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Lustig ist das Studentenleben an der Uni Leiden

1. August 2023
in 3 min lesen

Ein Semester lang habe ich mit einem linken Studenten aus Deutschland das Zimmer geteilt. Den Laptop hatte er voller Antifa-Aufkleber, aber da ich selbst gegen Faschismus bin, störte mich das kaum. Wahrscheinlich wusste er nicht einmal, um was für eine kriminelle Bande es sich bei der sogenannten Antifa handelt. Die Seifenopern und Casting-Shows, die manchmal im Aufenthaltsraum des Studentenwohnheims über den Bildschirm flimmern, lösten bei meinem Zimmergenossen die gleichen physiologischen Abwehrreaktionen aus wie bei mir. Dieser Umstand machte ihn mir hochsympathisch. Als ich am dritten Oktober mit einem Dutzend Heringe nachhause komme und zwei davon an den Schwanzflossen packe und hinunterwürge, wie es an diesem Tag in Leiden Brauch ist, bedauert der Veganer sogar, keinen Fisch mehr zu essen.

Das mit der Tradition kam folgendermaßen: Nachdem die niederländische Stadt Leiden im Achtzigjährigen Krieg 1573 schon einmal von den Spaniern belagert worden war, wurde die Belagerung nach einer kurzen Unterbrechung Ende Mai 1574 von den katholischen Truppen fortgesetzt. Wilhelm I. von Oranien wollte eine Kapitulation der Stadt unter allen Umständen verhindern und ersuchte die Einwohner Leidens per Brieftaube darum, drei Monate auszuhalten. Am dritten August ließ Wilhelm I. den äußeren Deich zerstören, um das flache Land zwischen der Stadt Leiden und der Nordsee zu überfluten und es einer Flotte von über zweihundert kleinen Booten zu ermöglichen, der belagerten Stadt zu Hilfe zu kommen.

Da die Flutung zunächst langsam vonstattenging, die Boote der Aufständischen auf Grund liefen und Tausende Einwohner Leidens bereits hungers gestorben waren, forderten viele Bürger eine Übergabe der Stadt an die Spanier. Bürgermeister van der Werff bot ihnen an, sich von ihnen verspeisen zu lassen. Man harrte weiter aus. Als die Spanier am zweiten Oktober ein lautes Krachen vernahmen, dachten sie an einen weiteren Dammbruch und ergriffen die Flucht. Tatsächlich handelte es sich um einen Teil der Stadtmauer, der wegen des Meerwassers erodiert und eingestürzt war. Tags darauf, am dritten Oktober 1574, kamen die Befreier und verteilten gepökelte Heringe und Weißbrot an die hungernde Bevölkerung. Bis heute stehen jedem Leidener am Jahrestag der Befreiung zwei kostenlose Heringe und ein Stück Brot zu.

Wilhelm I. schenkte den Bürgern Leidens aus Dankbarkeit eine Universität. Ihr Wahlspruch: Bollwerk der Freiheit. Leider ist diese Freiheit mittlerweile bedroht. Schon in der Einführungswoche wird mir klar, dass die Memes der vergangenen Jahre eher Untertreibungen darstellen. Man macht sich gemeinhin keine Vorstellung davon, wie stark die Universitäten mittlerweile im woken Sud garen. Besonders die guten. Als ein Repräsentant meiner Fakultät sich vorstellt, vergisst er nicht, die von ihm bevorzugten Pronomen ins Mikrofon zu blöken. Ein osteuropäischer Student und ich werfen uns in diesem Moment einen vielsagenden Blick zu.

Auch Trigger-Warnungen gibt es, bevor sensible Themen angesprochen werden. Und einen POP-Corner genannten Safe-Space. Zwischendurch ergreift eine Frau das Wort, deren Pronomen, wer hätte das gedacht, she/her sind. Dann wieder der Mann, der sich für die zu spät Gekommenen noch einmal vorstellt und dabei auch sie wissen lässt, dass seine Pronomen he/him lauten. Ein Teil meiner Mitbewohner hat die Pronomen am Türschild angebracht. Einer meiner Kommilitonen ist umgebaut und erinnert nachmittags mit seinen dunklen Bartstoppeln an Conchita Wurst. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass es sich bei der ganzen Queer-Geschichte um nichts als eine vorübergehende Modeerscheinung handelt.


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Obwohl an der Universität Leiden nicht nur im Pride-Monat Regenbogenbeflaggung angesagt ist, handelt es sich nach Ansicht mancher Kommilitoninnen um eine Nazi-Universität. Der Grund? Andreas Kinneging. Der Rechtsphilosoph lehrt seit den 1990er Jahren an der juristischen Fakultät der Universität Leiden. Zeitweilig war er Mitglied in Thierry Baudets liberal-konservativer Partei Forum für Demokratie. Obwohl er sich mittlerweile von Baudet und dessen Partei distanziert, hätten ihn meine Kommilitoninnen lieber am Pranger als in einer der ältesten und angesehensten Fakultäten für Rechtswissenschaften. Dass er noch immer dort lehren dürfe, sei unerträglich. Man spürt, wie sie darunter leiden.

Besagte Fakultät war denn auch bald Schauplatz eines bizarren Skandals, den woker Aktionismus hervorgerufen hatte. Allerdings ging es dabei nicht um Kinneging. Stein des Anstoßes war vielmehr ein Ölgemälde des 1933 in Leiden geborenen Malers Rein Dool. Es zeigt sechs Professoren, von denen drei qualmen. Zu weiß, zu männlich. Das Gemälde wurde kurzerhand abgehängt, nachdem eine Doktorandin auf Twitter ein Foto gepostet und eine selbstkritische Kommentierung gefordert hatte.

Die Dekanin der rechtswissenschaftlichen Fakultät machte ihrem Ärger über das Bild daraufhin ebenfalls Luft, klagte darüber, mit Männern konferieren zu müssen oder von deren Portraits umgeben zu sein, und fügte noch hinzu: „Und den Rauch hasse ich auch.“ Was den Rauch angeht, rennt sie bei mir offene Türen ein, aber eine gemalte Zigarre stinkt nicht. Und ihr Rauch ist auch nicht gesundheitsschädlich. Noch dazu hing das Bild in einem nicht-öffentlichen Besprechungszimmer. Außerdem zeigt es unter anderen Professoren den früheren Präsidenten und Geschichtswissenschaftler Dolf Cohen, der sich im Zweiten Weltkrieg aufgrund seiner jüdischen Herkunft vor den Nazis verstecken musste. Das Bild hängt wieder.

Jonathan Stumpf

Jonathan, dem der Libertarismus als geborenem Ami eigentlich in die Wiege gelegt wurde, benötigte dennoch einige Umwege und einen Auslandsaufenthalt an der Universiteit Leiden, um sich diese politische Philosophie nachhaltig zu eigen zu machen. Zuvor hatte er bereits im Bachelor auf Staatskosten zwei Semester in Rumänien zugebracht. Wie jeder Geistes- oder Kulturwissenschaftler mit Masterabschluss, der etwas auf sich hält, bewegt Jonathan etwas in unserem Land. In seinem Fall sind es Container. Er hat im Sommer 2021 als Decksmann auf einem Containerschiff angeheuert.

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