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In der Dystopie gibt es keinen Hass

7. Juni 2024
in 2 min lesen

Von A. M. Berger

„Keine Toleranz für Hass“ – Proklamationen dieser Art sind inzwischen gängig, erst jüngst wieder von Kanzler Scholz verkündet. Wenn es ein Phänomen geistiger Trägheit gibt, das uns derzeit plagt, dann ist es der Widerwille, die gerne ausgerufenen Phrasen einmal zu Ende zu denken. Denn die Idee, eine recht abstrakte Emotion wie „Hass“ bekämpfen zu wollen, entbehrt eigentlich einem halbwegs rationalen Gedankengang.

Hass als Emotion ist ebenso Teil der conditio humana wie Liebe. Beide Emotionen befinden sich auf entgegengesetzten Enden des Spektrums von Emotionen, die unsere Vorlieben oder Abneigungen, sowie die Intensität davon, ausdrücken. Ohne das Extrem vom Hass ist auch das Extrem der Liebe nicht mehr bedeutsam, da das Gegenstück am anderen Ende des Spektrums fehlt. Wie und warum also, soll diese Emotion bekämpft werden? Eine Frage, auf die wohl keiner der anti-Hass-Prediger wohl jemals eine Antwort wird zu geben wissen.

Die Idee, eine Emotion aus der Welt zu schaffen, welche uns Menschen wohl oder übel inne wohnt, hat etwas zutiefst dystopisches. Es klingt nach dem Wunsch, über die Emotionen des Menschen bürokratisch verfügen zu wollen. Als könnte man die endlose Nächstenliebe per Gesetz festlegen, und alle die in ein Gefängnis werfen, die es wagen, negative Emotionen über etwas oder jemanden zu hegen.

Dem Autor C. S. Lewis entstammt das treffende Zitat:

„Von allen Tyranneien ist die, die aufrichtig zum Wohle ihrer Opfer ausgeführt würde, wohl die erdrückendste. (…) Die Grausamkeit des Räuberbarons mag einstmals schlafen, seine Habgier gesättigt sein, aber die, die uns zu unserem eigenen Wohl quälen, werden es auf ewig tun, denn sie tun es mit der Zustimmung ihres eigenen Gewissens.“

Die Idee eines hassfreien Paradieses auf Erden ist auf einer oberflächlichen Ebene sicherlich attraktiv, doch zu Ende gedacht wendet sie sich gegen gerade diese Emotionen, die uns menschlich machen. Und genau darin liegt die Torheit dieser Ambition: Um ihr Ziel zu erreichen müsste in letzter Instanz die Menschlichkeit selber bekämpft werden.

Diese ganze Richtung von politischem Diskurs nimmt geradezu metaphysische Züge an, sobald man die wohltönenden Phrasen ein wenig genauer betrachtet. Mehr als um politische Kommunikation scheint es sich hier um die Einfälle geistig verwirrter Strassenprediger zu handeln. Und doch haben diese Leute keine Scham, sich selber als die vernünftigen Politiker gegenüber der wirren Populisten zu inszenieren. Es zeigt, dass sie ihre neu gefundene Religion der unendlichen Liebe durchaus ernst nehmen.

Man könnte den Einwand erbringen, dass der „Hass“ der immerzu bekämpft werden soll, sich ja nicht auf die abstrakte Emotion bezieht, sondern auf politischen Radikalismus und menschenfeindliche Ideen. Hierauf folgt allerdings die Frage, warum man dann unbedingt darauf besteht, den abstrakten, unförmigen Begriff vom „Hass“ zu verwenden. Die Antwort ist wahrscheinlich zweifältig: Einerseits geht es darum, in der reinsten Tradition vom Populismus (Essenz der demokratischen Politik, ob man es hören will oder nicht) an die Gefühle zu appellieren. Denn wer könnte schon für den Hass sein? In zweiter Linie ist Hass ein wunderbarer Begriff, der willkürlich gewandelt werden kann. Sie sind einer gewissen Religion abgeneigt? Das ist Hass. Sie kritisieren die Politik? Ganz böser Hass. Sie drücken generelle Unzufriedenheit aus? Die schlimmste Art von Hass. In der Praxis ist dies wahrscheinlich der grösste Treiber für die Beliebtheit des politischen Konzeptes von Hass, nämlich dass man es der Bevölkerung schmackhaft machen kann, jeglichen Widerspruch oder Widerstand für Vogelfrei zu erklären.

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Hier schreiben unsere Gastautoren, bis sie sich in unserer klebrigen Mischung aus Hass und Hetze verfangen, und schließlich als regelmäßige Autoren ein eigenes Profil bekommen.

2 Comments

  1. @Niki: Die ganze Zeit wird voR der 1984-Dystopie gewarnt, aber niemand sieht, dass sie Huxley‘s „Schöne Neue Welt“ aufbauen.

    Ob das Leben (a priori) einen Sinn hat, oder der Einze nur versucht ihm irgendeinen Sinn zu geben, bleibt noch zu klären

  2. Ich empfehle immer, Huxleys „Schöne, neue Welt“ zu lesen, wenn man die Motivation und das Endresultat dieser Entwicklungen verstehen will. Eine Welt ohne Wahrheit und Schönheit, in der es keine soziale Mobilität gibt, da es Konflikt erzeugen würde. Alle würden mit Konsum, Drogen und Sex auf immer zufrieden gehalten. Wenn man so etwas wie Hass verspürst, wäre das ein Zeichen, mal wieder Soma einzunehmen. So würde es ja auch den Leuten von Geburt an konditioniert werden. Zufrieden und Sklave wären alle, aber es wäre eine sinnlose Welt.

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