Aus dem 9. Kapitel von Odin, Nietzsche und der Pfad zur linken Hand.
Weggucken kann uns die Kenntnisnahme von unangenehmen Wahrheiten ersparen. Unangenehme Wahrheiten bringen oft einen Handlungsdruck mit sich – und den wollen wir vermeiden. Deswegen verschließen Menschen so oft die Augen vor dem Unrecht, das direkt vor ihrer Nase stattfindet.
Die Angst vor der Verantwortung des Mitwissens ist stärker als das Streben nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Aber was tun, wenn wir das Unrecht bereits wahrgenommen haben? Was wenn die unangenehme Wahrheit bereits in unser Bewusstsein eingedrungen ist? Was wenn wir Mitwisser sind, aber Angst vor den Konsequenzen des Widerstandes haben? Dann bleibt uns nur noch die Abspaltung, das Dissoziieren.
Fehler in der Matrix
Wenn wir wissen, dass das von uns erwartete Verhalten sinnlos oder schädlich und damit falsch ist, wir aber bestraft werden, wenn wir uns nicht wie erwartet verhalten, dann müssen wir in unserem Geist Schleichwege finden, wie wir unser falsches Verhalten aus Angst vor Strafe mit unserem Selbstbild eines guten Menschen vereinbaren können.
Die einfachste Form davon ist, Dinge wissentlich nur zu tun, um Ärger zu vermeiden und Autoritäten zufrieden zu stellen. So lange dieser Vorgang dem Individuum bewusst ist, hält sich der Schaden noch in Grenzen. Das Individuum sagt sich zwar, dass es zu schwach oder ängstlich ist, um gemäß seinen Überzeugen zu handeln – es ist sich jedoch sowohl des Kontexts als auch der Handlung bewusst und kann das Verhalten bewusst als taktisches Manöver verbuchen.
Nur weil jemand in einer bestimmten Situation eine Maske trägt, muss er noch lange nicht uneingeschränkt an die offizielle Corona-Story glauben. Hier liegt noch keine Abspaltung im engen Sinne vor und der psychische Schaden ist relativ gering.
Dissoziation
Viel schädlicher ist Abspaltung im engen Sinne, echtes Dissoziieren. Hier bewegen wir uns im Unterbewusstsein und richten erhebliche Schäden an. Das Unterbewusstsein ist wesentlich stärker als das Bewusstsein – entsprechend schwer wiegen hier Störungen und Schädigungen. Unser Unterbewusstsein ist stets darauf bedacht, unseren Selbstwert zu bewahren.
Niemand will sich als schlechten Menschen, als Feigling, als Mitläufer, als Schwächling sehen. Wenn unser Verhalten allerdings genau das aussagt, wenn wir uns schwach, feige und schlecht verhalten – dann ist unser Unterbewusstsein versucht, genau das auszublenden.
Durch Dissoziierung gelingt es Menschen auch, gleichzeitig an zwei sich gegenseitig widersprechende „Wahrheiten“ zu glauben. Das ermöglicht Menschen beispielsweise, auf gesellschaftlicher Ebene an die Gefährlichkeit eines Virus zu glauben, sich persönlich aber gegenteilig zu verhalten. Durch Abspaltung können gleichzeitig staatliche Maßnahmen „zum Schutz vor dem Virus“ verteidigt und ganzen Herzens befürwortet werden, während man sich selbst aber nur dann an die Maßnahmen hält, wenn die Öffentlichkeit zuschaut.
So vermeidet der Dissoziierende den Konflikt mit dem vorherrschenden Narrativ, ohne sich im Privaten einzuschränken. Es existieren also gleichzeitig zwei sich gegenseitig ausschließende Wahrheiten in der Psyche des Betroffenen: Das Virus ist sehr gefährlich und rechtfertigt alles, was der Staat sich „zum Schutz der Bevölkerung“ einfallen lässt – und gleichzeitig ist das Virus ungefährlich und erfordert keinerlei Schutzmaßnahmen im Privaten.
Der Nutzwert des Dissoziierens liegt auf der Hand – doch die Nebenwirkung ist fatal: Das abspaltende Individuum verliert seinen Sinn für die Realität und kognitive Dissonanz wird das neue Normal.
Doppeldenk
Kognitive Dissonanz ist praktisch synonym mit Doppeldenk bzw. Doublethink. Wikipedia erklärt Doppeldenk wie folgt:
„Doppeldenk (engl. doublethink; in älteren Übersetzungen: Zwiedenken) ist ein Neusprech-Begriff aus dem dystopischen Roman 1984 von George Orwell und beschreibt eine Art widersprüchlichen Denkens, von dem gesagt wird, dass zu seinem Verständnis Doppeldenk selbst die Voraussetzung bilde.
Durch dieses propagierte Denken, bei dem zwei widersprüchliche oder sich gegenseitig ausschließende Überzeugungen aufrechtzuerhalten und beide zu akzeptieren sind, setzt die herrschende Kaste die Gesetze der Logik außer Kraft. Dadurch wird das Denken der Parteimitglieder schwammig und in Zweideutigkeit gehalten, wodurch schnelle Kurswechsel des Regimes auf eigentümliche Weise sofort akzeptiert werden können, auch wenn es sich dabei um das genaue Gegenteil der zuvor noch „gültigen Wahrheit“ handelt, etwa bei abrupten Wechseln der Feindbilder oder der politischen Losungen.
Das schließt mit ein: Absichtlich Lügen zu erzählen und aufrichtig an sie zu glauben; jede beliebige Tatsache zu vergessen, die unbequem geworden ist, und dann, falls es wieder nötig ist, sie aus der Vergessenheit zurückzuholen; so lange wie nötig die Existenz einer objektiven Realität zu leugnen und gleichzeitig die Realität zu akzeptieren, die man verleugnet.“
Was dem abspaltenden Individuum psychische Entlastung in der Gegenwart verschafft, zerstört seine Zukunft – und die Zukunft seiner Mitmenschen. Doppeldenk zerstört die Fähigkeit, sich auf seinen eigenen Verstand zu verlassen und macht das doppeldenkende Individuum abhängig von einer Autorität, die ihm sagt, welche Wahrheit wahr und damit maßgeblich für sein Verhalten ist.
Langfristig zerstört Doublethink so das Leben des Einzelnen – und die Gesellschaft, in der die Abspaltung Alltag und die kognitive Dissonanz das neue Normal wird. Umso mehr Menschen in einer Gesellschaft ihre geistige Gesundheit derart zerstören, desto normaler wird der Wahnsinn und desto größer wird der Anpassungsdruck, der auf die verbleibenden geistig gesunden wirkt.
Wenn die Mehrheit geisteskrank ist, wird sie unter demokratischen Verhältnissen mittels ihrer Mehrheit die Krankheit zur Gesundheit und die Gesundheit zur Krankheit umdeuten. So entsteht und verfestigt sich dann eine Gesellschaft, in der man geisteskrank sein muss, um akzeptiert zu werden. Dieser Prozess ist im Deutschland der Gegenwart bereits weit fortgeschritten.
Doppeldenk und Narzismus
An dieser Stelle ist es wichtig, den Zusammenhang zwischen Doppeldenk und Narzissmus zu verstehen. Sowohl auf Seite des Narzissten als auch auf Seite seiner Opfer ist Doppeldenk essentiell. Dem Narzissten selbst ermöglicht es, gleichzeitig unfehlbar und für die Fehler, die er macht, nicht verantwortlich zu sein.
Dem Narzissmus-Opfer ermöglicht Doppeldenk, sich gleichzeitig als unschuldiges Opfer zu sehen und dem Narzissten seinen Machtmissbrauch nachzusehen. So kann der Narzisst sein zur Überkompensation seines Minderwertigkeitsgefühls aufgeplustertes Ego aufrechterhalten und das Narzissmus-Opfer kann dem Druck entgehen, sich kräftezehrend aus der zwar kranken, aber immerhin gewohnten Missbrauchsbeziehung frei zu kämpfen.
Beide Seiten vermeiden mittels Doppeldenken also Verantwortung und schützen ihr Selbstwertgefühl. Eine verführerische Kombination.
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