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Fliegenalarm!

24. Mai 2022
in 4 min lesen

Summmmm, summmm, summm. Ohne Mückengitter hilft auch die beste Edel-Fliegenklatsche nichts mehr. Steigen die Temperaturen, kommen auch die Fliegen ins Haus. Die kleinen, nervigen, agilen wie auch die fetten, ekelhaften mit Eiersack im Schlepptau. Fliegen sind nicht sehr appetitlich, und nachdem ich vor einigen Jahren einmal beinahe mein köstliches Chili con Carne con Fliegeneier verspeist hätte, schüttelt es mich besonders.

Dennoch gibt es in meinem Heim gefühlt mehr Fliegen als auf dem größten Bauernhof. Was folgenden Grund hat: Unmittelbar vor der Hauswand stehen die Mülltonnen des Mehrparteienhauses. Darunter auch die „Biotonne“. Da ich in einer anderen Region groß geworden bin, war mir die Biotonne bis vor wenigen Jahren fremd. Nicht nur blaue Tonne, gelber Sack und Restmüll – jetzt auch noch Biomüll als vierte Wahlmöglichkeit. Dass die Welt über Deutschlands Mülltrennung lacht, sei nur am Rande bemerkt.

Grund für die neue Trennmöglichkeit ist mitnichten das erwachende Umweltbewusstsein der Behörden, sondern ein einträgliches Geschäft: Der Bioabfall wird entweder vergoren oder vergast – wodurch wiederum Energie durch Biogas- oder Heizanlagen entsteht. Meine Heimatstadt Trier schreibt dazu:

„Die Bioabfälle werden in einer Biogasanlage verwertet und dabei energetisch, in Form von Strom und Wärme, genutzt. Anschließend werden die Gärreste stofflich verwertet, indem sie als Düngemittel in der Landwirtschaft ausgebracht werden. Das ist teurer als die von vielen Kommunen noch praktizierte schlichte Kompostierung, stellt aber die ökologisch hochwertigere Variante dar und wird auch vom Gesetzesgeber dringend angeraten.“

Klingt gut, oder? Da ich meines Wissens aber bisher weder den Ertrag meines Mülls noch Düngesäcke vor meiner Haustür entdeckt habe, die das Abfallunternehmen mir vorbeibringt, oder ich gar steuerliche Erleichterung aufgrund meines Über-Plansolls an Bioabfällen gutgeschrieben bekommen habe, bringt mir mein Biomüll also gar nichts. Streng genommen werden wir also sogar bei unserem Abfall enteignet. In einem vollkommen undurchsichtigen System aus öffentlicher Müllabfuhr und privaten (?) Stationen, die den Biomüll weiterverarbeiten, wird mutmaßlich das ganz große Geld gemacht. Alle meine Bemühungen, herauszufinden, was konkret mit meinem Biomüll passiert, laufen ins Leere. 2012 – also vor fast zehn Jahren – gab es eine Dokumentation über das große, unbekannte Geschäft mit Recycling und Biomüll:

„Auch der Restmüll von Frau Langlotz hat es in sich: Er beschert den Entsorgern enorme Gewinne. Denn in den zahlreichen Müllverbrennungsanlagen im Norden wird immer mehr Restmüll verbrannt, und die Industrie verdient gut an dem Brennmaterial. Schüßler besucht die Müllverwertungsanlage Rugenberger Damm in Hamburg, die 2010 eine Umsatzrendite von 42 Prozent verbuchen konnte. Er fragt, warum immer mehr Abfall verbrannt und warum sogar aus dem Ausland Restmüll importiert wird.“

Die Biotonne kostet natürlich. Etwa 24 Euro im Jahr „darf“ der Bürger für die „Leistung“ seiner Kommune bezahlen. Im klassisch „roten“ Bundesland Rheinland-Pfalz ist man aber ausgesprochen liberal. In der offiziellen Stellungnahme des Landes heißt es: „Bei nachgewiesener Möglichkeit der Eigenverwertung durch Kompostierung auf dem eigenen Grundstück kann der Bürger von der Anschlusspflicht an die Biotonne befreit werden.“

Wie soll so etwas aussehen? Kommt ein Mitarbeiter der Abfallbehörde zum Ortstermin und überprüft die Größe und Funktionalität des eigenen Komposts mit einer Thermometer-Messpistole? Oder reicht die Zusicherung des Bürgers, dass sein Zehn-Quadratmeter-Garten samt Mikro-Kompost wirklich alle Bioabfälle „wegtilgen“ kann? Mehr Regeln, mehr Gängelung, weniger Freiheiten, weniger Eigenverantwortung.

Im Rhein-Pfalz-Kreis hat man aber noch andere, schwerwiegende Probleme. Dort sorgt man sich nicht nur um die tatsächliche oder angebliche Kompostierfähigkeit „seines“ Bürgers, sondern auch um strukturelle Hindernisse innerhalb des neuen Biomüll-Systems. So schreibt der „Eigenbetrieb Abfallwirtschaft“ („Betrieb“, schon klar…) unter dem Punkt „Biotonne bei frostigen Temperaturen“:

Feuchte Abfälle neigen dazu, sich bei Frost im Behälter auszudehnen, sich darin zu verkeilen oder an den Wandungen festzufrieren, so dass eine vollständige Entleerung nicht mehr möglich ist. Um dieses Problem zu vermeiden, empfehlen wir, die Bioabfälle in Zeitungspapier einzuwickeln und den Boden der Biotonne mit zerknülltem Zeitungspapier auszulegen. Hilfreich ist auch das Einbringen von kleinen ‚Knautschzonen‘ aus grobem Strukturmaterial, z.B. durch Untermischen von Heckenschnitt oder zerknülltem Zeitungspapier. Je lockerer die Biotonne befüllt ist, desto größer ist der Leerungserfolg. Fest sitzende Abfälle sollten vor der Abfuhr z.B. mittels Spaten von den Behälterwandungen gelöst werden, damit sie herausfallen können. Weitere Tipps für die Biotonne finden Sie in unserem Biotonnen-Faltblatt (pdf).“

So idiotisch das Ganze klingt: Es wird genügend Deutsche geben, die mit Zeitungspapier und Heckenschnitt eine „Knautschzone“ in ihrer Biotonne einrichten.

Da wir aber aktuell Mai haben, gibt es keine Probleme mit festgefrorenem Biomüll. Dafür aber mit den zahlreichen Fliegen und dem teils wahnwitzigen Gestank in der Umgebung der Biotonne. Mittlerweile haben sich in der Nähe zahlreiche Vögel angesiedelt, die Jagd auf die zahlreicheren Maden in der Biotonne machen. Seit Wochen wäge ich ab, ob es nicht sogar klüger wäre, die Tonne einfach offen zu lassen und die Amseln ihre Arbeit verrichten zu lassen. Bislang kann man über den Regulierungseffekt nur spekulieren. Sollte ich mich täuschen, wäre der Preis hoch: Der Wohnblock würde von Fliegen heimgesucht wie ein Kleinbauer des 19. Jahrhunderts vom Kartoffelkäfer.

Da man als Steuerzahler ja bekanntlich nichts zu tun hat, werden einem aber zumindest vom SWR noch weitere hilfreiche Tipps an die Hand gegeben:

„Ist die Tonne doch von Maden befallen, raten die Experten von ‚Berlin Recycling‘ zunächst zu einer erweiterten Grundreinigung. Zur Spülmittel-Essig-Wasser-Mischung kommt jetzt noch etwas Salz dazu, dann wird die Tonne gründlich geschrubbt. Um einem erneuten Madenbefall vorzubeugen, empfehlen die Experten, eine Mottenkugel in einem Damenstrumpf in die Tonne zu hängen.“

Wenn der staatsaffine Leser nach all diesem schwachsinnigen Regulierungswahn noch immer skeptisch schaut und sich fragt: Aber wie soll man das Problem wirklich lösen? Erstens: Mülltrennung sollte nicht vom Verbraucher übernommen werden, dafür gibt es Maschinen. Nicht nur ist es entwürdigend und unästhetisch, vom Staat vorgeschrieben zu bekommen, wie man mit seinem Abfall umzugehen hat – es ist auch ineffizient. Und wer weiß, wie viele Ehen an der Mülltrennungsdebatte zerbrochen sind?

Eine private Lösung wäre wie so häufig die beste: Ich verkaufe meinen Abfall an professionelle Dienstleister, die in häufigeren Abständen die Mülltonnen leeren. Für gemischten und „teuren“ Abfall zahle ich drauf, für nutzbaren und „guten“ Abfall wird mir etwas auf mein Abfallkonto gutgeschrieben. So kann der Verbraucher selbst entscheiden, wie wichtig ihm die Vortrennung ist – und alle Beteiligten profitieren. Außer natürlich den überbezahlten und nahezu unkündbaren Angestellten der kommunalen Abfallverwaltung.

Was passiert, wenn man etwas Sperrmüll wegfahren will – also die „Dienstleistungen“ des Müllsystems in Anspruch nehmen will , erfährst du dann in der nächsten Kolumne.

Florian Müller

Der Sklaventreiber-Chef hat diverse Geschwätzwissenschaften studiert und nach eigenen Angaben sogar abgeschlossen. Als geborener Eifeler und gelernter „Jungliberaler“ freundete er sich schnell mit konservativen Werten an – konnte aber mit Christentum und Merkel wenig anfangen. Nach ersten peinlichen Ergüssen entdeckte er das therapeutische Schreiben in der linksradikalen Studentenstadt Marburg, wurde Autor für die „Blaue Narzisse“ und „eigentümlich frei“. Ende 2017 gründete er mit Hannes die Krautzone.

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