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Sarah Bosetti will weiterhetzen

24. März 2023

Ein Blick in die ZDF-Mediathek ist wie ein Blick in die Mülltonne eines Studentenwohnheims: Bunte Verpackungen mit grellen Schriftzügen, alter Fraß, ranzige Reste – kurzum: eine unappetitliche Melange, deren unterschiedliche Bestandteile auch durch eine sorgfältige Trennung keine Adelung erfahren hätten. Unter dem Programmabfall, der sich wahlweise für die Massensedation der Boomer oder Bespaßung retardierter Zoomer empfiehlt,…

… sticht eine Kachel hervor: Sarah Bosettis Format mit dem geltungssüchtigen Titel „Bosetti will reden“. Bosetti! Will! Reden! Zu sagen hat die Dame mit dem glasig-blassen Blick und den angespannten Gesichtszügen freilich nichts, was Wikipedia nicht daran hindert, großspurig aus ihr eine „deutsche Autorin, Satirikerin, Komikerin und Moderatorin“ zu machen. Diese Zuschreibungen sind, um im Bilde zu bleiben, für die Tonne. Das Prädikat „deutsche“ verrät uns ja bereits, dass Bosetti in Wirklichkeit weder satirisch noch komisch ist.

Autorin? Ich habe mir vor zwei Tagen eine Tüte YumYum-Nudeln zubereitet, zum Koch macht mich das aber noch lange nicht. Automaten wie Bosetti produzieren (oder lassen produzieren) seit Jahren eine solche Masse an Lese-Müll, dass man im Hugendubel oder der Thalia überhaupt nicht mehr weiß, wo man hintreten soll. Gefühlt 99 Prozent aller Bücher im öffentlichen Handel sind Egomanenschrott und tragen Titel wie „Wenn ich eine Frau wäre“ oder „Mein schönstes Ferienbegräbnis“ oder „Ich bin sehr hübsch, das sieht man nur nicht so“. Ach ja, die Alphabetisierung – wofür war die noch mal gut?

Bleibt also noch „Moderator“. Das sind die Leute, die durchaus im Bosettischen Sinne narzisstisch veranlagt sein dürfen, aber als Lenker – und nicht als Führer – ein Gespräch dirigieren. Macht das Bosetti? Hat das Regierungsfernsehen ihr etwa ein paar Stühle hingestellt und Notizkarten in die Hand gedrückt? Nein, so bescheuert ist man selbst beim ZDF nicht. Stattdessen hat man Bosetti gesagt, wo die Kamera steht und wie viel Zeit sie hat, um ihren regierungstreuen Zeitgeistsermon herunterzubeten.


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Und genau das hat eine zeitlang funktioniert. Während Corona, also einer Grippewelle, die von Regierungen, regierungsnahen Organisationen und der Pharmaindustrie dazu genutzt worden ist, Millionen von Menschen einen nicht ausreichend getesteten Impfstoff aufzuzwingen, agierte Bosetti als propagandistischer Multiplikator. Da sie sich, wie der Name ihres Formats erahnen lässt, gerne selbst beim Reden zuhört, ließ der Staatssender sie in den letzten zwei Jahren ganze 62 Beiträge produzieren. Damit der Plastikmensch auch weiß, dass er lachen darf, laufen Bosettis Videos unter der Rubrik „ZDF Satire“. Wie ein roter Faden zieht sich durch all ihre Beiträge, die selbst in 1.5-facher Geschwindigkeit unerträglich paralysierend wirken, ein in Deutschland bewährtes Argumentationsmuster: Wer nicht denkt wie ich, der ist voll der Nazi.

Um den Anforderungen der Dialektik gerecht zu werden, gehört zum inflationär geäußerten Nazi-Vorwurf aber auch eine waschechte Nazi-Haltung. Auch hier ließ sich Bosetti nicht lumpen. Genüsslich kostete die Frau mit dem eisigen Blick die Macht aus, die ihr und ihresgleichen in der Hochphase des Corona-Regimes angetragen wurde.

Der Klumpfuß aus Rheydt und seine Schergen verglichen Menschen mit Ratten. Bosetti hingegen wollte nicht die Grenzen des Urheberrechts übertreten und griff stattdessen metaphorisch in die Kiste mit den Innereien. Der sich der Impfung verweigernde Volksschädling war ihrer Meinung nach ein Blinddarm, also „ziemlich weit rechts und ziemlich weit unten“. Aber sie vergaß nicht beruhigend nachzuschieben:

Und so ein Blinddarm ist ja jetzt nicht im strengeren Sinne essenziell für das Überleben des Gesamtkomplexes.

Empörend war aus Sicht der Anhänger von Bosetti natürlich nicht dieser Satz, sondern die Massen an „Hassbotschaften“, unter denen die Einpeitscherin begraben wurde. Wie gut, dass sie dafür ihren „Gauland-Ordner“ hatte. Bosetti durfte nach Aussagen wie dieser selbstverständlich beim Sender bleiben. Propaganda hat schließlich nicht die Aufgabe, zu überzeugen, sondern zu erniedrigen. Ihre nachgereichte Entschuldigung war entsprechend nicht der Rede wert. Blabla, war doch nur ein Joke, haha.

Von dem ganzen Corona-Theater ist nun nicht mehr viel übrig geblieben, und Leute wie Bosetti haben ein Problem. Ihre Wette aufs falsche Pferd lässt sich eben nicht so leicht kaschieren, wie das für Meier und Müller nach 45 der Fall gewesen ist. Ein falscher Bart und eine argentinische Staatsbürgerschaft sind keine Optionen für Bosetti. Auch der beflissene Hinweis darauf, nur Befehle empfangen zu haben, steht nicht zur Debatte. In Bosettis Welt ist sie und kein anderer der Tonangeber. Bosetti will auch weiterhin reden. Über Impfschäden und Deutungshoheit zum Beispiel. Denn Letztere entgleitet Leuten wie ihr zunehmend.

Ihr bleibt also nur die Flucht nach vorne, und dabei werden wir alle, ob wir es wollen oder nicht, Zeugen und Zuschauer einer ganz besonderen Posse: Bosetti und Konsorten mauern sich in den Trümmern ihrer Corona-Narrative ein. Denn die Experten haben auch weiterhin recht! Keiner (außer Lauterbach) hat behauptet, die Impfung sei nebenwirkungsfrei! Trotzdem ist die Impfung gut! Außerdem schützt die Impfung! Hallo, Regierung, wieso lässt du die Maßnahmen fallen? Das ist ja komisch, wie kann das sein, das ist ja komisch?!

Bosetti gibt jedenfalls nicht auf. Sie muss ja auch weiterhin von etwas leben. Außerdem hat sie Prinzipien. Und will reden. Das vor allem. Vielleicht schreibt sie ja nochmal ein Buch. Nicht so ein seichtes Entschuldigungs-Buch, wie der ehemalige Gesundheitsminister. Nein, Bosetti bleibt auch weiterhin der Typ für Kampfansagen. Immer gegen diejenigen ganz weit rechts und ganz weit unten. Gegen die Blinddärme. Es geht immerhin um den Gesamtkomplex. Ist Bosetti eigentlich geboostert? Wehe, wenn nicht…

Friedrich Fechter

Fechter studiert im Herzen Deutschlands und muss sich an seiner linksversifften Universität den typischen Gängelungen aussetzen. Er interessiert sich für Kunst, Geschichte und ist Meister der Halbsätze. Als Fechter das erste Mal ein Cover der Krautzone sah, hielt er das pixelige Layout für eine durchtriebene Werbestrategie. "Bestimmt", dachte er sich beim Durchblättern, "hier sind verschlagene Profis am Werk."


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