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Rechtsruck – Was kann man von den Brüder Italiens erwarten?

27. September 2022
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Zwei Wochen nach den Wahlen in Schweden mit einem starken Abschneiden der Schwedendemokraten steht die nächste Entscheidung fest: Die rechtskonservative Partei „Fratelli d’Italia“ um Polit-Shootingstar Giorgia Meloni hat einen Erdrutschsieg eingefahren. Die als „postfaschistisch“ gebranntmarkte Partei erreichte 26,0 Prozent der Wählerstimmen (99 Prozent der Stimmbezirke ausgezählt) und wurde stärkste Kraft. Im Vergleich zur letzten Parlamentswahl im Jahr 2018 erreichte sie damit ein Plus von 21,6 Prozentpunkten. Damit legte die Partei sogar noch deutlicher zu, als Umfragen im Vorfeld prognostiziert hatten. Zudem gewinnt das italienische Rechtsbündnis bestehend aus FdI, Liga Nord und Forza Italia damit eine deutliche Mehrheit vor einer möglichen linken Koalition. Der Weg für eine vergleichsweise stabile rechte Regierung ist frei.

Die westlichen Hauptstrommedien sind geschockt: Wahlweise gibt man den Italienern die Schuld, die sich offenbar nicht für die radikale Vergangenheit Melonis Partei interessiert hatten, oder spricht von einer dunklen Schicksalstunde, als wären die riesigen Zustimmungsraten urplötzlich vom Himmel gefallen. Beide Ansätze verkennen die politische Lage in Italien. Unseren südlichen Nachbarn haben von linker Politik schlichtweg die Schnauze voll und stimmen mit einem „trotzdem“ oder einem „jetzt erst Recht“ für eine Partei, der es der linke Mainstream nicht leicht gemacht hat.



Ein langer metapolitischer Prozess

Das starke Abschneiden der Lega Nord vor vier Jahren führte erstmals dazu, dass in einem großen europäischen Land nicht mehr an einer Rechtspartei vorbeiregiert werden konnte. Dass die Regierung aus 5-Sterne-Bewegung und Liga Nord schon nach zwei Jahren an italienischen Politintrigen scheiterte, war ein schwerer Schlag für die politische Rechte in Italien, die sich mehr von Ex-Innenminister Matteo Salvini erhofft hatte. Dementsprechend wurde die Lega bei der aktuellen Wahl abgestraft und die Wähler wechselten zu Melonis Partei – was mehrheitstechnisch keinen Unterschied machte.

Dass in Italien sich so schnell eine neue rechte Bewegung aufbauen konnte, und die unzufriedenen Lega-Wähler sowie noch weitere Italiener aus der Mitte der Gesellschaft abholen konnte, zeigt, dass Italiens Bevölkerung sich politisch verschoben hat. Es ist offensichtlich unerheblich, welche Rechtspartei sich gerade aufbaut oder wieder Federn lassen muss. Auch ein spekulatives Ende Melonis FdI wird daran wenig ändern. Italien tickt schlichtweg nicht mehr links.

Als vom Euro gebeuteltes, strukturschwaches Land, das von hoher Arbeitslosigkeit gebeutelt wird, das gleichzeitig von der Umverteilungspolitik Brüssels profitiert, mitunter von Migranten überrannt wird, haben 60 Millionen Italiener von den Experimenten der letzten Jahre die Schnauze voll. Inwiefern Meloni den rechten Widerwillen gegen die linken Reformen kanalisieren wird, bleibt abzuwarten. Wenn eine europäische Mitte-Rechts-Regierung seit Jahrzehnten erstmals dazu in der Lage ist, durchzuregieren, dann ist es die Regierung um Giorgia Meloni. Mit der Betonung auf Rechts: Erstmals in der Geschichte Westeuropas seit dem 2. Weltkrieg ist eine Rechtspartei Senior- und nicht Juniorpartner.

Unkenrufe oder gesunder Skeptizismus?

Mitunter liest man von einer gewissen Skepsis innerhalb der deutschen Oppositionellen. Meloni sei US-hörig, verkörpere längst keinen fundamentalen Wandel mehr, da sie beispielsweise im Europäischen Parlament nicht in der Fraktion „Identität und Demokratie“ sitze, sondern bei der „Partei Europäische Konservative und Reformer“. Zudem sei Meloni NATO/US-hörig und stelle sich scharf gegen Russland. Auch der ehrbare Gedanke an die eigenständigen Südtiroler spielt eine Rolle: Inwiefern kann sich die deutsche Minderheit gegen eine nationale Politik aus Italien behaupten? Zudem – so die Kritik vieler Liberaler und Libertärer – fordere sie keinen Austritt aus der EU und unterstütze mitunter eine starke Staatswirtschaft.

Südtirol-Frage

Natürlich werden die Südtiroler es beim Ausbau ihrer Autonomie schwerer haben; von einer ernsthaften Gefahr gegen den status quo ist aber momentan nicht auszugehen. Stattdessen wird Meloni die Unterstützung der Südtiroler brauchen. Wer hier anders denkt, folgt eher dem raffinierteren Faschismus-Narrativ der Hauptstrommedien, welche Meloni irgendwie schlecht machen wollen. Die italienische Presse schürte das Anti-Südtirol-Narrativ vorab so stark, dass Meloni sich mit einem Brief in deutscher Sprache an die „Dolomiten“ wandte und für eine gemeinsame Kooperation bei den Problemen des Landes warb.

Wirtschaftsliberalisierung

Auch bei der Frage nach der Wirtschaft bezieht Fratelli d’Italia keine eindeutige Position. Zwar stimmt es, dass Meloni sich nicht gerade wirtschaftsliberal schimpfen kann, aber ihre Partei hat sich im 15-Punkte-Programm klar für Steuersenkungen und eine Entbüroraktisierung des Steuersystems ausgesprochen. Familien sollen hingegen stärker subventioniert werden und es soll ein Kampf gegen die niedrigen Geburtenraten der Italiener beginnen. Insofern könnte man die Positionen der FdI als ein klassisch-trumpistisches „Italy-First“ werten. Was tatsächlich umgesetzt wird, bleibt natürlich fraglich.

Europäische Union

FdI will keinen Austritt aus der Union, wirbt aber für tiefgreifende Reformen zu Gunsten eines „Europas der Vaterländer“. Hier liegt die Partei nahe bei den gemäßigten AfD-Positionen, die ebenfalls nicht mehr den Austrittsgedanken verfolgen. Deutschland wird es als wirtschaftlicher Motor der EU die kommenden Jahre sicherlich schwerer haben, da Meloni uneingeschränkt die Interessen Italiens und der Südländer vertreten wird. Gerade die Frage nach einer Inflationsbremsung wird den Keil zwischen Süd- und Nordländer weiter vertiefen. In ihrer Autobigraphie schrieb Meloni sogar, dass sie eine „gewisse Aversion gegen Deutschland“ habe. Dennoch könnte auch Deutschland von der starken Rechtsregierung profitieren, da sie Sand ins Brüsseler Getriebe streuen wird und in der Frage nach Migrationsstopp und möglicher Remigration eine eindeutige Position vertritt.

Russland-USA

Im Gegensatz zu anderne europäischen Rechtsparteien stellt sich Meloni klar gegen Russland und Putin und will auch von russischen Gasimporten unabhängig werden. Sie vertritt eine eindeutig westliche Haltung. Möglich ist es also, dass Meloni im Ukrainekrieg Öl ins Feuer gießen wird, wenngleich Italiens Rolle in der NATO und der Außenpolitik der EU beschränkt ist. Ob sie ihre Pro-Ukrainische Position aus wahlstrategischen Gründen dargestellt hat, ist ebenfalls nicht ganz auszuschließen. Oder anders herum gedacht: Eine Unterstützung russischer Interessen vor der Wahl hätte sie schlicht und einfach ihren Wahlsieg gekostet. Auch hier heißt es: Abwarten und nicht überbewerten.

Antikom!

Hat die politische Linke die letzten Jahrzehnte dominiert, weil sie uneingeschränkt einen sozialistisch-sozialdemokratischen Wunschtraum zelebriert hat? Ein Ideal mit denen all ihre Anhänger zufrieden waren? Oder hat sie Europa sukzessive umgebaut, weil sie realpolitisch kalkuliert hat, ihre Gegner Patt gesetzt und Schritt für Schritt die Politik zu ihren Gunsten umgeformt? Das alternative Lager, gerade in Deutschland, muss lernen, aus seinem ideellen Wunschtraum nach der perfekten Regierung endlich aufzuwachen. Man kann natürlich auch weiter träumen und darauf hoffen, dass im Jahr 2048 der perfekte Regierungschef gewählt wird und mit einem Federstrich all die Entwicklungen der letzten 100 Jahre rückgängig machen wird. Natürlich ist Meloni nicht perfekt, aber sie ist ziemlich gut und damit das beste, was ein Europa der Vaterländer momentan bekommen kann.

Dass Melonis Kampf gegen die politische Linke ernst geführt werden wird, zeigt vor allem ein Blick in ihre Vita. Melonis Vater, ein sardischer Sozialist, machte das, was Sozialisten gerne machen: Er ließ Ehefrau und die kleine Girogia im Alter von drei Jahren sitzen. Melonis Mutter, selbst in der politischen Rechten aktiv, zog Giorgia alleine groß. Es scheint zumindest so, dass Meloni den Typ Frau verkörpert, der solche Sachen nicht mit sich rumträgt. Ich wäre ungern italienischer Linker – im Jahr 2022.

Florian Müller

Der Sklaventreiber-Chef hat diverse Geschwätzwissenschaften studiert und nach eigenen Angaben sogar abgeschlossen. Als geborener Eifeler und gelernter „Jungliberaler“ freundete er sich schnell mit konservativen Werten an – konnte aber mit Christentum und Merkel wenig anfangen. Nach ersten peinlichen Ergüssen entdeckte er das therapeutische Schreiben in der linksradikalen Studentenstadt Marburg, wurde Autor für die „Blaue Narzisse“ und „eigentümlich frei“. Ende 2017 gründete er mit Hannes die Krautzone.

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