Für diesen Artikel muss ich etwas ausholen und stoße genau dabei schon auf ein sehr trockenes, ein sehr juristisches Problem. Dieses Problem, ein überaus nerviges, ist für den von James Burnham beschriebenen „Managerialismus“ charakteristisch: Das Problem trägt den Titel „Bildlizenz“. Ich werde hier im folgenden über etwas scheinbar abstraktes referieren. Leser, denen das „Warhammer 40.000“-Universum vetraut ist, werden über das Fehlen entsprechender Bilder hinwegsehen können. Sie wissen ja, wovon die Rede ist. Für Leser, die mit „Warhammer 40.000“ nichts anfangen können, muss ich etwas ausholen…
1987 ersann der Spieldesigner Rick Priestley unter dem Dach der Firma Games Workshop „Warhammer 40.000: Rogue Trader“. Dabei handelte es sich um ein miniaturbasiertes Strategiespiel, bei dem zwei oder mehr Spieler anhand eines komplexen Regelsystems Schlachten in einem finsteren Science Fiction-Universum austragen konnten. Spiele dieser Art laufen unter der Bezeichnung „Tabletop“ und erfreuten sich vor einigen Jahrzehnten hauptsächlich in England, der Heimat schrulliger Freizeitbeschäftigungen, großer Beliebtheit. Längst sind Tabletops aber auch in unseren Gefilden angekommen – in gewisser Weise sind die maßgeblich in Deutschland entwickelten militärischen Planspiele des 19. Jahrhunderts sogar Vorläufer des heutigen Tabletops.
Jedenfalls: „Warhammer 40.000“ ist in den fast vier Jahrzehnten seines Bestehens vom börsennotierten Konzern Games Workshop zu einer überaus lukrativen Marke ausgebaut worden. Längst geht es nicht mehr allein um Regelbücher und Miniaturen – das Science Fiction-Universum, in dessen 41. Jahrtausend sich Menschen, Aliens, Maschinen und viele weitere Fraktionen in einem endlosen Krieg miteinander befinden, wird durch hunderte von Romanen, dutzenden Videospielen, einer Pen&Paper-Rollenspielvariante und vielen anderen Erzeugnissen stetig ausgebaut und bewirtschaftet.
In den fast vier Jahrzehnten hat dieses Universum – bzw. seine Schöpfer, Autoren und Künstler – wirklich ikonographische Gestalten erschaffen. In erster Linie sind hier die „Space Marines“ zu nennen. Dabei handelt es sich um genetisch modifizierte Menschen in hochtechnologisierten Rüstungen, die sich den Gefahren der finsteren Zukunft stellen. Allgemein basiert der Charme und in gewisser Weise auch das Alleinstellungsmerkmal von „Warhammer 40.000“ auf der Idee, dass die Menschheit sich eben nicht immer weiter fortentwickelt, sondern in eine Art futuristisches Mittelalter zurückfällt: Das rare Wissen über Technologien wird eifersüchtig gehütet, eine Art von Kirche wacht über eine Art von Führerkult, die Inquisition macht Jagd auf Häretiker, Mutanten oder Aliens werden rücksichtslos bekämpft und nicht zuletzt ähnelt die Architektur der Städte, Raumschiffe und Fahrzeuge der Gotik, was bisweilen absurde Züge annimmt – aber es ist mitunter genau diese Absurdität, die den Reiz von „Warhammer 40.000“ ausmacht.
Genau hier sind wir jetzt an dem Punkt, wo ich gerne entsprechende Bilder einbinden würde – nicht nur, um zu illustrieren, wovon ich da eigentlich schreibe, sondern auch um deutlich zu machen, dass hinter banalen Begriffen wie „Popkultur“, „Spiel“ oder „SciFi“ durchaus eine bemerkenswerte Substanz stehen kann, die sich über jeden kindlichen Blödsinn erhebt. Da das aus rechtlichen Gründen nicht geht, verweise ich hier auf die Netzgalerien einiger für das „Warhammer 40.000“ prägenden Illustratoren wie John Blanche, Jes Goodwin oder David Gallagher. Man könnte ausgehend von diesen zahllosen Illustrationen stundenlang darüber sinnieren, ob die handwerklich beeindruckenden und interpretatorisch hochinteressanten Werke nicht sogar an die große Tradition der konkreten europäischen Malerei anknüpfen, aber dazu gerne ein anderes Mal mehr. Wir sollten jetzt besser zum eigentlichen Thema zurückkehren…
Games Workshop, das Mutterschiff des „Warhammer 40.000“-Universums, hat unlängst für Furore gesorgt. In einem knappen Statement stellte der Konzern im Angesicht kritischer Fans, die sich mit inkonstisten Änderungen der Hintergrundgeschichte unzufrieden zeigten, fest:
„Custodians“, oder „Adeptus Custodes“ sind die Elite unter der Elite der Menschen. Sie sind die Prätorianergarde des Imperators, des Anführers der gesamten Menschheit. Es ist ein reiner Männerbund, genau wie die „Space Marines“ reine Männerbünde sind – zumindest bis jetzt. Denn was Games Workshop hier macht, wurde in der Vergangenheit bereits in zahlreichen Franchises durchexerziert. Man denke nur an „The Force ist female“, dem Schlachtruf von Kathleen Kennedy. Die schaffte es in den 2010ern mit ihrem Disney-Team das bis dahin Undenkbare: Die Ruinierung des „Star Wars“-Universums. Jetzt ist „Warhammer 40.000“ nicht „Star Wars“ – eine wachsende Anhängerschaft und die mit Henry Cavill geplante Serienadaption (Cavill ist übrigens ein bekennender Fan der Adeptus Custodes) steigert die Popularität des SciFi-Universums allerdings enorm. „Warhammer 40.000“ ist längst keine Niesche mehr, in der sich verschrobene Anhänger tummeln. Hier zweigt gerade etwas in den Hauptstrom ab und das bedeutet nunmal auch, dass sich hier jetzt ganz großes Geld verdienen lässt.
„Warhammer 40.000“ war von Beginn an finster, brutal und zuweilen auch verstörend. Es war nie ein Universum für Kinder, auch wenn Games Workshop seine Produkte stets mit Blick auf eine junge Käuferschaft vermarktete. Der typische Hobbyist, sei er nun begeisterter Tabletop-Spieler oder einfach nur Leser der entsprechenden Romanreihen, war (und ist) überwiegend männlich. Natürlich waren „Space Marines“ oder „Custodes“ immer Identifikationsfiguren für männliche Anhänger – die Schöpfer von „Warhammer 40.000“ implementierten aber bereits früh weiblich dominierte oder zumindest effeminierte Völker und Fraktionen. Das alles „funktionierte“, sofern man das von einem fiktiven Hintergrund sagen kann. Es war konsistent, es macht Sinn – es zementierte klare Regeln und Gesetze in einer Fiktion, während in der Realität diese Regeln und Gesetze wahlweise ausgehebelt, verleugnet oder gar kriminalisiert werden.
Viele Anhänger von „Warhammer 40.000“ ärgern sich zurecht darüber und nicht wenigen ist durchaus bewusst, dass Games Workshop schon in der Vergangenheit den jahrzehntelang gewachsenen Hintergrund nicht gerade rücksichtsvoll behandelte. Aber wie in jedem fantastischen Refugium ist auch hier der „Plastikmensch“ auf dem Vormasch – der gefühlsmäßige Linke also, für den der Reiz eines Universums nicht in dessen Tiefe und Unergründlichkeit liegt, sondern der innerhalb einer Wolke aus Gleichgesinnten dieses Universum einfach nur verkonsumiert.
Auf diese Art von Fan hat sich der Konzern Games Workshop längst eingestellt. Mit inkonsitenten Regelwerken, überteuerten Miniaturen und Funko-Pop-Müll wird die Masse der Konsumnomaden so lange abgemolken, bis sie zum nächsten Vertriebssystem weiterzieht. In der Zwischenzeit simulieren Plastikmenschen mit ihrem Bekenntnis zu „Female Custodes“ ihre tadellose Haltung zum Zeitgeist – und das bezeichnenderweise vor der Schablone eines Universums, das um ihr gleichgeschaltetes, vernutzendes und geistlosen Verhalten gleich eine ganze Spezies kreiert hat.
Aber warum macht Games Workshop das, warum verwässert der Konzern die Identität seines Universums? Ja klar, er will Geld verdienen. Und das tut er nicht mit nostalgischen Anhängern, deren Miniaturensammlungen vervollständigt sind. Er tut das mit Plastikmenschen, einerseits. Andererseits ist auch Games Workshop den Zwängen des ESG-Regimes unterworfen, die ich bereits thematisiert habe. Zählt man alle Shareholder zusammen, die drei Prozent oder mehr an Games Workshop halten, so zeigt sich, dass fast 40 Prozent des Unternehems in der Hand von Anteilseignern sind, die sich rücksichtslos dem ESG-Regime verschrieben haben. Jedes einzelne der acht aufgeführten Unternehmen befolgt nicht nur brav die Vorgaben, sondern hilft auch tatkräftig dabei mit, diese Ideologieziele als „General Agreement“ aufzubauschen. Das ist nicht bloß das „Virtue Signalling“, das wir von den Plastikmenschen kennen. Hier geht es ganz konkret um’s „Gestalten“ – also die Forderung, dass sich sowohl die Unternehmen als auch ihre Kunden den ESG-Vorgaben unterwerfen. Ganz salopp gesagt ist ESG der Grund, warum „Star Wars“ scheiße ist und „Warhammer 40.000“ es demnächst werden wird.
Man kann das als Außenstehender beiseite wischen – haben wir nicht größere Probleme als das? Ja und nein. Fantastische Universen, ausgefüllt mit zusammenhängenden oder parallel zu einander verlaufenden Erzählungen bieten Millionen Menschen eine Art geistige Heimat. Gerade in einer Zeit, in der im Westen die Architektur, Kunst, Kultur, Geschichtsschreibung, ja selbst die politische und unternehmerische Entscheidungsfindung (Hallo James Burnham!) – kurz: die wahrgenommene Umgebung – zu einer grauen Pampe verkommt, die über alle Ländergrenzen hinweg die gleiche zu sein scheint, ist die „Fankultur“ nichts, was man aus dem Auge verlieren sollte.