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Liberale Demokratie – Die Belehrung der Selbstgerechten

15. Juli 2024
in 3 min lesen

Nein, der gewaltige Rechtsruck der Europawahl war für Linksliberale, Grüne und ihre medialen Propagandisten nicht nur ein Fanal – verstärkt durch die aktuellen Vorgänge in Frankreich, zeigt sich jetzt erstmals die Schicksalsfrage an der Wand: „Endet das liberale Zeitalter mit dieser Generation?“ Sonja Zekri, Redakteurin der „Süddeutschen Zeitung“, leitete mit dieser unheilschwangeren Aussicht am 8. Juli die neue Serie „Zeiten(w)ende“ ein. Die Serie, so das Blatt, „beleuchtet die multiplen Bedrohungen unserer Demokratie – und Gründe, dennoch Hoffnung zu haben“.

Einfach dürfte das Vorhaben nicht werden, denn seit Anfang Juli hat die SZ Wissenschaftler zu Wort kommen lassen, die als unumstößlich geltende Grundsätze des landläufigen Liberalismus in Frage stellen. Hier wollen wir mit Philip Manow, der an der Universität Siegen Vergleichende Politische Ökonomie lehrt, den Reigen eröffnen. In einem Interview antwortet er auf die Frage, ob er Angst um die Demokratie habe:

„Ich glaube, wir kommen nicht weiter, wenn wir immer fragen, ob es der Demokratie schlecht geht… Denn das verstellt den Blick dafür, daß eine Demokratie, die vieles nicht mehr über Mehrheiten und Wahlen regelt, sondern über Gerichtsentscheidungen, also eine liberale Demokratie, aus sich selbst heraus Krisentendenzen zeitigt.“

Bereits in seinem Buch „Hypochondrie der Demokratie“ hatte Manow darauf hingewiesen, daß es in skandinavischen Ländern, in den Niederlanden und in Großbritannien keine Verfassungsgerichte gebe, offensichtlich hänge es also nicht daran, ob eine Demokratie lebe oder sterbe.

Angesichts der Diskussionen über ein Verbot der AfD und darüber, ob man das Bundesverfassungsgericht „sturmfest“ im Fall eines Wahlsiegs der Rechtsextremisten machen müsse, erklärte Manow:

„Das, was wir ´liberale Demokratie ´ nennen, kam eigentlich erst durch die Menschenrechtsdiskurse der Siebziger in die Welt, in deren Zug die Judikative die Schutzrechte von Individuen und Minderheiten gegenüber der Politik ausdehnte. In den achtziger und neunziger Jahren gab es international einen enorm starken Schub der Kompetenzverlagerung an die Judikative.“

In der Politikwissenschaft gelte die „elektorale“ (also auf Wahlen beruhende – d. Verf.) Demokratie meistens als Schwundstufe oder Vorform einer liberalen Demokratie. Das aber, so Manow, sei eine stark von Werten aufgeladene Sichtweise, die weder distanziert noch neutral sei. „Sie unterschlägt meines Erachtens sehr ernst zu nehmende Argumente für ein Verständnis von Demokratie, daß politische Mehrheiten und nicht der Schutz von Minderheiten Vorrang haben sollten.“

Ob die „liberale Demokratie“ das Konzept eines bestimmten Milieus sei, bejaht Manow:

„Die Gewinner der Gegenwart gehören, wie Sie und ich, zur neuen akademischen Mittelklasse. Die haben in Universitäten gelernt, was gut und wahr ist. Sie sind ziemlich hegemonial und recht doktrinär in der Durchsetzung ihrer Vorstellungen davon, wie die Welt funktionieren sollte. Wir sollten vorsichtiger sein, die resultierenden Konflikte sofort mit moralischen Kategorien zu belegen, nach dem Motto: Diese Populisten sind Antidemokraten, die wollen erstens den Rechtsstaat beschädigen und zweitens die Demokratie, das ist deren eigentliches Ziel.“

Eine weitere Belehrung erteilte der Soziologe Andreas Reckwitz einem anderen Interviewer des linksliberalen Leitmediums, das seine Leser während der EM-Spiele mit einer Kolumne namens „Li La Land“ erfreute. Als Reckwitz für Pluralismus plädierte – auch hinsichtlich der AfD, fuhr der verschreckte Redakteur hoch: „Sich mit Rechten an einen Tisch zu setzen, bedeutet ja aber zunächst einmal, daß man deren Positionen anerkennt und damit normalisiert.“ Reckwitz: „Nein, es heißt, daß eine diskursive Auseinandersetzung stattfindet, in der man die andere Position ja gerade auch bestreiten kann. Und es ist besser, die Auseinandersetzung findet diskursiv statt als mit Gewalt. Denn das ist letztlich die Alternative: Carl Schmitt oder Habermas, Freund-Feind oder Diskurs. Die liberale Demokratie kann langfristig nur in letzterem Format existieren“

Der letzte Satz dürfte eher Wunschdenken sein, denn mindestens seit 2015 ist nicht nur in Deutschland die illegale Migration das bis heute ungelöste Hauptproblem. Es betrifft die Sicherheit, die Wohnraumbeschaffung, das Gesundheitswesen, das Bildungssystem, die Verwaltung und andere Bereiche – nicht zuletzt das Gefühl der Überfremdung. Unter der Rubrik „Das Volk, nur Idioten?“ berichtete SZ-Redakteur Nils Minkmar am 3. Juli, wie die französische Theaterregisseurin Ariane Mnouchkine stellvertretend für Frankreichs Intellektuelle „Fragen stellt, die zeigen: Es beginnt eine neue Zeit“. Die 85jährige Mnouchkine, so Minkmar, mache auch der eigenen Branche, dem eigenen Milieu Vorwürfe:

„Ich denke, daß wir zum Teil dafür verantwortlich sind, wir, die Linken, wir, die Kulturschaffenden. Wir haben das Volk im Stich gelassen, wir wollten nicht auf die Ängste und Befürchtungen hören. Wenn die Menschen sagten, was sie sahen, sagte man ihnen, daß sie sich irrten, daß sie nicht sahen, was sie sahen. Es sei nur ein trügerisches Gefühl, sagte man ihnen. Dann, als sie darauf beharrten, sagte man ihnen, daß sie Idioten seien, und dann, als sie noch mehr darauf beharrten, nannte man sie Mistkerle.“

Auch diese Lektion dürfte keine nachhaltige Wirkung entfalten. Ein Hoffnungsschimmer könnte die von Ungarns Regierungschef Viktor Orban im EU-Parlament in die Wege geleitete Bildung der Fraktion „Patrioten für Europa“ werden. In deren Manifest heißt es: Man glaube an ein Europa „der Nationen, die bereit sind, ihre Bevölkerung vor allen möglichen Bedrohungen aus dem politischen, wirtschaftlichen, religiösen und kulturellen Bereich zu schützen.“ Alle weiteren Übertragungen nationaler Souveränität an die europäischen Institutionen lehne man ab. Es gelte, die illegale Migration zu stoppen und die kulturelle Identität zu bewahren.

Peter Kuntze

Kuntze wurde 1941 in Kiel geboren und hat nach Abitur und Wehrdienst eine verlagskaufmännische Lehre in Hamburg absolviert. Anschließend ein Redaktionsvolontariat in Ansbach. 1968 gelang ihm der Sprung nach München zur Süddeutschen Zeitung, wo er als außenpolitischer Nachrichtenredakteur sein Brot bis 1997 verdient hat. Nebenbei schrieb Kuntze etliche Kinderbücher, zwei Romane und acht politische Sachbücher über China. Seine konservative Wende geschah in den letzten Berufsjahren.

1 Comment

  1. Welches liberale Zeitalter?
    Seit dem Fanal 9/11 läuft unter dem Vorwand „War against Terror“ der in Wirklichkeit ein Krieg gegen die eigene Bevölkerung ist eine Agenda die schon seit 20 jahren in bislang beispiellosem Maß Repression, Bevormundung, Umverteilung, Zensur und totale Kontrolle kontinenteübergreifend vorantreibt.
    Und das alles unter Einsatz einer breiten Palette an psychologischen Tricks wie Panikmache, Verführung, Ausnutzung sozialer Gefüge, menschlicher Schwächen, Abhängigkeiten, Vorgaukeln falscher Verantwortung und Handlungsfähigkeit, Instrumentalsiierung von Randgruppen inkl. Kinder und Senioren, gegenseitiges Ausspielen verschiedener Interessengruppen, Unterwanderung einer breiten Zahl an Organisationen und Medien,…

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