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Nordstream war nie eine gute Lösung

19. März 2023
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Das Rätselraten ist vorbei: Fünf Männer und eine Frau sind am 6. September 2022 von Rostock aus mit einer gecharterten Jacht in See gestochen, um nach einem Zwischenstopp auf der Insel Rügen Hunderte von Kilogramm militärischen Spezialsprengstoff an den Nord-Stream-Gasleitungen in knapp achtzig Metern Tiefe anzubringen. Es soll sich um eine Ärztin, einen Kapitän, zwei Taucher und zwei Tauchassistenten gehandelt haben.

Bei der am 26. September erfolgten Zündung wurden drei der vier Pipeline-Stränge erfolgreich in die Luft gejagt. Dass die sechs Freunde ganze Arbeit geleistet hatten, wurde spätestens mit den von der schwedischen Zeitung „Expressen“ im Oktober veröffentlichten Unterwasseraufnahmen deutlich: Rund fünfzig Meter Stahl und Beton hatten sich quasi in Luft aufgelöst. Das ist rekordverdächtig. Und noch ein anderer Rekord wurde gebrochen: Die Sprengung der Pipelines hat zu der größten jemals aufgezeichneten Freisetzung von klimaschädlichem Methan geführt. In anderen Worten: Das sind verdammt viele Rindersteaks!

Da die Jacht nach dieser klandestinen Spezialoperation der sechsköpfigen Bande in ungereinigtem Zustand zurückgegeben wurde, konnten später praktischerweise Sprengstoffreste sichergestellt werden. Die Spuren führen in die Ukraine. Aber Spaß beiseite: Der israelische Geheimdienstexperte Shlomo Shpiro äußerte gegenüber der Welt, es handele sich bei dieser Boots-Story seiner Ansicht nach um ein misslungenes Täuschungsmanöver, „um die Weltaufmerksamkeit abzulenken.“ Dass die Sprengung von einem staatlichen Akteur geplant wurde, liege aus vielerlei Gründen auf der Hand.

Nun muss man kein Geheimdienstexperte und schon gar kein Verschwörungstheoretiker sein, um zu ähnlichen Schlüssen zu gelangen. Nur einen Tag vor den Explosionen an den Nord-Stream-Gasleitungen eröffneten Polen und Norwegen die Baltic-Pipe, mit der Gas aus norwegischen Feldern nach Polen gepumpt wird. Für die Versorgung Europas mit Erdgas ist sie eine Alternative zu den North-Stream-Pipelines. Zuletzt waren daher verstärkt die Vereinigten Staaten und Norwegen verdächtigt worden, für den Sabotageakt verantwortlich zu sein, zumal Joe Biden offen angekündigt hatte, North-Stream zu beenden, falls Russland die Ukraine überfallen werde.

Ein Leser der Jungen Freiheit kommentiert einen Artikel über die „neuen Erkenntnisse“ im Zusammenhang mit den Sprengungen deshalb wie folgt:

„Immer schön Verwirrung stiften und einen Strauß von Thesen in die Öffentlichkeit werfen. Und diese Thesen, so abwegig sie auch sein mögen, dann völlig gleichberechtigt neben die offenkundigste und naheliegendste stellen. Das reicht dann, um eine Menge Menschen zumindest stückweise zu verunsichern, und dann, wenn alles schön ‚komplex‘ und nebulös erscheint, erlahmt auch das bohrende Interesse der Öffentlichkeit, und die lästigen Fragen verstummen.“

Das ist eine messerscharfe Analyse des Modus operandi im deutschen Pressewesen, der aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen ist. Bis auf die abschließende Bemerkung Shpiros vielleicht:

„Die Geheimdienste im Westen haben die Aufgabe, diesen Fall zu lösen oder ihn nicht zu lösen […], um ihre befreundeten Dienste nicht in die Bredouille zu bringen.“


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Die Amerikaner waren es also, wohl mit Unterstützung der Norweger. Oder die Norweger mit Unterstützung der Amerikaner. Jedenfalls mit dem Wohlwollen der Polen. Aber was folgt daraus? Das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen. Gewiss, ein paar markige Sprüche in Richtung solcher Freunde, ein wenig diplomatisches Brimborium würde sich der eine oder andere Michel vielleicht wünschen. Aber es muss doch nachdenklich stimmen, dass Deutschland es offenbar geschafft hat, sich bei seinen unmittelbaren Nachbarn so unbeliebt zu machen.

Nach dem Schröder-Putin-Pakt war es das Kabinett Merkel III, das uns diese Suppe eingebrockt hat. Merkels gefühlsmäßig getroffene Entscheidung, künftig auf Atomkraft zu verzichten, war ein Anschlag auf die Energiesicherheit der Bundesrepublik und stand gewissermaßen am Anfang einer unheilvollen Entwicklung. North-Stream II wurde gar erst nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland von der Bundesregierung beschlossen.

Wie konnten deutsche Politiker es je für eine gute Idee halten, sich auf Gedeih und Verderb Moskau auszuliefern? Sich derart erpressbar zu machen von einem Staat, von dem sich nicht nur die Ukraine, sondern auch die baltischen Staaten, Finnland und Polen in ihrer Existenz bedroht fühlen? Ich habe überhaupt nichts gegen das russische Volk, aber nach einem kurzen Blick auf den Globus muss es doch jedem auch nur halb gebildeten Menschen klar sein, dass das einwohnerstärkste Land Europas, das sich noch dazu in dessen Mitte befindet, die Sicherheitsinteressen seiner Anrainerstaaten nicht fortwährend ignorieren darf.

Ein Bündnis mit Russland, von dem so viele Patrioten träumen, würde unweigerlich zu einem erneuten Konflikt mit unseren Nachbarn führen. Diese Option sollte grundsätzlich vom Tisch sein. Stattdessen stünde es Deutschland gut zu Gesicht, mehr in seine marode Armee zu investieren und die militärische Zusammenarbeit mit seinen Nachbarstaaten zu forcieren. Der erste Schritt wäre die Wiedereinführung der Wehrpflicht und ein Anheben des Wehretats auf drei oder vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Gespart werden könnte beispielsweise bei Transferleistungen für Migranten. Damit würde auch ein wesentlicher Pull-Faktor für illegale Einwanderer ausgehebelt.

Auf Deutschland muss als Verbündeten jedenfalls Verlass sein, bevor an eine Verringerung des amerikanischen Truppenkontingents in Europa überhaupt zu denken ist. Mehr Engagement in der NATO und damit ein größeres militärisches Gewicht Deutschlands bedeuten langfristig auch mehr Souveränität!

Jonathan Stumpf

Jonathan, dem der Libertarismus als geborenem Ami eigentlich in die Wiege gelegt wurde, benötigte dennoch einige Umwege und einen Auslandsaufenthalt an der Universiteit Leiden, um sich diese politische Philosophie nachhaltig zu eigen zu machen. Zuvor hatte er bereits im Bachelor auf Staatskosten zwei Semester in Rumänien zugebracht. Wie jeder Geistes- oder Kulturwissenschaftler mit Masterabschluss, der etwas auf sich hält, bewegt Jonathan etwas in unserem Land. In seinem Fall sind es Container. Er hat im Sommer 2021 als Decksmann auf einem Containerschiff angeheuert.

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