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Ukrainekrieg: Narrative, Propaganda, Dissonanzen

27. Februar 2022
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Nach drei Tagen Krieg haben sich die Narrative verfestigt: Da wäre einmal die russische Kriegsmaschinerie, deren Angriff an allen Orten steckenbleibt. Panzerwracks am Straßenrand, am Himmel explodierende Jets und dazwischen Kriegsgefangene, die völlig apathisch erzählen, dass man sie auf eine „Übung“ geschickt hätte. Das ist die Erzählung, die von den Angreifern handelt. Was erzählt man sich über die Verteidiger, was sieht man von ihnen? Sie stehen in langen Schlangen vor der Waffenausgabe, die basteln Molotov-Cocktails, sie schweißen Panzersperren. Jung, alt, männlich, weiblich – jeder verteidigt die Ukraine. Das sind faszinierende Bilder, das muss man zugeben. Das erinnert ein bisschen an Der Herr der Ringe, an die Verteidigung von Helms Klamm. Das sind Szenen, die zwar unendlich weit von unserer deutschen Lebensrealität entfernt sind, aber die dennoch mitreißend auf uns wirken, weil sie uns so seltsam vertraut erscheinen.

Das Internet ist voll mit diesen Bildern, unter jedem finden sich hunderte und tausende Kommentare, in denen auffahrend die Solidarität mit der Ukraine bekundet wird. Jedes neue Bild von brennenden „Russen-Panzern“ gilt als Beweis dafür, dass dieses Land dem Ansturm standhalten wird. Ob derweil der Panzer aus immer neuen Perspektiven gefilmt wird, ist dabei nicht so wichtig. Was, wenn die militärische Lage sich etwas heikler für Kiew darstellt, als verkündet?

Propaganda

Und hier sind wir bei der Propaganda angelangt, die diesen Krieg eigentlich schon seit 2014 begleitet und die jetzt – am 4. Tag der russischen Invasion – den Russen immer mehr aus der Hand zu rutschen droht. Im Netz kursieren Geschichten über den „Geist von Kiew“, einem ukrainischen Piloten, der sechs russische Jets abgeschossen haben soll. Man erzählt sich die Geschichte der 13 Verteidiger von „Snake Island“, die der russischen Marine auf die Kapitulationsforderung hin ein paraphrasiertes „Fuck off“ entgegneten, um anschließend ins Nirvana gebombt zu werden. Allein gestern sollen zwei große russische Transportmaschinen mit womöglich hunderten Fallschirmspringern über Kiew abgeschossen worden sein. Die Besatzer der Kiewer Flughäfen habe man außerdem rasch zurückgeschlagen.

Das alles sind Meldungen, die sich bisher entweder als Propaganda herausgestellt haben, oder zumindest nicht bestätigt werden konnten. Das werden sie in dem Kriegschaos womöglich auch nicht mehr, denn jede weitere Stunde überflutet uns regelrecht mit neuen Berichten über die heldenhafte Verteidigung der Ukraine. Die Medien greifen das ganze dankend auf. Das Informationsfront wird hier im Westen ganz eindeutig von Kiew, nicht von Moskau, dominiert.

Dissonanzen

Und hier wird es dann schizophren: Die Ukraine ist so unendlich nationalistischer gesinnt als unser Land, dass jede deutsche Solidaritätsbekundung, egal ob von linker oder rechter Seite, pures „Larping“ ist. Linke werden in diesem Augenblick mit einer Realität konfrontiert, die sie aus ihrer dominierenden Stellung in Kultur und Politik über Jahrzehnte aus den deutschen Köpfen herausgetrieben haben: Kriege werden von Kriegern geführt, nicht von transsexuellen Aktivisten. Der Regenbogen ist nicht die Fahne des Vaterlandes. Man opfert sich für die Familie und die Freiheit, nicht für den „Verfassungspatriotismus“ oder die „multikulturelle Gesellschaft“. „Slava Ukraini“ würde also auf unsere Verhältnisse übertragen „Ehre für Deutschland“ heißen – rufen Sie so etwas mal auf einem deutschen Kasernenplatz.

Die nächsten Monate und Jahre werden Verrenkungen und Zugeständnissen der deutschen Linken an das Militär zeigen und ich prognostiziere, dass man dort den Braten NICHT riechen wird, sondern dankbar die Streicheleinheiten entgegennimmt. Das Bedürfnis, gebraucht zu werden, ist in Deutschland nämlich überall sehr groß.

Zur deutschen Rechten: Große Teile derselben bewunderten Putin und Russland und machten daraus keinen Hehl. Ich habe in meinem vorangegangenen Beitrag von „infantil-dümmlichen Sympathien“ geschrieben, was dann auch rasch in den Kommentaren seinen Niederschlag fand:

„Nein, nicht wirklich! Es sind genau diese ukrainischen Soldaten – deren Batallione zum Teil eindeutige Nazisybole wie die Wolfsangel in ihren Bannern tragen! – welche im Donbass an den Genoziden der mit Russland sympatisierenden Bevölkerung beteiligt waren.“

Ich habe jetzt viel über ukrainische Propaganda geschrieben, die russische zeigt sich eben in solchen Beiträgen. Dass der Krieg in der Ukraine ein abgekatertes Spiel ist, dass der Maidan alles andere als eine unabhängige „Demokratiebewegung“ war, dass auch russlandfreundliche Gebiete ein Recht auf Sezession haben – geschenkt. Aber muss man deswegen dem russischen Narrativ von der Entnazifizierung und Vereitelung eines Genozids aufsitzen? Die Rechten sitzen im Ukrainekrieg zwischen den Stühlen, aber das muss nicht schlecht sein. In diesen Zeiten, in denen jeder einem etwas aufs Auge drücken will, ist Abstand und etwas Reflexion nicht die schlechteste Wahl.

Friedrich Fechter

Nachdem sich Fechter von den beiden Chefs die Leitung der Netzredaktion hat aufquatschen lassen, musste er mit Enttäuschung feststellen, dass die Zeiten von Olymp-Schreibmaschinen und reizenden Vorzimmerdamen vorbei sind. Eine Schreibmaschine hat er sich vom hart erarbeiteten Gehalt trotzdem gekauft. Und einen antiken Schreibtisch. Auf irgendwas muss man im Hausbüro schließlich einprügeln können, wenn die faulen Kolumnisten wieder ihre Abgabefristen versemmeln…

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