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Reden wir über Kapitalismus – Der gefährliche Preistreiber CO2

19. August 2022
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Wahrscheinlich sind Ihnen beim Einkaufen die vielen, meist grünen Plaketten aufgefallen, die von der Milch über die Wurst bis hin zu den Buntstiften die meisten Verpackungen zieren und in irgendeiner Form die Qualität des entsprechenden Produkts herausstellen. Diese Gütesiegel haben ihren Ursprung in der Weltausstellung des vorletzten Jahrhunderts. Dort wurden die besten Produkte ihrer Art prämiert, und diese Prämierung war natürlich eine ganz hervorragende Werbemaßnahme.

Qualität hat ihren Preis, da sind wir uns einig, und dementsprechend weiß der Käufer, dass er für etwas Besseres auch etwas tiefer in die Tasche greifen muss. Die Weltausstellung, deren glanzvolle Zeit 1851 in London begann (Crystal Palace), die 1889 in Paris ihren Höhepunkt feierte (Eiffelturm) und deren Glanz schließlich gemeinsam mit der europäischen Hochkultur im Orkus des Großen Krieges verschwand, diese Weltausstellung hatte über all die Jahrzehnte hinweg ihren Besuchern viel, sehr viel zu bieten. Alles, was fuhr, flog, schrieb, druckte, fotographierte, litographierte, maß, säte, schnitt, musizierte, sortierte, kondensierte, raffinierte, produzierte, schoss, pfiff oder einfach schön anzusehen war, konnte auf der Ausstellung begutachtet werden.

Was man unter all den Ausstellungsstücken allerdings vergeblich suchte, war der Deus ex machina, der Stein der Weisen, die Chemikalie X – nennen Sie es, wie Sie wollen –, eben die CO2-Neutralität! Auf so etwas konnte das alte, weiße, heteronormative, naiv-technikbegeisterte Europa nicht kommen. Um den Leuten sprichwörtlich nichts zu verkaufen, musste erst der Mensch zum Konsumnomaden umerzogen werden. „CO2-Neutralität“ – das klingt nach weißen Kitteln, nach mathematischen Formeln auf großen Tafeln und der Versicherung, dass neun von zehn Experten dafür bezahlt werden, das Gleiche zu sagen.

Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen: „Diese Bleistifte wurden CO2-neutral produziert.“ – „Diese Bahn kommt CO2-neutral zu spät.“ Wie geht man mit so einem Stuss um? Wie redet oder schreibt man über etwas, das für einen erheblichen Teil der Bevölkerung mittlerweile Religionssurrogat ist? Ganz ehrlich, Sie haben wahrscheinlich bereits an anderer Stelle gelesen, dass es sich hierbei um die moderne Form des Ablasshandels handele, aber haben Sie sich schon mal klargemacht, dass sämtliche Gütesiegel, auf denen die CO2-Neutralität des Produkts beworben wird, nichts weiter sind als eine Steuer aufs Atmen? So etwas wäre keinem noch so kleptomanischen Katholiken in den Sinn gekommen (bei den Protestanten bin ich mir da allerdings nicht so sicher). Selbst die Bolschewisten maßten sich nicht an, ihren Arbeiterameisen einzubimsen, dass diese über ihre Konsumentscheidung Einfluss aufs Klima nehmen müssten. Nein, so etwas kann nur aus Hirnen stammen, in denen auch Geschlechter dekonstruiert werden.

CO2-Neutralität als Gütesiegel, als Qualitätsmerkmal, als Zünglein an der Gewissenswaage des Konsumenten – das passt irgendwie dann doch ganz gut in unsere Zeit, in der nicht mehr der Verzicht, die Sparsamkeit, der bewusste Genuss als Wert für sich zelebriert wird, sondern die Gewissenserleichterung im Angesicht der herbeifantasierten Weltkrise bereits für einen Aufpreis von 4,99 Euro zu haben ist. Die Bahn, ausgerechnet die Bahn, wirbt etwa mit der Behauptung, ihre Züge führen mit „grünem Strom“. Grüner Strom. Wahnsinn! Wie infantil kann eine vergreiste Gesellschaft noch werden, um sich von so einer comichaften Suggestion angesprochen zu fühlen? Andererseits, das muss fairerweise gesagt sein: Die Bahn als staatlicher Monopolist kann behaupten, was sie will – gäbe es einen Konkurrenten, der nicht mit „grünem Strom“, sondern mit günstigen Fahrkarten und Pünktlichkeit werben würde, dann stünde die Wahl unserer Mitbürger fest. Aldi ist nicht umsonst ein Meister aus Deutschland.

Wichtig ist am Ende die Erzählung: Wenn die Assoziationskette erst mal von der sogenannten Klimakatastrophe über die Waldbrände und Überschwemmungen bis hin in die Supermarktregale aufgespannt ist, dann hält sie auch – ganz gleich, wie stark man an ihr rasselt. Jeder Mensch will an etwas glauben, denn Glaube ist sinnstiftend. Das sieht man ja auch bei Corona: Ohne die vierte Impfung, so beteuert der Plastikmensch, wäre er sicherlich gestorben. Er wird das auch nach der achten oder 80. Impfung behaupten. Und genauso werden die entwurzelten, synthetischen Konsumnomaden für ihre CO2-neutral produzierte Avocado jeden Preis bezahlen. Es muss ja für etwas gut sein. Das wissen die Hersteller, das wissen die Medien, das weiß die Politik. Deswegen ist es auch nicht schlimm, wenn die Preise steigen. Schlimm wird es erst, wenn die Regale nicht mehr aufgefüllt werden.

Friedrich Fechter

Nachdem sich Fechter von den beiden Chefs die Leitung der Netzredaktion hat aufquatschen lassen, musste er mit Enttäuschung feststellen, dass die Zeiten von Olymp-Schreibmaschinen und reizenden Vorzimmerdamen vorbei sind. Eine Schreibmaschine hat er sich vom hart erarbeiteten Gehalt trotzdem gekauft. Und einen antiken Schreibtisch. Auf irgendwas muss man im Hausbüro schließlich einprügeln können, wenn die faulen Kolumnisten wieder ihre Abgabefristen versemmeln…

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