Ein Punkt muss noch zum AfD-Gutachten des sogenannten Verfassungsschutzes gemacht werden. Viele Aspekte wurden bereits offengelegt. Dieses Gutachten ist ein Putsch gegen die Demokratie, die Vergewaltigung jeder juristisch-wissenschaftlichen Methodik und ein schlechter Scherz. Genauso ist es aber auch ein Angriff auf das deutsche Volk. Das verdient eine genauere Betrachtung. Wie das deutsche Volk historisch definiert wurde (1.), was sich geändert hat (2.) und welche Interessen dahinterstecken (3.).
1. Die Deutschen – dem Volk zugehörig
Die Bezeichnung „Deutschland“, also „Land der Deutschen“, stammt vom althochdeutschen Wort „diot“ ab, was ganz einfach „Volk“ bedeutet. Das dazugehörige Adjektiv „diutisc“ bedeutet demnach „dem Volk zugehörig“. Diesen Wortstamm haben nicht nur die nordischen Länder für die Bezeichnung Deutschlands in ihre Sprachen übernommen. Heißt Deutschland bei den Italienern zwar „Germania“ – was ursprünglich auf die Stämme nördlich des Römischen Reiches bezogen war –, nennen sie die Deutschen „tedesco“ – eine Ableitung von der althochdeutschen Bezeichnung.
Das Deutsche hatte etymologisch also immer etwas mit dem Volk und der Zugehörigkeit hierzu zu tun. Doch wie sah es rechtlich in der Vergangenheit mit den Deutschen aus? In seinem „Gesetz über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit“ regelte der Norddeutsche Bund 1870 die Erlangung der Staatsbürgerschaft per Geburt nach dem „Abstammungsprinzip“ (ius sanguinis). Demnach war (Nord‑) Deutscher, wer als Kind (Nord‑) Deutscher zur Welt kam. Diese Formel wurde bei der Reichsgründung 1871 übernommen. Am Abstammungsprinzip änderte auch das „Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz“ von 1913 nichts.
Allgemein war das Volks- und Staatsbewusstsein von dem Bild einer Einheit geprägt. So sprachen selbst Sozialdemokraten wie der Staatsrechtler Hermann Heller („Sozialismus und Nation“, Seite 452) von der „Schicksalsgemeinschaft des Bodens“, und Heller stellte fest:
„Die stärksten und dauerndsten menschlichen Vergemeinschaftungen beruhen nicht auf organisatorischer, zweckbewußter Interessenverbindung, sondern haben einen organischen, naturhaften Kern […] die Abstammung und die Landschaft. Beide bilden auch natürliche Grundlagen der Nation.“
2. Mit Rot-Grün hat sich alles geändert
In den ersten 50 Jahren der Bundesrepublik hatte das Abstammungsprinzip weiter Bestand. Doch in jüngster Zeit steht es unter rot-grünem Beschuss. Der erste Schlag erfolgte durch die Koalition aus SPD und Grünen mit der Zustimmung der FDP im Jahr 2000. Nun trat neben das ius sanguinis das ius soli. Nach diesem neu hinzugetretenen „Geburtsortsprinzip“ war auch Deutscher, wessen Eltern Ausländer waren, sofern sich mindestens ein Elternteil seit mindestens acht Jahren in Deutschland legal aufhielt. Da hierdurch häufig Doppelt- oder Dreifachstaatsbürgerschaften entstanden, musste sich der Betreffende bis zum Alter von 23 Jahren für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Nur in Ausnahmefällen konnte er mehrere Staatsbürgerschaften behalten.
Der zweite Schlag erfolgte Anfang 2024 durch die Stimmen von SPD, Grünen und FDP. Durch das „Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts“ wurde die vorgeschriebene Aufenthaltszeit der ausländischen Eltern von acht auf fünf Jahre verkürzt und die zwingende Entscheidung für eine Staatsbürgerschaft abgeschafft. Gleichzeitig wurde auch die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung erleichtert. Die bisher geforderten acht Jahre Aufenthalt für eine Einbürgerung können nun auf bis zu drei Jahre verkürzt werden.
Diese Änderungen stehen in einer klaren Linie: Die Erlangung der Staatsbürgerschaft soll immer leichter werden. So wie die Sozialdemokraten ihren Hermann Heller längst überwunden zu haben scheinen, scheinen sie den „organischen, naturhaften Kern“ der Nation überwinden zu wollen. Dazu passt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz unter der Führung der sozialdemokratischen Innenministerin Nancy Faeser in seinem AfD-Gutachten das Vertreten eines „ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriffes“ für unvereinbar mit der Verfassung hält.
3. Welche Interessen stecken dahinter?
Dass die Schlussfolgerungen des Verfassungsschutzes milde gesagt danebenliegen, wurde bereits breit debattiert. Entweder man liest bereits in Artikel 116 Grundgesetz die verfassungsmäßige Unterscheidung zwischen Staatszugehörigkeit und Volkszugehörigkeit; dass also die Zugehörigkeit zum deutschen Volk über die deutsche Staatsbürgerschaft hinausgeht. Oder man interpretiert die Verfassung wie der Leipziger Staatsrechtler Prof. Hubertus Gersdorf und hält die Frage nach dem Volksbegriff gar nicht erst für eine verfassungsrechtliche Angelegenheit:
„Wer zum deutschen Volk gehört, bestimmt der Gesetzgeber nach politischen Kriterien.“
Nach beiden Auslegungen ergibt sich kein Verbot eines ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriffes. Nach der ersten wäre dieser vielmehr bereits in der Verfassung angelegt, nach der zweiten wäre er kein Teil der Verfassung und somit frei durch den Gesetzgeber festzulegen. Und auch die dargelegte Geschichte hat gezeigt, dass ein abstammungsbezogenes Volksverständnis Deutschland über Jahrhunderte geprägt hat.
Woher kommt also das Interesse an der Abschaffung dieses – nach Hermann Heller und vielen weiteren – stabilisierenden Faktors der menschlichen Vergemeinschaftung?
Der Keim dahinter stammt bereits aus dem vergangenen Jahrhundert und nennt sich „Pluralismus“. Statt vom Staat und dem zugehörigen Volk als einer politischen Einheit auszugehen, fingen die Vertreter des Pluralismus an, diese Einheit zu leugnen und stattdessen eine Vielfalt an sozialen Größen zu postulieren, denen die Macht über die staatliche Willensbildung zuzukommen habe.
Statt das Volk als Gesamtes zu vertreten, sehen sich Pluralisten lediglich in der Vertretung ihrer Interessengruppe. Das Volk als einende identitäre Größe scheint vor diesem Hintergrund hinderlich. So wird es den Einzelinteressen auf dem Altar des Pluralismus geopfert.
Bist du auf der Seite der Deutschen? Siehst du dich als Deutscher? Wirst du von anderen Deutschen als Deutscher anerkannt? Viele Amerikaner sind genetisch gleich und trotzdem nicht mal ansatzweise deutsch: Herkunft ist bei weitem nicht alles! Genauso finde ich es falsch, Antideutsche als vollwertige Deutsche zu betrachten. Als Volk hält man Leute, die es Tod sehen wollen, fern von sich. Viele von euch haben vielleicht Phrasendreschers Buch gelesen und erinnern sich noch an den Vergleich mit Fußball-Fans: Gibt es einen Bayern-München-Fan, der nicht auf der Seite von Bayern-München ist?
glaube der tedesco ist der deutsche und die tedesci die deutschen (ohne googln). der beliebte 2 espresso fehler?
Die repräsentative Demokratie und auch unsere Verfassung gehen von einem Pluralismus in der Gesellschaft aus, in der jeweils verschiedene Interessensgruppen im Parlament repräsentiert werden (wobei der gewählte Abgeordnete dann allerdings die Interessen des gesamten Volkes vertreten soll). Dass es in einem Volk unterschiedliche Interessen (Arbeiter, Mittelstand, Konzerne, Staat usw.) gibt, ist nicht neu und sollte nicht künstlich verschleiert werden.
M.E. haben wir heute eher zu wenig als zu viel Pluralismus. Die Konturen der Parteien der sog. „demokratischen Mitte“ verschwimmen mehr und mehr zu einem formlosen Brei, der nur noch durch gemeinsame Schulden- und Subventionsorgien zusammengehalten wird. Die öffentliche Meinungseinfalt, die ausgeleierten Bekenntnis-Textbausteine in Politik, Medien und Kultur und die Kriminalisierung abweichender Meinungen entsprechen eben nicht dem Grundgedanken des Pluralismus.
Die Auflösung des tradierten Volksbegriffes folgt m.E. der herrschenden Ideologie (oder vielmehr der Ideologie der Herrschenden), der ein ethnischer Volksbegriff ebenso wie der Nationalstaat hinderlich ist auf dem Weg zum supranationalen Management der angeschlossenen Verwaltungsgebiete.