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Wir sind koloniale Völkermörder

3. Juni 2021
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Es war nur eine Frage der Zeit. Wer einfach nur die Politik der letzten Jahre weiter dachte, wusste, dass Deutschland den Konflikt im damaligen Deutsch-Südwestafrika, heute Namibia, als Völkermord anerkennen wird. Nach knapp sechs Jahren Verhandlung soll nun kommende Woche das sogenannte Genozid-Rahmenabkommen unterzeichnet werden.

Zeitgenössische Karrikatur des Kolonialismus’ aus dem Simplicissimus. Bildquelle: Wikicommons

Zeitgenössische Karrikatur des Kolonialismus’ aus dem Simplicissimus. Bildquelle: Wikicommons

Es geht nicht nur darum, öffentlich um Vergebung zu bitten und den juristischen Tatbestand des Völkermordes anzuerkennen, sondern auch um Geld. Viel Geld. Rund 1,1 Milliarden Euro sollen an die ehemalige Kolonie gezahlt werden.

Die Aufstände und deren Niederschlagung

Als es in Deutsch-Südwestafrika im Jahre 1904 zu gewaltsamen Aufständen kam, übertrug das Kaiserreich dem Hardliner Generalleutnants Lothar von Trotha das militärische Kommando. Von Trotha beschrieb seine Strategie einst wie folgt:

„Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik. Ich vernichte die aufständischen Stämme in Strömen von Blut und Strömen von Geld. Nur auf dieser Aussaat kann etwas Neues entstehen.“

Der Aufstand war im August 1904, sieben Monate nach seinem Beginn, mit der „Schlacht am Waterberg“ militärisch bereits niedergeschlagen, worauf der größte Teil der Ovaherero in eine fast wasserlose Wüste floh, welche von Trotha dann abriegeln ließ und somit das Todesurteil für tausende Herero fällte.

So zumindest die populäre Erzählung, die auf Trothas Vollzugsmeldung basierte, die er nach Berlin übermitteln ließ: „Die wasserlose Omaheke sollte vollenden, was die deutschen Waffen begonnen hatten: Die Vernichtung des Hererovolkes.“

Es existiert aber auch ein Gegennarrativ, welches viele angeblich historischen Gewissheiten als postmoderner Deutungsakrobatik abtut. Im Buch „Der Wahrheit eine Gasse“ stellt Hinrich R. Schneider-Waterberg zahlreiche Fakten und Zusammenhänge anders dar.

2016 traute sich der SPIEGEL – womöglich zum letzten Mal in dieser Thematik – dass aktuelle Narrativ zu hinterfragen und sprach mit Schneider-Waterberg über dessen Erkenntnisse. Die populäre Darstellung als brutaler und unmenschlicher Vernichtungskrieg kam über Umwege von der Trothaschen Urquelle in die heutigen Schulgeschichtsbücher.

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Der Anteil der DDR-Propaganda am Narrativ

Die gängige Erzählung, so Schneider-Waterberg, aber auch viele andere, ungehörte Historiker, beruhe auf der Forschung eines marxistischen DDR-Historikers, Horst Drechsler, der wiederum als Quelle das sogenannte „Blue Book“ heranziehe.

„Darin wird das Vorgehen der Deutschen in Südwestafrika als besonders grausam beschrieben, um ihnen im darauffolgenden Jahr in Versailles, bei den Friedensverhandlungen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, die moralische Eignung als Kolonialmacht abzusprechen.“

Das Motiv der marxistischen Geschichtsschreibung war immer politisch beeinflusst: Es ging den „Wissenschaftlern“ vor allem darum, Argumente gegen den Kolonialismus zusammenzutragen, den der Sozialismus seit jeher als Feindbild hatte und als deren Nachfahre er auch die westdeutsche BRD betrachtete.

Diese geschichtspolitische Saat des Massakers durch Trotha wurde im Auftrag des 22. Parteitags der sowjetischen KP gesät und ging in dem zunehmend wachsenden, antideutschen Narrativ der letzten 30-40 Jahre auf – nochmals befeuert durch den LINKEN-Abgeordneten Niema Movassat, der erstmalig 2015 beantragte, den Völkermord als Völkermord anzuerkennen und sich zu entschuldigen. Hier erntete die LINKE die Früchte, die die SED mit Horst Drechsler 1966 gesät hatte.

Wer begann den „zivilen Krieg“?

Der Startschuss des Konfliktes wurde nach einer sich zuspitzenden Situation für die Hereros durch ihren Führer, Samuel Maharero, gegeben, der mit den Worten „Tötet alle Deutschen“ am 12. Januar 1905 zum Kampf aufrief.

123 Deutsche Siedler wurden ermordet, die Reaktion der Deutschen war radikal und führte zur Niederschlagung des Aufstandes. Ein Blick auf die deutschen Truppen nach der Schlacht ist aber ein Bild des Leidens: Die zusammengeprügelten und nicht tropenfesten Truppen lassen die Herero ziehen. Siegesstimmung und Blutdurst?

Desillusioniert durch die zusammengeschlagenen Truppen, die zudem noch nicht „tropenfest“ waren, schreibt von Trotha in sein Tagebuch (noch immer nicht publiziert!): „Wo sind die Hereros geblieben? Verfolgen tue ich nicht mehr. Basta! … Alle unsere Vorräte sind am Ende.“

Erst danach gab er den berühmten „Vernichtungsbefehl“, der später von Bernhard von Bülow aufgehoben wurde, weil sie unmenschlich, aber auch „nicht durchführbar“ gewesen seien, fasst der SPIEGEL zusammen.

Aber was ist mit den sterbenden und verdurstenden Hereros, die sich durch die Omaheke kämpften? Samuel Mahero, der Anführer der Hereros, beantragt nach der Flucht Asyl im britischen Betschuanaland, was durch englische Quellen belegt ist. Mindestens ein Teil der Hereros schaffte also den „Todesmarsch“.

Die “Wüste“

Die Omaheke ist nämlich traditionell ein Stammgebiet der Hereros, die sich in der „Wüste“, eigentlich ist es Savannenlandschaft, auskennen und von Wasserloch zu Wasserloch ziehen. Wie viele Hereros wirklich verdursteten, kann abschließend nicht geklärt werden, da das Volk bereits seit den späten 1890er Jahren durch Rinderpest dezimiert worden war:

“Im Jahr 1936 sollen nach Schätzungen der Ethnografin Katesa Schlosser rund 5000 Herero in Betschuanaland gelebt haben. Horst Drechsler warf ihr vor, die Ausrottung dieses Volkes ‘bagatellisieren’ zu wollen. Er geht davon aus, dass nur ‘ein verschwindend geringer Teil der 80.000 Herero’ die Vertreibung in die Ödnis überlebt hat, erwähnt aber an anderer Stelle 15.000 in den Konzentrationslagern internierte Herero.

Seine ohne jeden Beleg hochgerechnete Bevölkerungszahl steht in krassem Gegensatz zu den Schätzungen eines deutschen Hereromissionars: Vor dem Krieg habe ihre Zahl ‘nicht viel mehr als 35.000 betragen’, 1906 seien „23.000 bis 25.000 vorhanden“ gewesen. ‘Danach wären 10.000 bis 12.000 infolge des Aufstandes zugrunde gegangen’, sagt der Missionar Friedrich Bernsmann.“

Gibt es also eine absolute, historische Wahrheit zum Jahr 1905? Natürlich nicht, aber die Geschichtswissenschaft kann nur versuchen, Licht in das Dunkel zu bringen. Dass dabei allerdings politische Motive die tatsächliche Wissenschaft überdecken, und sie zum Spielball der Interessengruppen wird, sollte jedem klar sein.

War es juristisch betrachtet Völkermord?

Immerhin gib es aus juristischer bzw. völkerrechtlicher Sicht etwas Handfestes; im Jahre 2016 kam der mit einem Gutachten beauftragte wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu folgendem Ergebnis:

„Im Hinblick auf das Völkergewohnheitsrecht lässt sich feststellen, dass Individuen (…) schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen rudimentären Schutz genossen, der sich aus den Geboten der Menschlichkeit und Zivilisation herleiten ließ.

Die Rechtsüberzeugung der damaligen Völkerrechtsgemeinschaft schloss allerdings die in ihren Augen ´unzivilisierten`, indigenen Völker auch von diesen Mindeststandards aus.“

Demnach ist die rückwirkende Anerkennung der Niederschlagung des Aufstandes als Völkermord hoch fragwürdig. „Völkermord“, im juristischen Sinne, ist nach den Statuten der UN ohnehin erst seit 1948 ein Straftatbestand, weshalb das Eingeständnis für Deutschland keine strafrechtlichen Konsequenzen hat.

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Mit den Toten lässt sich Geld machen

Natürlich belässt es Deutschland aber nicht bei dem reinen Schuldeingeständnis, sondern macht freiwillig immerhin 1,1 Milliarden Euro locker, welche in den kommenden 30 Jahren fließen sollen. Ein Faktor den ebenfalls niemand anspricht: In Namibia leben 2,5 Millionen Menschen – davon lediglich 120.000 Herero und 100.000 Nama….

Es ist allerdings nicht so, dass sich Deutschland bislang „seiner Verantwortung“ entzogen hat. Ganz im Gegenteil: Denn seit 1990 sind bereits 800 Millionen Euro an Entwicklungshilfe in das Land geflossen. Die namibische Seite trat in den Verhandlungen nicht nur in finanzieller Hinsicht fordernd auf, man wollte daneben auch ein bedingungsloses Eingeständnis der Schuld samt einer Entschuldigung.

In den jahrelangen Verhandlungen wurde daher viel um Formulierungen gerungen. Es ist zu vermuten, dass Deutschland in dem Abkommen sämtliche Zugeständnisse gemacht hat, die von „kolonialer Seite“ gefordert wurden.

Da geht noch was!

Möglicherweise ärgert sich der ein oder andere zukünftige Regierungspolitiker bereits insgeheim, da es nun kurz vor der Wahl zu einer Einigung in dieser Sache kam. Dadurch wird es den nachfolgenden Moralpolitikern verunmöglicht, mit derartigen Taten von Weltrang zu punkten.

Die verhinderten Scheckbuchdiplomaten kann man jedoch beruhigen, denn es gibt noch ungehobenes Potential für Wohltaten in Namibia. Manche Vertretergruppen der Opfer sind nämlich mit der Verhandlung der kommunistischen Regierung unzufrieden.

Kurz nach der Verkündung des Genozid-Abkommens gingen in Windhoek Vertreter der Ovaherero und Nama auf die Straße, da Sie als Nachfahren der Opfer direkt mit der Bundesregierung verhandeln möchten und nicht über den Umweg der namibischen Regierung als ihre Interessenvertreter.

Weiterhin wird sich in Zukunft erneut die Gelegenheit ergeben, sich für die Gräueltaten unserer Vorfahren zu entschuldigen. Ein Blick in die Zukunft lässt erahnen, dass unsere zukünftigen Eliten die nun verteilten 1,1 Mrd. zu wenig erscheinen und nochmal ein Programm in doppelter Höhe als dringend geboten erachten werden. Und was ist eigentlich mit Deutsch-Ostafrika, Kamerun und Togo?

Wer mehr zu diesem interessanten Kapitel deutscher Kolonialgeschichte erfahren möchte und wissen möchte, wie es heute in Namibia aussieht, dem sei der Artikel „Namibia“ in der KRAUTZONE Ausgabe 18 ans Herz gelegt.

Daniel Meyer

Baujahr 1979, war, seitdem er denken kann, ein politischer Mensch, der ohne große Schwankungen in seiner Ausrichtung auskam und sich heute als patriotisch-libertär einordnet. Für einige Jahre hatte er in der FDP eine parteipolitische Behausung, die er jedoch aufgrund der Baufälligkeit der Baracke verlassen musste. Meyer ist Technik-Freak, was ihm in seiner beruflichen Laufbahn zu einer gutbürgerlichen Existenz verhalf. Wenn er nicht arbeitet, ist er zuvörderst Familienvater und betätigt sich gerne sportlich. Grundlage seines Erfolgs muss das Mana sein, welches er aus seiner ethnokulturellen Identität zieht.

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