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Hendrik van der Bijl – Ingenieurskunst made in Africa

18. November 2022

Amala Ekpunobi, eine 22-jährige Amerikanerin nigerianischer Herkunft, twitterte nach der Übernahme des Microblogging-Dienstes durch Elon Musk: „Repräsentation ist wichtig. Ich bin so glücklich, einen afroamerikanischen Mann als Eigentümer einer großen Firma wie Twitter zu sehen. Wir können wirklich alles schaffen!“

Recht hat sie. Auf eine gewisse Art und Weise. Musk wurde im südafrikanischen Pretoria geboren und gilt mit einem Gesamtvermögen von etwa 200 Milliarden Dollar als reichster Mann der Welt. Mutter Maye ist ein kanadisches Model, sein Vater, Errol Graham Musk, ein südafrikanischer Maschinenbauingenieur niederländisch-britischer Abstammung. Wie Elon Musk und dessen Vater Errol, wurde auch der blitzgescheite Ingenieur Hendrik Johannes van der Bijl in Pretoria geboren, als Spross einer alteingesessenen Burenfamilie. Das war am 23. November 1887. Sein Vater, Pieter Gerhard van der Bijl, war bereits Auslandsniederländer der siebten Generation.

Pieter van der Bijl hatte es vom einfachen Landarbeiter zum erfolgreichen Unternehmer gebracht. Er hätte ein glänzendes Beispiel für Max Webers protestantische Ethik abgegeben. Sein Sohn Hendrik sollte dem ganzen Kontinent seinen Stempel aufdrücken. Die schulische Ausbildung des Wunderknaben, der sich auf dem Ochsenkarren seines Vaters selbst Mathematik und Physik beibrachte, wurde durch den Burenkrieg unterbrochen. Seine Schule wurde während dieser Zeit in ein Gefängnis für Kriegsgefangene umgewidmet. Es war eben jenes Gefängnis, aus welchem dem jungen Winston Churchill – einem kämpfenden Kriegsberichterstatter und Teufelskerl, dessen Autobiografie My Early Life man unbedingt lesen sollte – die Flucht gelang. Pieter van der Bijl verließ Pretoria im Jahr 1902 und siedelte mit seiner Familie am Westkap, wo Hendrik zunächst die High-School und später das Victoria College (heute die Stellenbosch University) besuchte. Er erhielt den College-Preis für Physik und den Van-der-Horst-Preis für Mathematik und physikalische Wissenschaften.

Da Forschung und Lehre an deutschen Universitäten um die Zeit der vorletzten Jahrhundertwende einen besonders guten Ruf genossen, schrieb sich der südafrikanische Ingenieur in spe 1908 zunächst für ein Semester in Halle und dann an der Universität Leipzig ein, wo er im März 1912 promovierte. Von van der Bijl stammt u. a. die Barkhausensche Röhrenformel. Sie ist nach Heinrich Georg Barkhausen benannt, weil dieser sie Jahre später einem größeren Publikum zugänglich machte. Nach einer Dozententätigkeit an der TU Dresden, bei der er den Amerikaner Robert Andrews Millikan kennenlernte, der 1923 den Nobelpreis für Physik erhielt, wechselte van der Bijl zur Western Electric Company nach New York. Im auf Afrikaans abgefassten Wikipedia-Beitrag zu seiner Person heißt es, er habe in den sieben Jahren, die er von 1913 bis 1920 in den Vereinigten Staaten verbrachte, Forschungsarbeiten durchgeführt, die das drahtlose Telefonieren über einen Abstand von 4.800 Kilometern möglich gemacht hätten.

In einem anderen Artikel südafrikanischer Provenienz (auf Englisch) wird erklärt, seine Forschungen „zum thermionischen Ventil, das von Dr. Lee de Forest entwickelt wurde, führten zu seiner Abhandlung mit dem Titel The Thermionic Vacuum Tube and Its Applications.“ Seine Abhandlung sei „für mehr als zwanzig Jahre das Standardlehrbuch zu diesem Thema“ gewesen und habe „zur Verwendung dieser Röhren in der Funkkommunikation“ geführt. Und weiter: „Die erste erfolgreiche Übertragung von Sprache per Funk erfolgte 1915. Später in diesem Jahr wurde Sprache per Funk über eine Entfernung von mehr als 8.000 km übertragen.“ Van der Bijl sei es zu verdanken gewesen, dass die Verstärker mit den genauen Toleranzen gearbeitet hätten, die über diese sehr lange Distanz erforderlich seien. Auch habe er bedeutende Beiträge zur Entwicklung der fotoelektrischen Zelle und damit auch des Fernsehens geleistet.



Wie groß van der Bijls Beitrag bei der Entwicklung dieser Technologien letztlich auch gewesen sein mag, sein Ruf war ihm in seine alte Heimat vorausgeeilt, in die er 1920 als technischer Berater für die Regierung zurückkehrte. Drei Jahre nach seiner Rückkehr in die Südafrikanische Union betrieb er die Gründung der Electricity Supply Commission (ESCOM), deren Vorsitzender er wurde. Das Unternehmen war ein voller Erfolg und innerhalb von zehn Jahren konnte van der Bijl den aufgenommenen Kredit in Höhe von 16 Millionen Rand bis auf den letzten Cent zurückbezahlen. Darüber hinaus stand Südafrikas rasch wachsender Industrie auf lange Zeit genügend kostengünstiger Strom zur Verfügung. Zeitweise war ESCOM (heute Eskom) der größte und profitabelste Stromanbieter der Welt und versorgte fast den ganzen Schwarzen Kontinent mit Elektrizität, von Kapstadt bis Äthiopien. Leider gehören mittlerweile Stromausfälle in Südafrika zur Tagesordnung. Das ist umso bedauernswerter, als es eine südafrikanische Großstadt war, die sich dank Hendrik van der Bijl zuerst mit dem Schein elektronischer Straßenlampen schmücken konnte.

Der afrikanische Ingenieur Hendrik van der Bijl war auch Vorsitzender der Iron and Steel Corporation Ltd. (ISCOR) und der Industrial Development Corporation und darüber hinaus an der Gründung zahlreicher weiterer Unternehmen beteiligt. Von 1934 bis 1948 war er außerdem Kanzler der Universität Pretoria. Der südafrikanische Aktivist Willem Petzer schrieb am 3. November 2022 auf Facebook: „Wir müssen uns daran erinnern, dass alles, was sie (gemeint ist die südafrikanische Regierung) heute zerstören, einst von großen Männern wie Hendrik van der Bijl aus dem Nichts geschaffen wurde.“

Jonathan Stumpf

Jonathan, dem der Libertarismus als geborenem Ami eigentlich in die Wiege gelegt wurde, benötigte dennoch einige Umwege und einen Auslandsaufenthalt an der Universiteit Leiden, um sich diese politische Philosophie nachhaltig zu eigen zu machen. Zuvor hatte er bereits im Bachelor auf Staatskosten zwei Semester in Rumänien zugebracht. Wie jeder Geistes- oder Kulturwissenschaftler mit Masterabschluss, der etwas auf sich hält, bewegt Jonathan etwas in unserem Land. In seinem Fall sind es Container. Er hat im Sommer 2021 als Decksmann auf einem Containerschiff angeheuert.


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