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Kapitän Engelhardt im Flug, Johannistal bei Berlin, 12.8.1910, [Aufnahme] Otto Haeckel , Berlin-Friedenau, Wieland-Strasse 35 Bundesarchiv, Bild 146-1972-026-35 / Haeckel, Otto / CC-BY-SA 3.0

Reden wir über Kapitalismus – We call it Krautfunding

18. November 2022
in 3 min lesen

In der kommenden 103. Folge unseres Podcasts haben sich Chef Müller und meine Wenigkeit zusammengefunden, um unseren libertär-reaktionären Standpunkt vom solidarpatriotischen abzugrenzen. Interessierte wissen, dass etwas so Grundsätzliches wie die Frage nach der Freiheit des Marktes oder der Macht des Staates im konservativen beziehungsweise rechten Spektrum regelmäßig für Diskussionsstoff sorgt. Aus diesem Impuls heraus entstand meine Kolumnenreihenausgliederungwasauchimmer, und ich denke, es wird Zeit, den kommenden Podcast als Anlass zu nehmen, die Reihe mal wieder fortzusetzen.

Ohne viel vorweggreifen zu wollen – Chef Müller und ich haben im Laufe des Gesprächs natürlich auf’s Kaiserreich verwiesen, immerhin ist das für uns Reaktionär-Libertäre und für die meisten deutschen Konservativen der positive Bezugspunkt schlechthin: Mehr ein scharfer denn ein starker Staat, der die an ihn herangetragenen Aufgaben mit großer Effizienz erfüllte und gleichzeitig – man kann das nicht oft genug betonen – seinen Bürgern private und ökonomische Freiheiten einräumte, die für den Homo bundesrepublicanensis unvorstellbar sind.

Der dem Kaiserreich so eigene Optimismus, der sich in der kollektiven Begeisterung gegenüber technischen Neuerungen ausdrückte, ist uns heutzutage fremd. Der deutsche Staat wacht über seine Schlaglöcher, Funklöcher und Oberleitungsstörungen, er registriert träge die defekten Warnsirenen, er steigt im Wahn seiner Ideologie aus der sicheren und günstigen Energieversorgung aus und bürdet seinen Steuerzahlknechten die weltweit höchsten Strompreise auf. Aber es wäre dann doch wieder zu kurz gegriffen, das Problem ganz allein dem metastasierenden Parteienstaat unterzuschieben – es sind die Deutschen selbst, die, müde, satt und träge geworden, die Grundlage ihres Wohlstands vergammeln lassen. Wo wird denn heute noch die Eröffnung eines Unternehmens oder die Einweihung eines Flughafens öffentlichkeitswirksam als wichtiger Schritt für die ökonomische Entwicklung unserer Nation angepriesen? Wo manifestiert sich denn noch der Wille unseres Volkes in technischen Projekten?

1908 verunglückte bei Echterdingen LZ 4, das vierte Starrluftschiff, das vom Grafen Ferdinand von Zeppelin entworfen worden war. Dieser von Kaiser Wilhelm II. zunächst als „Dümmste[r] aller Süddeutschen“ oder auch vom Volksmund als „Narr vom Bodensee verspottete Visionär hatte noch während seiner Militärkarriere den Plan gefasst, Luftschiffe zu konstruieren. Nach seiner Pensionierung schritt er ans Werk. Die deutsche Bevölkerung schaute halb spottend, halb staunend zu, wie Zeppelin die ersten seiner gleichnamigen Luftschiffe aufsteigen ließ. Ermöglicht wurde das von Beginn an durch Spenden derjenigen, die der Vision des Exmilitärs vertrauten. Die Eroberung des Himmels war keine Frage staatlichen Wollens, sondern privater Initiative.



Jedenfalls passierte an diesem 5. August 1908 etwas sehr Bedeutendes und für die Mentalität unserer Vorfahren sehr Bezeichnendes: Nachdem das havarierte Luftschiff vor einer Menge Schaulustiger explodiert war und Graf von Zeppelin sozusagen sein Lebenswerk in Flammen hatte aufgehen sehen, regte sich eine Welle der Solidarität – man mag fast sagen: eine Welle von solidarischem Patriotismus. Statt dem „Narren vom Bodensee“ die lange Nase zu zeigen und ihn mit dem so typisch deutschen „Hab ich’s nicht gesagt?“ abzufertigen, sammelten die Zuschauer Geld. Und nicht nur das: Man begründete die „Zeppelinspende des deutschen Volkes“. Das zerstörte Aluminiumgerippe von LZ 4 wurde demontiert und eingeschmolzen, und aus dem Material fertigte ein Unternehmen Gedenkbesteck an, das im ganzen Reich zugunsten der Weiterentwicklung der Zeppeline verkauft wurde. Diese Großspende erbrachte sechs Millionen Mark und ermöglichte es dem Grafen, seinen Traum von der Luftfahrt weiter fortzusetzen.

Ein anderes Beispiel für erfolgreiches Krautfunding ist die „Nationalflugspende“ von 1912. Weil die Franzosen drohten, dem Kaiserreich in Sachen Motorflug den Rang abzulaufen, rief der jüngere Bruder von Kaiser Wilhelm II., Heinrich von Preußen, zur kollektiven Spende auf. Bis zum Ende des Jahres konnten 7,5 Millionen Mark gesammelt werden, die einerseits der jungen Flugzeugindustrie zugute kamen, andererseits als Preisgeld für Flugwettbewerbe bereitgestellt wurden. Bis zum Beginn des Krieges – also innerhalb von gerade einmal zwei Jahren – konnte Frankreich in der technischen Entwicklung eingeholt werden.

Wir haben hier also zwei Beispiele für eine private und eine staatliche Initiative mit dem Ziel, eine vielversprechende, aber risikoreiche Entwicklung auf technischem Gebiet zu fördern. In beiden Fällen waren es private Spender, die aus eigenem Willen ihre Geldbörsen zückten, weil sie an etwas glaubten. Sowohl der Zeppelinspende des deutschen Volkes von 1908 als auch der Nationalflugspende von 1912 gibt das in gewisser Weise den Charakter einer Investition – die Spender konnten zwar nicht erwarten, ihr Geld zurückzubekommen, aber ihr Gewinn war dafür ideeller Natur.

Was meinen Sie, lieber Leser: Sollen wir für die Deutsche Bahn den Hut herumgehen lassen? Oder lassen wir es besser bleiben?

Friedrich Fechter

Nachdem sich Fechter von den beiden Chefs die Leitung der Netzredaktion hat aufquatschen lassen, musste er mit Enttäuschung feststellen, dass die Zeiten von Olymp-Schreibmaschinen und reizenden Vorzimmerdamen vorbei sind. Eine Schreibmaschine hat er sich vom hart erarbeiteten Gehalt trotzdem gekauft. Und einen antiken Schreibtisch. Auf irgendwas muss man im Hausbüro schließlich einprügeln können, wenn die faulen Kolumnisten wieder ihre Abgabefristen versemmeln…

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