, die „woken“ Ideen seien sozusagen von liberalen Kreisen entwickelt und dann von Linken übernommen worden – offenkundig ist das Gegenteil der Fall.

Wenig überzeugend sind auch alle Theorien, dass die „Woke“-Ideologie ursprünglich als geistiges Kampfmittel zur Zersetzung Deutschlands aus den USA importiert wurde. Zwar ist die geplante und auch umgesetzte Umerziehung nach dem Zweiten Weltkrieg unbestreitbar, aber ihre Auswirkungen werden in Anbetracht des in den Siegernationen sogar noch stärker als hierzulande auftretenden „Wokeismus“ völlig überzeichnet. Die Darstellung, die linke Gesellschafspolitik sei sozusagen eine Waffe, um Deutschland dauerhaft kleinzuhalten, ist ahistorisch und ignoriert, dass die 68er in den USA genauso gewütet haben und die „Woke“-Ideologie dort aktuell stärker verbreitet ist als hierzulande.

Der Liberalismus ist für den Konservativen kein Feind, sondern ein Sparring-Partner. Es ist klar, dass es zu unüberbrückbaren Differenzen kommt, wenn man die Extrempositionen mancher Libertärer denen eines reaktionären Konservativen gegenüberstellt. Das Ringen zwischen Bewahren von Traditionen und Bewährtem und Fortschritt und neuen Ideen ist jedoch etwas, das am besten in der politischen Rechten gelingen kann. Die Geisteswelten des Konservatismus und des Liberalismus sind sich nicht völlig fremd, weißen Schnittstellen auf, setzen sich gegenseitig Grenzen und bieten Nährstoff für realpolitische Antworten auf die Probleme der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Für alle drei Zeitabschnitte gilt dementsprechend: Der Feind steht links.

Gastautor

Hier schreiben unsere Gastautoren, bis sie sich in unserer klebrigen Mischung aus Hass und Hetze verfangen, und schließlich als regelmäßige Autoren ein eigenes Profil bekommen.

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