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Wann verlässt der Lotse das Wrack?

14. November 2024
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Das Banner „75 Jahre Grundgesetz“ ist von der Netzpräsenz der Bundesregierung verschwunden. Stattdessen prangen dort „35 Jahre friedliche Revolution“; irgendwie passend. So wenig, wie dieses Jahr mitsamt „Compact“-Verbot und der geplanten Abschottung des Bundesverfassungsgerichts im Zeichen des Grundgesetzes stand, so wenig gleicht der sich fast schon quälend ziehende Vorgang um die Vertrauensfrage des (Noch‑) Kanzlers Olaf Scholz einer Revolution.

Während wir darauf warten, dass der „So. Doof.“-Kanzler endlich die Vertrauensfrage stellt, schauen wir uns an, was das Grundgesetz damit eigentlich regeln wollte (1.), was das Taktieren um den Termin andeutet (2.), welche Alternative bisher weitestgehend unerwähnt bleibt (3.) und was bei den Neuwahlen anders wird (4.).

1. Die Intention des Grundgesetzes

Das Grundgesetz sieht für den Fall, dass dem amtierenden Bundeskanzler die Unterstützung des Parlamentes fehlt, zwei Lösungen vor: das (konstruktive) Misstrauensvotum in Artikel 67 GG und die Vertrauensfrage in Artikel 68 GG. Das Misstrauensvotum wird dabei nicht ohne Grund als „konstruktives Misstrauensvotum“ bezeichnet. So kann laut Artikel 67 Absatz 1 Seite 1 GG der Bundestag…

„(…) dem Bundeskanzler das Mißtrauen nur dadurch aussprechen, daß er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt (…)“.

Wenn das Parlament den Bundeskanzler also von sich heraus absetzen will, muss es sich auf einen neuen Amtsträger geeinigt haben.

Diese Methode ist bewusst so gewählt und folgt aus einer Lehre der Weimarer Republik. Dort war es noch möglich, den Kanzler durch das Parlament ohne eine Alternative abzusetzen. In Verbindung mit der zersplitterten Parteienlandschaft erreichte man so schnell eine Mehrheit für die Absetzung des Kanzlers, jedoch keine für die Einsetzung eines neuen. Das Ergebnis nach 13 Jahren waren 21 Regierungen unter elf verschiedenen Kanzlern.

Auch die Vertrauensfrage ist in diesem Licht auszulegen. Zwar kann sie der Bundeskanzler nach eigenem Ermessen stellen und damit das Parlament auffordern, für oder gegen sein Verbleiben im Amt zu stimmen. Jedoch darf dies laut dem Bundesverfassungsgericht nicht dazu dienen, zum Beispiel aufgrund günstigerer Wahlprognosen trotz eigener Parlamentsmehrheit vorzeitige Neuwahlen herbeizuführen. Solange der Kanzler seinen politischen Gestaltungswillen aufgrund einer sicheren Mehrheit durchzusetzen vermag, ist ihm die Vertrauensfrage mit dem Ziel der Auflösung des Parlaments also versagt.

Im Fall von SPD-Kanzler Scholz scheint die Sache jedoch eindeutig. Gestaltete sich das Regieren unter der Ampel-Koalition bereits mit einer Parlamentsmehrheit schwierig, fehlt der Regierung spätestens mit dem Wegbruch der FDP die Handlungsfähigkeit.

2. Das Feilschen um die Vertrauensfrage

Dass Scholz die Vertrauensfrage nun nicht in der direkt auf den Koalitionsbruch folgenden Sitzungswoche stellte, sorgte für teils heftige Kritik aus der Opposition und von Staatsrechtlern. Immerhin bleibt Scholz auch nach der Vertrauensfrage bis zur Neuwahl im Amt. Das Argument, jetzt noch wichtige Reformen auf den Weg bringen zu wollen und deshalb erst später die Vertrauensfrage stellen zu können, zieht also nicht.

Doch während bereits in der Vergangenheit einige Zeit zwischen der Entscheidung zur Vertrauensfrage und der tatsächlichen Abstimmung im Parlament verging, stellt die Art, wie der Termin zustande kam, ein Novum dar. Olaf Scholz traf die Entscheidung nämlich nicht alleine, sondern stimmte sich mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz ab. Forderte Merz zunächst die sofortige Vertrauensfrage, einigte er sich mit Scholz nun auf den 16. Dezember.

Warum Scholz, der die Vertrauensfrage zunächst erst im Januar stellen wollte, den Termin auf einmal mit Merz abstimmte, kann nur spekuliert werden. Verfassungsrechtlich verpflichtet ist er dazu zumindest nicht. Es steht allein im Ermessen des Bundeskanzlers, die Vertrauensfrage zu stellen.

Vielmehr könnte sich hierdurch bereits eine neue Große Koalition ankündigen und ein Verhalten der CDU wie zu Merkels Hochzeiten: Zuerst tritt man nach außen konservativ auf und rühmt sich mit steilen Forderungen, nur um dann im Nachgang doch linken Vorhaben den Weg freizumachen; Hauptsache, man sitzt in der Regierung.

3. Es ginge auch anders

Denn die Entscheidung über die Vertrauensfrage liegt zwar bei Scholz, doch einen Weg für frühere Neuwahlen stünde Merz offen. Dafür reicht ihm ein Blick in die eigene Parteigeschichte. Bereits 1982 erzwang die CDU mit folgender Taktik Neuwahlen:

Nachdem sie das konstruktive Misstrauensvotum gegen SPD-Kanzler Schmidt gestellt und mit der Wahl Helmut Kohls zum neuen Kanzler auch gewonnen hatte, stellte dieser nur kurze Zeit später selbst die Vertrauensfrage, um das Parlament auflösen zu lassen. So könnte die CDU nun auch vorgehen, wäre da nicht die Brandmauer. Denn eine Mehrheit wäre ohne die Stimmen der AfD nicht möglich. Und die möchte Merz auf keinen Fall haben, wie er erneut bekräftigte.

4. Neue Wahlen, neues Wahlrecht

Was bei der ganzen Debatte um die Vertrauensfrage und den Wahltermin hinten runterzufallen scheint, ist die Tatsache, dass für die vorgezogenen Neuwahlen bereits das von der Ampel geänderte Wahlrecht zum Zug kommt. Statt der aktuell 733 Abgeordneten dürfte das Parlament dann nur noch 630 Mitglieder zählen.

Auch wenn der Politikzirkus der „demokratischen Parteien“ und ihrer Brandmauer höchstwahrscheinlich weiterhin bestehen bleibt und von einer schwarz-rot(‑grünen?) Regierung keine Wende zu erwarten ist, kostet uns das Ganze dann etwas weniger hart erarbeitetes Steuergeld.

Felix A. Cassel

Die Rechtsphilosophischen Ideen Carl Schmitts sind für den Bonner Jurastudenten genau so wichtig wie sein Zweitname - auch wenn die Redaktion ihn zur Abkürzung zwingt. Anders als Schmitt schreibt er aber nicht „zu Juristen und für Juristen“, sondern übersetzt richterliche Entscheidungen der "BRD im Endstadium" für den einfachen Bürger - ein typischer "Rechts-populist" also.

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