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In Ahrweiler wartet keiner auf den Staat

20. Juli 2021
in 4 min lesen

Vor fast einer Woche kam es zur Jahrhundertflut in der Eifel, die bislang mehr als 160 Menschen das Leben kostete, dazu kommen 170 Vermisste, von denen ein großer Teil auch tot sein wird. Tausenden, wenn nicht Zehntausenden Menschen wurde die Lebensgrundlage entzogen.

Da ich nur einige Kilometer vom Ahrtal entfernt wohne, bin ich Donnerstag und Montag zum Helfen in das Krisengebiet gefahren und konnte mir ein eigenes Bild von der Lage in Ahrweiler machen. Die meisten Leser haben mittlerweile Bilder gesehen, weshalb ich mir die Schilderungen hier spare – es gibt sowieso keine Wörter, die eine derartige Katastrophe beschreiben können.

In den nächsten Tagen werden wir noch einen Podcast zu dem Thema machen und ich werde genauer auf die Situation vor Ort eingehen. Trotzdem einige Gedanken, die durch mein Hirn geistern

1.) Sprache der Extreme

Die „Politik der Extreme“ der letzten Jahre hat massiv dazu beigetragen, dass dieses Unglück passiert ist, wie es passiert ist und dass man jetzt wortlos vor den Trümmern steht. Wenn Begriffe wie „Katastrophe“, „Seuche“, „Pandemie“, „tragisch“, „erschütternd“, „wortlos“ (dann, überraschenderweise, wird doch ganz viel gesagt) von Politik und Gesellschaft für absolute Nichtigkeiten verwendet werden, dann fehlen im Ernstfall schlichtweg die Begriffe und Kategorien.

In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich ein Mehltau der Ereignislosigkeit über das Land gelegt. Politische Akteure, die aber Geld verdienen müssen und „gebraucht“ werden, nehmen so Bagatellen zum Anlass, um tief in die sprachliche Kiste zu greifen. Wenn 30 Glatzköpfe eine Nazi-Demo in Buxtehude abhalten, was dann „erschütternd“ ist, dann kann man das Wort nicht mehr für eine Katastrophe wie in der Eifel verwenden.

Gewissermaßen hat diese fehlende Differenzierung auch zum Unglück beigetragen. Der „Deutsche Wetterdienst“ beispielsweise warnte im Vorfeld vor „extremen Unwettern“; eine Warnung, die er auch an die verantwortlichen Behörden weiterleitete.

Rückwirkend ist es leicht, diesen Behörden die Schuld an der Situation zu geben und warum man nicht zwei Tage vor der Flutwelle die Region evakuiert hat – und sicherlich trifft auch die Behörden Mitschuld.

ABER: Der Deutsche Wetterdienst warnt mehrfach jährlich vor extremen Unwettern. Für das jetzige „extreme Unwetter“ fehlt schlichtweg eine Kategorie, was sicherlich auch dem Fakt geschuldet ist, dass man zu früh von „extremen Unwettern“ spricht. Der Deutsche Wetterdienst richtet sich nach einem Kriterienkatalog. Von „extremen Unwettern der Stufe 4“ spricht man bereits bei mehr als 60 Litern pro Quadratmeter in 24 Stunden.

In der Eifelregion fielen je nach Gebiet 150 Liter pro Quadratmeter und wurden auch vorhergesagt. Eine „Stufe 5“ gibt es nach meinen Kenntnissen aber nicht. Eine derartige Warnung würde vielleicht einmal im Jahrzehnt fallen – und dementsprechend eine größere Reaktion der Verantwortlichen hervorrufen.

2.) Der Staat funktioniert in Extremsituationen nicht

Was Libertäre schon längst wissen, wird in einer Extremsituation dem staatsgläubigen Bürger ins Großhirn gehämmert. Auf den Staat ist kein oder nur teilweise Verlass. Nicht nur bei den Warnmeldungen, sondern auch bei der Krisenhilfe vor Ort.

Sicherlich ist keinem Helfer, Gruppenführer oder auch Einsatzleiter Unwille, Unfähigkeit oder sonstiges zu unterstellen. Allerdings muss man auf das systemische Problem hinweisen: Staatliche Strukturen, die gerade in Deutschland extrem kleinteilig, ausdifferenziert und ausgeklügelt sind, sind nicht wirklich dazu in der Lage, auf derartige externe Schocks zu reagieren.

Das hat man überall vor Ort gesehen. Die Hilfe war gut und Teile der Hilfe kam an, aber den absoluten Löwenanteil stemmten die Bürger, Anwohner und privaten Helfer selber.

Sicherlich gibt es bei den staatlichen Stellen auch unfähige Deppen, allerdings sitzen die meistens in anderen Abteilungen (Stichwort Lehrerzimmer und Finanzverwaltung). THW, Polizei und Berufsfeuerwehr funktionieren grundsätzlich, aber leiden an einem anderen großen Problem: Viele der staatlichen Helfer trauen sich schlichtweg nicht Verantwortung zu übernehmen, und sichern sich immer beim Vorgesetzten ab. Bis dann mal irgendetwas passiert – wenn überhaupt – ist es schon zu spät.

Dadurch entstanden teilweise absurde Szenarien, wie beim Versuch ein Haus aufzubrechen, das noch immer verschlossen war. Niemand fühlte sich zuständig. Ich brauchte ca. 40 Minuten um zwei Feuerwehrleute zu finden, die auch bereit waren, mitzukommen. Dabei gab es genug andere „offizielle Helfer“, die einen recht zügig zu den nächsten „offiziellen Helfern“ verwiesen.

3.) Die Bürger dürfen sich nicht auf den Staat verlassen

Wenn ich irgendwie den Anteil staatlicher und bürgerlicher Hilfe beziffern muss: 95 Prozent der Leistung wurde privat organisiert, 5 Prozent staatlich. Das ist der Natur der Sache und den oben genannten Punkten geschuldet. Was man jetzt auf keinen Fall machen darf, ist mehr Staat zu fordern.

An allen Orten hört man die Kritik am „Kaputtsparen“ und an zu wenig Feuerwehr, THW und co. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer: Wenn doppelt so viele Feuerwehr und THW in Ahrweiler wäre, es würde sich nicht viel verändern.

An mehreren Punkten in Ahrweiler stapelte sich die Feuerwehr, die auf einen Einsatz wartete, an mehreren Orten wären Leute gebraucht worden. Was nicht funktionierte, war das Informationsmanagement und teilweise die Einsatzkoordinierung.

Das große Problem ist dem Vertrauen der Bürger in den Staat geschuldet und das Denken, dass einem schon gleich irgendwie doch geholfen wird. Wenn dann nichts passiert wachsen Frust und Verzweiflung. Denn ein großer Teil der Anwohner und privaten Helfer war nicht in der Lage, sich selbst zu helfen, da sie beispielsweise keine Maschinen (Allrad, Hänger, Bagger, Traktoren, Pumpensysteme und Generatoren) hatten.

In Punkto Essen, Trinken, Kleidung und Hygieneartikel war der Engpass durch private Spenden innerhalb kürzester Zeit beseitigt. Einen Bagger samt Fahrzeugführer gibt’s aber nicht mal eben an jeder Ecke. Am Niedertor in Ahrweiler waren zeitweise einige dutzend privater Helfer, allerdings nur ein Traktor und ein Geländewagen, die auch den Schutt abtransportieren konnten.

Da die Bevölkerung sich zu verstädterten Eunuchen samt Elektroauto entwickelt, ist hier das größte Problem festzumachen: Es gab schlichtweg zu wenige fähige Männer samt Sachversstand und schwerem Werkzeug/Maschinen, die in solchen Situationen helfen können – und sich dann auch trauen das Kommando zu übernehmen. Auf staatliche Hilfe wartet in Ahrweiler – zumindest war das mein Eindruck – schon lange niemand mehr.

Florian Müller

Der Sklaventreiber-Chef hat diverse Geschwätzwissenschaften studiert und nach eigenen Angaben sogar abgeschlossen. Als geborener Eifeler und gelernter „Jungliberaler“ freundete er sich schnell mit konservativen Werten an – konnte aber mit Christentum und Merkel wenig anfangen. Nach ersten peinlichen Ergüssen entdeckte er das therapeutische Schreiben in der linksradikalen Studentenstadt Marburg, wurde Autor für die „Blaue Narzisse“ und „eigentümlich frei“. Ende 2017 gründete er mit Hannes die Krautzone.

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