Einmal die Woche poste ich auf meinen Instagram einen Screenshot eines Tweets. Vergangenen Dienstag war das folgender: „stark = gut; schwach = schlecht“.
Dass solche banalen Aussagen in unserer schrägen Zeit manchen Menschen triggern können, war mir zwar bewusst, doch ich hätte nie damit gerechnet, dass mich jemand wegen dieses Tweets anruft. Jemand, von dem ich weder wusste noch erwartet hätte, dass er sich einen feuchten Furz für meine Aktivitäten auf Instagram interessiert.
Doch falsch gedacht – und getriggert hat’s da gewaltig.
Natürlich kann ich mir zusammenreimen, wie man in „stark = gut; schwach = schlecht“ das Recht des Stärkeren hineininterpretieren kann. Das Recht des Stärkeren im Sinne von Unterdrückung und Ausbeutung, im Sinne von „weil ich stark bin, habe ich moralisch das Recht dazu, die Schwachen zu missbrauchen“. Natürlich kann man meine polarisierende Aussage so lesen – wenn man will. Und das hat mich bei der betreffenden Person sehr überrascht, bzw. mich dann vielleicht sogar etwas getriggert.
Aber nur Erklären und Aufklärungsarbeit hilft – Aufregen nicht. Nachdem sich der Pulverdampf dann etwas verzogen hatte, habe ich das auch nochmal probiert, aber das Unverständnis ist geblieben.
Daher hier nochmal, eben weil Deutschland an der Tastatur verteidigt wird und das Thema so universell relevant ist:
Natürlich ist es gut, stark zu sein und schlecht, schwach zu sein. Das ist selbstevident. Dass diese banale Feststellung für Aufregung sorgt, zeigt hervorragend, wie es gegenwärtig um unser Wertesystem bestellt ist. Zu sagen, dass Stärke gut und Schwäche schlecht ist, das ist ungefähr so, wie einem Raubtier zu sagen, dass es gut ist, Beute zu machen. Die einzig passende Reaktion ist: „Ich weiss.“
Das Problem ist, dass in der Gegenwart manche Menschen diese Aussage so lesen: „Die Starken halten sich für was besseres und meinen Sie hätten das moralische Recht dazu, sich auf Kosten der Schwachen zu bereichern und den Schwachen zusätzlich noch Vorwürfe bezüglich ihrer Schwäche zu machen.“ Anhänger dieser Lesart lehnen dann schnell Stärke an sich ab – und damit das Leistungsprinzip und all seine Produkte, wie zum Beispiel persönliche und gesellschaftliche Weiterentwicklung.
Letztendlich ist es doch so: Wer den Unterschied zwischen wohlverstandener Stärke, also dem Leistungsprinzip, und missbrauchter Stärke, also dem sprichwörtlichen Recht des Stärkeren, nicht versteht und deswegen Stärke in sich und in seiner Gesellschaft ablehnt, der hat sich im Wertesystem der Sklavenmoral (Nietzsche) verheddert und wird somit unweigerlich fremdbestimmt. Und Fakt ist auch: Eine Gesellschaft kann sich die Glorifizierung von Schwäche nur solange leisten, wie es die Stärke und die Leistungen der Vergangenheit möglich machen. Wenn diese Kapital aufgezehrt ist, dann wird wohlverstandene Stärke, das Leistungsprinzip, unweigerlich wieder für jeden offensichtlich gut und richtig.
Bis dahin bleibt es ein schmaler Grat – auf individueller Ebene, in der eigenen Psyche, und auf gesellschaftlicher Ebene, in unserem kollektiven Wertesystem. Sklavenmoral und Herrenmoral – jeder Mensch und jede Gesellschaft hat immer Elemente beider Moralsysteme in sich getragen und wird auch zukünftig immer beide in sich tragen. Und genauso ewig ist das Prinzip, dass Individuum und Gesellschaft am besten genau auf dem schmalen Grat zwischen beiden Extremen, in der Balance, vorankommen.
Sich weder kampflos unterwerfen und vor lauter Selbsthass den eigenen Untergang vorantreiben, noch andere niederzuzwingen, zu unterwerfen und am eigenen Narzissmus zu Grunde gehen. Balance.
Und um in Balance, ins Gleichgewicht, zu kommen, da hilft Stärke, nicht Schwäche.