In Deutschland beginnt jetzt die Postdemokratie

9. Mai 2025
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Friedrich Merz und der Verfassungsschutz haben eines gemeinsam: Die Mehrheit der Deutschen vertraut ihnen nicht. Dennoch maßt sich das Bundesamt für Verfassungsschutz an, die größte Oppositionspartei als Verfassungsfeind zu markieren, und Friedrich Merz schafft es auf seinen ersehnten Kanzlerthron. Warum beide Ereignisse nicht zufällig in zeitlich engem Zusammenhang stehen, welche Rolle die Justiz dabei spielt und was diese Entwicklungen über den Zustand unserer Demokratie verraten.

Mit dem Ende der Ampel (‑Regierung) des Grauens und den damit verbundenen Neuwahlen schöpften viele Deutsche neue Hoffnung auf eine Politikwende. Genau diese Hoffnung spiegelte das Wahlergebnis wider: Der viel beschworene Wählerauftrag sah eine schwarz-blaue Bundesregierung vor. Doch es durfte nicht sein, was nicht sein durfte.

Und so warf Friedrich Merz sein großes Wahlversprechen der schwarzen Null schneller über Bord als ein Linker „Sondervermögen“ rufen kann. Auch wenn er nicht ungeschoren davonkam und selbst innerhalb der CDU ihm viele Mitglieder diesen Wortbruch übelnahmen, änderte das nichts daran, dass er weiter als Kanzler in spe in die Regierungsverhandlungen mit der SPD eintreten konnte. Reue sieht anders aus.

Als die CDU in den Umfragen dann von der AfD als stärkste Partei überholt wurde, verabschiedete sich die zu dem Zeitpunkt geschäftsführende Innenministerin Nancy Faeser (SPD) mit einem ganz besonderen Gruß. Sie ließ das ihr weisungsgebunden unterstellte Bundesamt für Verfassungsschutz veröffentlichen, dass man die AfD nun als „gesichert rechtsextrem“ betrachte. Zahlreiche Verfassungsrechtler kritisierten diese Maßnahme sowie den Umstand, dass das Ergebnis zwar veröffentlicht, das vermeintlich 1.000-seitige Gutachten hierzu aber verheimlicht wurde. Dabei merkte Bruno Wolters zu Recht an, dass dieses Vorgehen keinen Missbrauch der Institution Verfassungsschutz darstellt, sondern gerade diese Diffamierungsfunktion in der DNS der Behörde angelegt ist.

Die Einstufung hatte dabei wohl zwei Ziele. Sie sollte AfD-Wähler und ‑Mitglieder verunsichern und zugleich auch nur den kleinsten Gedanken der CDU an eine Zusammenarbeit mit der AfD im Keim ersticken. Dass Friedrich Merz nun im ersten Wahlgang zum Bundeskanzler als erster Kandidat im Nachkriegsdeutschland nicht die notwendige Mehrheit erreichen konnte, kann als ganz klares Signal der SPD verstanden werden. Da die Brandmauer zur AfD steht, ist Merz Kanzler von Gnaden der Sozialdemokraten. So verwundert auch nicht, dass selbst die SED einer Änderung der Geschäftsordnung zustimmte, um noch am gleichen Tag einen zweiten Wahlgang durchzuführen, in dem Merz dann die notwendige Mehrheit erreichte. Warum sollte man auch einen Kanzler verhindern, der fest in der Hand der Sozialisten ist?

Im Ergebnis hat Friedrich Merz also erreicht, was er angestrebt hat. Spielte er als Aufsichtsratsvorsitzender des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock in der wirtschaftlichen Elite, führt er nun die politische Elite an. Doch zu welchem Preis?

In einem Gespräch mit der „Weltwoche“ stellte der habilitierte Rechtswissenschaftler Dr. Ulrich Vosgerau fest:

„Das eigentliche Grundphänomen […] ist die unglaubliche Radikalisierung der deutschen Eliten seit etwa 2010.“

Was er mit diesen Worten meint, wird verständlich, wenn Vosgerau etwas später analysiert, dass sich die Bundesrepublik auf dem Weg in eine Postdemokratie befindet. In einer Postdemokratie bleiben zwar weiterhin alle Institutionen der Demokratie bestehen, sie verkommen jedoch zunehmend zu einer bloßen Hülle, während die politische Teilhabe der Bürger zugunsten einer Herrschaft der Eliten erodiert. Das Volk kann zwar durch die Wahl weiterhin die Wahlergebnisse beeinflussen. An der Politik ändern diese Wahlergebnisse jedoch nichts mehr. Statt echter ideologischer Alternativen und Streitkultur herrscht ein technokratischer Konsens.

So dramatisch diese Prognose zunächst klingt, passt sie doch nur zu gut auf die aktuelle Situation. Ein vermeintlich „demokratischer Konsens“ der Altparteien führt dazu, dass die CDU lieber mit der SED zusammenarbeitet, bevor sie sich der ihr deutlich näherstehenden AfD zuwendet. Und während sich das Wahlergebnis von 2025 gänzlich von dem von 2021 unterscheidet, wird eine Politikwende wohl ausbleiben. Gleichzeitig wird alles darangesetzt, die tatsächliche ideologische Alternative zu isolieren und zu bekämpfen. Zunächst durch die Altparteien im Gleichschritt mit den Medien. Keine Stiftungsgelder, keine Ausschussvorsitze, keinen Bundestagsvizepräsidenten und keinen Sitz im parlamentarischen Kontrollgremium, alles begleitet von den medialen Diffamierungen und der notorischen Ignoranz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Wer an dieser Stelle sein Vertrauen in die Justiz zur Wahrung der Rechtmäßigkeit des politischen Wettkampfs steckt, wie die Führung der AfD mit der Klage gegen die Einstufung des Verfassungsschutzes, muss gleichfalls enttäuscht werden. Schon vergessen? Postdemokratie bedeutet die Aushöhlung aller demokratischen Institutionen. Zur Veranschaulichung erinnert Vosgerau an sein Verfahren für die AfD-Fraktion gegen die Grenzöffnungen vor dem Bundesverfassungsgericht. Anstatt die Klage – wie zuvor im Fall der Grünen-Fraktion – zuzulassen und den Inhalt ausführlich zu diskutieren, wies das Bundesverfassungsgericht die Klage als „offensichtlich unzulässig“ ab. Dabei hatte Vosgerau seine Klage musterhaft nach dem Vorbild der zuvor zugelassenen Klage der Grünen-Fraktion aufgebaut.

Der Weg in die Postdemokratie ist somit weder eine Verschwörungstheorie noch reine Gedankenspielerei; er ist harte Realität. Für die AfD bedeutet das unter anderem, kein Geld in einem sinnlosen Verfahren zu verschwenden. Für uns alle heißt es: Wollen wir die Demokratie wirklich bewahren, müssen wir dafür aktiv eintreten. Die Elite wird es nicht für uns tun.

Felix A. Cassel

Die rechtsphilosophischen Ideen Carl Schmitts sind für den Bonner Jurastudenten genau so wichtig wie sein Zweitname - auch wenn die Redaktion ihn zur Abkürzung zwingt. Anders als Schmitt schreibt er aber nicht „zu Juristen und für Juristen“, sondern übersetzt richterliche Entscheidungen der "BRD im Endstadium" für den einfachen Bürger - ein typischer "Rechts-populist" also.

5 Comments Schreibe einen Kommentar

  1. Wieso „jetzt“?
    Erikas Anruf aus Afrika ist bald 10 Jahre her, ebenso ihr grenzenloser Rechtsbruch, samt allen Begleiterscheinungen.

    Ebenso stimme ich @Abcschtze zu, wobei ich mehr davon halte tagtäglich im Alltag seine Position hochzuhalten als alle paar Wochen auf einem albernen Pappdeckel: Wir sind Millionen, und wir sind überall!

  2. @Irene Hoffmann
    „Soll ich vielleicht mit’m selbstgemalten Pappschild auf meine Straße gehen und hoffen, dass sich noch irgendwer anschließt?“ Ähm ja, wenn Sie sich bisher nicht mit anderen Gruppen/Interessenverbänden/Parteien zusammentun konnten/wollten.
    Und nehmen Sie dann Ihre „ich kenne noch unzählige Menschen, die sich auch zur Zivilgesellschaft rechnen, und viele würden SOFORT demonstrieren.“ mit.
    Danke.

  3. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit haben fertig in Deutschland. Es herrscht eine #Gesinnungsdiktatur und die Bürger sind ihre Geiseln, die belogen, betrogen und ausgeplündert werden.

  4. Ja, die AfD MUSS sich wehren – es ist unerträglich!
    »Gegen RECHTS« werden jederzeit aus dem Stand Demos organisiert, weil Geld und Strukturen von der Regierung kommen, die sich selber nicht »die Hände dreckig macht« – das überlässt sie ihrer bezahlten »Zivilgesellschaft«.
    Aber: ICH bin auch Zivilgesellschaft! Ich kenne noch unzählige Menschen, die sich auch zur Zivilgesellschaft rechnen, und viele würden SOFORT demonstrieren – gegen diese Irrsinnigen. Nur wie und wo? Wer unterstützt die große schweigende grummelnde Mehrheit? Soll ich vielleicht mit’m selbstgemalten Pappschild auf meine Straße gehen und hoffen, dass sich noch irgendwer anschließt?
    Ich glaube nicht, dass dieser Dschungel, der nun seit etwa 20 Jahren ALLES durchwuchert hat, irgendwie beseitigt werden kann. Wer dazu gehört und davon lebt und profitiert, wird sich mit Zähnen und Klauen wehren.
    Das wird nur mit der Brechstange gehen – oder eben mit der Kettensäge. Und es wird noch dauern und es wird vor allem noch sehr unangenehm werden.

  5. Die Diagnose ist für alle Bürger, die nicht im Chor des Establishments mitsingen, völlig nachvollziehbar. Sie wird übrigens von den meisten alt-linken, libertären und rechten Dissidenten geteilt, die auch zum ähnlichen Schluss kommen: Man solle was tun für den Erhalt der freiheitlichen Demokratie. In der Praxis macht sich dann allerdings Ratlosigkeit breit.

    Daher ist es richtig, dass sich die AfD juristisch wehrt, notfalls durch alle Instanzen. Selbst wenn sie daran scheitert: Der politische Gegner will und muss den formalen Schein wahren und wird sich dadurch bis zur Kenntlichkeit entblößen müssen. Noch mehr als jetzt schon.

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