Hat Friedrich Merz bereits versagt, bevor er überhaupt die Chance hatte, zu scheitern? Diesen Eindruck hinterließen zumindest die Ereignisse der letzten Woche. Das „Political Cinematic Universe“, wie Co-Autor Lambda unsere politische Theaterbühne gerne zu nennen pflegt, ging auf jeden Fall in eine heiße Phase. Das Schauspiel begann mit dem Attentat von Aschaffenburg, bei dem ein Afghane ein Kleinkind sowie einen Erwachsenen mit einem Messer abschlachtete. Die Reaktionen des linken Establishments waren „grenzwertig“, um es mal freundlich auszudrücken, doch auch Merz und seine Partei mussten, jetzt, da Wahlkampf ist, darauf reagieren.
Und das taten sie: Letzten Mittwoch, am 29. Januar, reichte die Unionsfraktion einen Antrag im Deutschen Bundestag ein, der rein gar keine Auswirkungen auf die aktuelle Gesetzeslage hatte, sondern eher einem Vorschlag glich: So sollen zum Beispiel ausreisepflichtige Ausländer auch tatsächlich abgeschoben werden – eine radikale Forderung! Die offiziell linken Parteien im Bundestag wollten diesen – wie gesagt, völlig unverbindlichen – Antrag nicht mittragen und verweigerten der Union ihre Stimmen. Und so kam eine andere Mehrheit im Bundestag zum Tragen: nämlich eine aus Union, FDP und AfD. Der Antrag ging durch, und die Komödie nahm ihren Lauf.
Die linken Fraktionen reagierten empört. Sie fuhren alle Geschütze auf: Die Brandmauer sei gefallen, Friedrich Merz werde zu einem neuen Hindenburg (wobei er dann doch die Rolle des Franz von Papen einnehmen müsste?) und zum Steigbügelhalter des neuen Faschismus. Innerhalb weniger Tage, ja Stunden, sammelten sich Tausende linke Demonstranten auf den Straßen der deutschen Großstädte, und so manche CDU-Parteizentrale bekam etwas unfreundlicheren Besuch. In Berlin wurde das Konrad-Adenauer-Haus regelrecht belagert; „am späten Nachmittag [des 30.01.2025] wurden Mitarbeiter der CDU-Zentrale in Berlin sogar aufgefordert, das Konrad-Adenauer-Haus zu verlassen“, schrieb man in der entsetzten „Bild“.
Die linke Drohmaschinerie zog alle ihr verfügbaren Hebel – zumindest die, die noch keine offene Gewalt zugelassen hätten –, und für ein paar Tage durchlebten CDUler mal eine Situation, die AfD-Politiker schon seit Jahren ertragen müssen. Doch nicht nur auf der Straße, auch im Bundestag machten die linken Kräfte mobil: Katharina Dröge von den Grünen sprach von einem „schwarzen Tag für unsere Demokratie“ – wenn es doch nur ein schwarzer Tag für „eure Demokratie™“ wäre –, und die Spitzenkandidatin der Linken für die kommende Wahl, Heidi Reichinnek, „hätte [sich] niemals vorstellen können, dass eine christlich-demokratische Partei diesen Dammbruch vollzieht und mit Rechtsextremen paktiert“.
Am Freitag, dem 31.01., stellte die Union einen Gesetzentwurf zur Debatte, der ebenfalls die Begrenzung der Migration zum Ziel hatte: Der Familiennachzug sollte ausgesetzt und die Bundespolizei mit mehr Kompetenzen ausgestattet werden. Das ist, wie so typisch für die Union, nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, reichte aber aus, um den Furor der Linken weiterhin zu erregen. Es kam zu einer Sitzungsunterbrechung, beantragt von der Union selber, die erst für 30 Minuten gedacht war, sich dann aber auf über drei Stunden ausweitete. Hastig wurde sich zwischen und innerhalb der einzelnen Fraktionen beraten. Man wollte eine Mehrheit ohne AfD erringen, notfalls den Entwurf noch einmal in den Innenausschuss bringen, um mit den anderen Parteien auf einen Kompromiss zu kommen. Doch es half alles nichts. Der Gesetzentwurf scheiterte letzten Endes an fehlenden Stimmen aus FDP- und Unionsfraktion (!); Merz’ eigene Parteifreunde waren ihm in den Rücken gefallen – und das alles nur, weil man den Druck der Linken nicht mehr aushielt.
Und nun? Merz gibt sich reumütig, wie die „Tagesschau“ berichtet: „‚Es gibt keine Zusammenarbeit, es gibt keine Duldung, es gibt keine Minderheitsregierung, gar nichts‘, versprach der Parteichef auf dem CDU-Wahlparteitag.“ Damit wird seine harte Tour doch etwas aufgeweicht. So war das sicher nicht geplant. Die Strategie des Friedrich Merz war ja gar nicht so schlecht: Vor der Wahl den harten Mann spielen, der für Recht und Ordnung einsteht, um dann, nach der Wahl, eine Regierung mit der SPD und/oder den Grünen zu bilden. Dass die Stimmung so eskalieren würde, war ihm wohl nicht bewusst – und es war vielleicht auch unklug.
Diese Überreaktion des politisch-medialen Komplexes wird wohl einen schwachen Merz hinterlassen, der konservativere Wähler, die zwischen CDU und AfD schwanken, eher zur Letzteren tendieren lässt. Und die AfD kann, sofern sie sich jetzt keinen Fehler mehr erlaubt, daraus nur profitieren: Nachdem sie die Union so in die Ecke gedrängt hatte, stellte sich diese als die falsche, schwache Partei heraus, die sie nun mal ist. Für uns hätte die Woche nicht besser laufen können.
Dieses Schmierentheater hat aber offenbar gar keinen Einfluss auf den Wähler. Die Union ist gegenwärtig stabil und für die AfD gab es keinen Auftrieb. Erstaunlich, da stellt sich mir direkt die Frage, wie zuverlässig diese Umfragen sind. Angeblich hat das Washington DC Democracy Institute durch eine Umfrage die CDU bei 27% und die AfD bei 25% ermittelt.
Bislang hieß es „Wer sich distanziert verliert“.
Aber daß sich die C-Partei von ihren eigenen Versprechen und Vorschlägen distanziert kann man nur noch als Harakiri bezeichnen. Unverständlich daß dieser Vorgauklerklamotte überhaupt noch so viele Leute ihre Zustimmung geben wollen, so umfangreich ist der Kreis der Nutznießer des schwarzen Filzes dann doch nicht.