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Relegation und Auflagen – Fußball macht Politik

2. August 2020
in 3 min lesen

Wie oft beschweren sich Fußballfans über den DFB? Es gehört fast zum Standardrepertoire eines Stammtisches oder einer Diskussion. Irgendwie undurchsichtig und tendenziell korrupt, so empfinden viele den Verband, der damit, wenn man sich die FIFA anguckt, beileibe keine Ausnahme darstellen würde. Anders als in der Politik gibt es bei dem Verband keine wirklich Öffentlichkeit, die dem Establishment gefährlich werden könnte. Also begrenzt man sich auf das, was man in Deutschland ohnehin am besten kann: Ein bisschen rumnölen und ständig über die gleichen Probleme meckern ohne daraus für sich selbst irgendwelche Konsequenzen zu ziehen.

Der Videobeweis ist unter Fußballfans absolut unbeliebt – zurecht, verwässert er schließlich jede spontane Emotionalität im Stadion zu einem bürokratischen Vorgang, bei dem sich der hagere Mann in schwarz minutenlang mit irgendwelchen Menschen aus Köln berät und am Ende doch eine Ermessensentscheidung fällt. Den Schwachsinn dieser Praxis und seine zerstörerische Wirkung auf den Fußball hatte ich bereits in einem früheren Artikel ausgeführt.

Heute soll es aber um ein gänzlich anderes Thema gehen, ein Bereich in dem der DFB auch mal wieder mit teutonischer Regulierungswut die Fleißigen straft und die Faulen, die aber aus verschiedenen Gründen lieber gesehen sind, bevorteilt, ein bisschen wie die Bundesregierung. Die Relegation wurde 2009 wieder eingeführt. Für erste und zweite Liga muss sich der Tabellendritte der jeweils unteren Liga mit dem Tabellensechzehnten der jeweils höheren Liga messen und – meistens – geschlagen geben. In der Regionalliga müssen die Tabellenersten (!) gegeneinander in einer Relegation um den Aufstieg in die 3. Liga spielen. Das ist schlichtweg unfair.

Eine Saison, die ein Verein derart stark abschließt, muss belohnt werden. Ebenso ist der 16. einer Liga ein verdienter Absteiger, auch wenn er Werder Bremen oder Nürnberg heißt und dem DFB das nicht gefällt. Die Relegation ist eine von vielen protektionistischen Maßnahmen, die der DFB für sogenannte Traditionsvereine getroffen hat, deren Gegenwart nicht mehr ganz so hell leuchtet wie die Vergangenheit. Der HSV hatte seit Jahren den Abstieg verdient, wie Werder Bremen auch. Beide retteten sich immer wieder über die Relegation. Die Vereinspolitik des HSV war derart schlecht, dass selbst diese Entwicklungshilfe des DFB am Ende nicht nutzen sollte.

Wo bleibt die perfekte Gerechtigkeit des Videobeweises eigentlich bei dem DFB, wenn ein Verein wie Heidenheim, der seit Jahren Beeindruckendes mit wenig Geld auf die Beine stellte gegen Werder Bremen, die ihr riesiger Personaletat nicht daran hindert, sich als Anti-Kommerzverein zu sehen, zwei Unentschieden in der Relegation holt und wegen der Auswärtstorregel nicht aufsteigt? Sicher, den DFB-Auftrag hatte man damit erfüllt und Sozi-Edelfans dieses Sozivereins wie Arnd Zeigler können sich freuen. Bei Nürnberg war der Fall ähnlich gelagert: Nach einem 2-0 Sieg im Hinspiel kämpfte sich Ingolstadt beeindruckend zurück, führte 3-0 im Rückspiel. Der Schiedsrichter gab vollkommen übertriebene fünf Minuten Nachspielzeit, die er auch überzog und schon geschah in der 90. +6 das Wunder! 3-1! Auswärtstorregel! Nürnberg bleibt drin! Die höheren Zuschauereinnahmen und die Attraktivität der Liga aus der Sicht von DFB und DFL sind gesichert! Herzlichen Glückwunsch.

Nicht nur hier drängt der DFB die kleinen Scheißvereine zu Gunsten gut vernetzter Jedermannsklubs heraus. Bereits in der Dritten Liga wird knallhart ausgesiebt. Der SV Rödinghausen und beinahe auch der SC Verl fielen dieser Tatsache zum Opfer. Man verlangt von diesen Vereinen ein Stadion mit 10.000 Plätzen. Das sind exakt so viele, wie die Gemeinde Rödinghausen Einwohner hat. Falls Sie also mal wieder zufällig durch das schöne Rödinghausen fahren und keinen einzigen Menschen sehen, könnte es sein, dass Sie in Folge einer Krümmung des Raum-Zeit-Kontinuums der letzte auf der Erde verbliebene Mensch sind. Vielleicht hat Rödinghausen aber auch ein den DFB-Statuten entsprechendes Stadion gebaut. Oder es ist einfach nur so ein ganz normaler Tag in Rödinghausen.

Natürlich, Profifussball ist nicht der richtige Ort für aufgeschüttete Erdwälle. Das Umfeld eines Stadions und auch das Stadion selbst muss eine gewisse Sicherheit vorweisen können. Aber 10.000 Plätze? Um dann vor 1500 Zuschauern gegen den FSV Zwickau zu spielen? Das ist Nonsens. Zudem zeigen andere Länder Deutschland mal wieder, dass es auch anders geht: Der spanische Erstligist SD Eibar bietet in seinem Stadion ganzen 7.083 Zuschauern Platz. Zur Erinnerung: Hier gastieren Real Madrid und der FC Barcelona. In der englischen Premier League spielt der AFC Bournemouth vor maximal 11.500 Zuschauern, wenn Liverpool und Manchester City auflaufen.

Diese Regelung ist also auch nichts weiter als Protektionismus zu Gunsten von Vereinen wie Rot Weiß Essen. Mit viel Geld wollte der Club sich in der vergangenen Saison in die dritte Liga pressen. Weil man daran recht deutlich scheiterte, war eben der Saisonabbruch wegen Corona schuld. Sonst hätte man es noch geschafft! Ganz sicher! Die Begründung des Klubchefs Marcus Uhlig (ehemals mittelerfolgreicher Unternehmer, davor mittelerfolgreicher Sportdirektor bei Arminia Bielefeld): Ein Verein wie Rot Weiß Essen gehört nicht in die Regionalliga! Lieber Herr Uhlig, wir empfehlen Ihnen einen Lifehack: Sportlich aufsteigen. Werder Bremen, Rot Weiß Essen und co. fangen an, sich von DFB und DFL gepampert, wie verzogene Kleinkinder aufzuführen.

Ähnlich wie die SPD in ihrer Selbstherrlichkeit glaubt, es könne keine Demokratie ohne sie geben und die eigene Rettung quasi zur Staatsräson erhebt, tun dies auch die hier genannte Kategorie „Traditionsvereine“. Die harte Wahrheit ist aber: Es gibt kein Menschenrecht auf Liga 1, 2 oder 3. Wir müssen uns alle dem harten Wettbewerb stellen. Sie, ich, okay Sawsan Chebli vielleicht nicht, Rot Weiß Essen aber schon.

Maximilian Kneller

Kneller ist Politikwissenschaftler und Linksextremismusexperte. In seiner Freizeit engagiert er sich sehr zur Freude seiner Frau für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Etwa durch die deutliche statistische Reduktion des „orgasm gap“, der dank Pullover tragender Sörens aus dem AStA immer noch ein veritables gesellschaftliches Problem ist. Neben der Zugehörigkeit zu einer gewissen Oppositionspartei schlägt sein Herz für Arminia Bielefeld; er hat also nicht viel Freude im Leben und deshalb vermutlich so bedenkliche Ansichten.

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