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Cete, CC BY-SA 3.0, Wikicommons

Reden wir über Kapitalismus – Darf‘s noch etwas Wachstum sein?

7. Oktober 2022
in 3 min lesen

Das dezidiert linke Parteienspektrum der Berliner Republik wird von einer Klientel getragen, deren Kosmos sich zwischen arte-Dokus, GEO-Abos und „Empört euch!“-Romantik aufspannt. Es sind Linksboomer, die meist als direkte Angestellte im Staatsapparat oft schwer definierbaren Verwaltungstätigkeiten nachgehen und den Widerspruch zwischen marxistischer Ideologie und marktwirtschaftlicher Realität damit zu verleugnen suchen, dass sie „bewusst konsumieren“ und sich „sozial engagieren“.

Linksboomer arbeiten nicht in Autowerkstätten, und sie warten keine Produktionsroboter, Linksboomer fahren keine Lastkraftwagen und decken keine Dächer. Linksboomer gründen auch kein Unternehmen, sondern zecken sich allenfalls in deren Administrationsapparate als „Beauftragte für irgendwas“ ein. Sie verdienen – im wahrsten Sinne des Wortes – kein Geld, denn sie müssen sich oder ihr Produkt nicht tagtäglich zu Markte tragen. Stattdessen erhalten sie eine monatliche Überweisung für die Ausfüllung einer Tätigkeit, die sich eben nicht rechtfertigen muss. Deswegen entwickeln Linksboomer zeit ihres Lebens keine konkrete Beziehung zum Ökonomischen, sondern füllen ihr Verständnisvakuum mit linker Rabulistik.

Um das klarzustellen: Linksboomer sind nicht per se dumm. Ganz im Gegenteil – sie sind wahrscheinlich bildungsaffiner als ihre rechten Pendants. Sie legen Wert auf ihre Zeitschriftenabonnements, als Urlauber sind sie eher Kulturtouristen, vor allem aber haben sie eine extrem hohe Affinität zu den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Problemen unserer Zeit. Man sagt dem europäischen Kulturkreis nach, dass er sich mit seiner Kritikfähigkeit und hohen Toleranzschwelle von der arabisch-muslimischen oder asiatischen Welt grundlegend unterscheide. Linksboomer treiben das auf die Spitze, denn sie betrachten die besagten sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme ausschließlich in moralischen Dimensionen und suchen die Schuld an diesen Problemen immer bei sich.

Die kollektive Abneigung gegenüber dem Kapitalismus etwa, den kein einziger Linksboomer wertneutral definieren kann, speist sich aus der Affinität zu komplexen Problemen, die – moralisch aufgeladen – natürlich „von uns“ verursacht werden. Linksboomer verehren Richard David Precht, weil er sagt, dass es in einer endlichen Welt kein unendliches Wachstum geben könne. Sorgenvolle Blicke der Linksboomer, jemand kratzt sich am Kinn, ein anderer fordert: „Dagegen muss die Politik was tun!“ In diesem Denken gibt es keinen Einzelnen, keinen Menschen, keine Persönlichkeit – hier gibt es nur die Masse, die wiederum von „der Politik“ – auch Masse – dressiert werden muss.

Was aber bedeutet „Wachstum“ für den Rechten? Will er einfach nur billig konsumieren und sein Altöl in der Natur entsorgen – ist er also das plakative Gegenteil des sorgengebeutelten Linksboomers – oder kann er die kreative Zerstörungskraft und das Bedürfnis nach Naturbelassenheit in Einklang miteinander bringen? Gibt es etwa eine ästhetische Antwort auf die Vermassung? Eine ökonomische Lösung für die Vermüllung? Funktioniert Landwirtschaft auch ohne Subventionen? Spannnende Fragen!



Leider werden sie von Jonas Schick, dem Herausgeber der rechts-ökologischen Zeitschrift „Kehre“, nicht im Ansatz aufgegriffen. Seine Problematisierung des Wachstums verfängt sich konsequent in linken Deutungsmustern, weil ihm der ökonomische Zugang fehlt. Die Österreichische Schule hätte für Schick – und nicht nur für ihn – so viel zu bieten. Stattdessen lehnt Schick den Liberalismus, dessen ökonomische Dimension er völlig ausblendet, grundlegend ab. Folgerichtig fußt seine Kritik nicht auf den Handlungsmöglichkeiten und den Bedürfnissen des Einzelnen, nein – der Einzelne bemisst sich bei Schick nur anhand seines „Stoffumsatzes“. Die von ihm präferierte kollektive Transformation soll zwar nicht so rabiat ablaufen wie etwa von Pentti Linkola erwogen, aber irgendwie dann wieder doch:

„Denn wir brauchen ’ne Vision, die sich irgendwo zwischen Hochenergiegesellschaft und Geringenergiegesellschaft wiederfindet. Es ist was, das noch konzipiert werden muss. Das gibt es in Ansätzen, das gibt es im Postwachstumsdiskurs, der aber auch wieder so eine linke Prägung oftmals hat. Aber wenn es dann auch im Postwachstumsdiskurs um wirkliche Details geht, dann fehlen da auch noch die Antworten. Ich glaube, dass da von rechter Seite noch viel Freiraum besteht, weil viel rechts vorgedacht wurde, rechts problematisiert wurde und vor allem weil meiner Meinung nach die Gesellschaftstheorie, die dem zugrunde liegt, am ehesten mit so einer Vision zu vereinbaren [ist].“

Ökologie und Militanzein Gespräch mit Götz Kubitschek, Martin Lichtmesz und Jonas Schick

Ganz gleich, wie Schicks konkrete Vorstellung schließlich aussehen sollte, letztendlich ist sie nur eine Variante der Vorstellung, dass „das Wachstum“ nun aber wirklich an seine Grenzen stoßen würde. Wir kennen das von Thomas Malthus (mehr dazu in Ausgabe 29; erscheint Mitte Oktober), wir kennen das vom Club of Rome, vor zehn Jahren war „Peak Oil“ das große Ding, und jetzt ist es eben der Klimawandel, der zu einem radikalen Umdenken führen soll. Es ist die den Linken so eigene Bedienung einer Urangst, wahlweise vor dem langsamen, qualvollen Verhungern, Ersticken, Ertrinken oder Verbrennen, der auch Schick anscheinend verfallen ist.

So funktioniert aber der Mensch nicht, den sowohl Schick im Speziellen als auch die Linken im Allgemeinen aus den Augen verloren haben. Der Mensch unterwirft sich die Natur, er macht sich die Tiere nutzbar, er kultiviert die ihn umgebende Landschaft. Er verharrt nicht im Status quo – das tat der römische Großgrundbesitzer genau so wenig wie der feudale Leibeigene oder der Bauer des langen 19. Jahrhunderts. Weil er sich Energiequellen nicht nur erschließt, sondern deren Effizienzgrad auch steigert, ist es völlig egal, wie viel Energie aufgebracht werden muss, um eine Kalorie zu erzeugen. Wachsen zu wollen, die bestehenden Verhältnisse zu überwinden, Problemstellungen mit neuen Lösungsansätzen zu meistern, ist ein menschlicher Trieb. Zu glauben, man könne am soziologischen Reißbrett eine Gesellschaft entlang des abstrakten Maßstabs „Energieverbrauch“ entwerfen, ist ganz im Hayekschen Sinne die Anmaßung von Wissen. Die „Vision“ eines wie auch immer gearteten Postwachstums ist und bleibt die Sehnsucht nach sozialistischer Knechtschaft, da kann der Anstrich noch so heimelig patriotisch aussehen. Attraktiver macht sie auch das nicht.

Friedrich Fechter

Nachdem sich Fechter von den beiden Chefs die Leitung der Netzredaktion hat aufquatschen lassen, musste er mit Enttäuschung feststellen, dass die Zeiten von Olymp-Schreibmaschinen und reizenden Vorzimmerdamen vorbei sind. Eine Schreibmaschine hat er sich vom hart erarbeiteten Gehalt trotzdem gekauft. Und einen antiken Schreibtisch. Auf irgendwas muss man im Hausbüro schließlich einprügeln können, wenn die faulen Kolumnisten wieder ihre Abgabefristen versemmeln…

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