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Buchkritik: „Der Schrei der Hyänen“ (Robert Habeck)

11. Juni 2024
in 13 min lesen

Unser geschätzter Autor U. B. Kant hat einige Bücher von Robert Habeck zusammengeklaut, um sich ein eigenes Bild von dessen schriftstellerischen Künsten zu verschaffen. Ausgangspunkt dieses Vorhabens war die Frage, weshalb sich die etablierten Medien – immerhin offene Unterstützer des schöngeistigen Wirtschaftsministers – mit Rezensionen zu dessem Œuvres bisher zurückgehalten haben. Nun, Kant stieß schnell auf die Antwort…

„Der Schrei der Hyänen“ ist eine Familiensaga von Robert Habeck und Andrea Paluch aus dem Jahr 2004. Über fünf Generationen hinweg behandelt der Roman die Themen Kolonialismus, Rassismus, Sexismus und Erlösung von der deutschen Schuld durch die Entdeckung des eigenen Schwarzseins.

Handlung (Vorsicht, Spoiler!):

Arabella wacht 1904 auf der Farm Crewo in Deutsch-Südwestafrika auf. Eine trächtige Kuh schreit. Frank, ihr Ehemann und Kolonialist, quält die kalbende Kuh. Während Arabella zu Milde mahnt, beschimpft Frank das leidende Tier als „verdammte Niggerkuh“. In seiner Freizeit erschlägt Frank gern mal ein paar Pelzrobben. Das Muttertier stirbt an Franks Misshandlung. Frank freut sich über das männliche Geschlecht des Kalbes („Jetzt sind wir ein Mann mehr!“). Als Frank die angewachsene Zunge des Kalbes sieht, tötet er es trotzdem. Maliziös grinsend überlässt Frank seiner Gattin die Aufgabe, Kuh und Kalb einzukochen. So viel zur Eingangsszene dieser angehenden ARD-Serie.

Im Folgenden landet der Journalist Niels Ketelsen am Hamburger Flughafen und sucht Nele von Kavea in deren Villa im Treppenviertel, Blankenese auf. Niels will Nele erpressen, doch die weist ihm die Tür. Nele bespricht mit Paul, was mit Crewo geschehen soll. Hera und Jasper holen Cosima vom Frankfurter Flughafen ab. Jasper ist Cosimas weißer Mann. Cosima ist schwarz, während Tochter Hera weiß ist. Da schellt Nele an der Tür. Nele erklärt, Heras Urgroßmutter zu sein, weil sie die Mutter von Kriemhild war, die wiederum schon verstorbene Mutter von Cosima, die ihren Vater, also Neles Ehemann, nie kennenlernte, weil der am ersten Tag des Polenfeldzugs fiel und als strammes Parteimitglied Wagnerianer war, weshalb Nele den Namen Kriemhild wählte und Kriemhild ihre Tochter Cosima nannte, die zunächst Clemens vorgaukelte, Vater des Kindes zu sein, bis es sich bei der Geburt als schwarz herausstellte, so dass Clemens nicht der Vater sein konnte, so wie auch Paul nicht der Vater von Nele ist, was Nele aber nicht weiß, Paul aber schon und seit über achtzig Jahren geheim hält und jetzt geht es um die Farm in Afrika, auf der zur Zeit Niels wohnt. So schließt sich der Kreis.

Alles klar so weit? Nein? Das ist schlecht, denn wir erleben noch, wie Jasper Frau Tetzlaff beim Ausfüllen des Urlaubsantrages hilft und begleiten Gesa bei ihrem Alltag im Reisebüro. Fort arbeitet auch Cosima während Nele zwischendurch vor der Hamburger Kaufmannselite für die Abschaffung des Letztbestimmungsrechts des Vaters wirbt und Jahrzehnte später Hera mit der flachen Hand ins Gesicht schlägt, um Hera noch weiter für sich einzunehmen, nachdem sie ihr gerade erzählt hat, wie sie auf einer Safari mal Nashörner erschossen hat, was Hera gar nicht gut findet, was wiederum Nele nicht ins Konzept passt, weil Nele Cosima das Eigentum an der Farm aufdrängen will, damit Hera erbt, obwohl Cosima Niels jetzt schon ganz gut leiden kann. Ganz schönes Kuddelmuddel, nicht wahr?

Mal wieder teilt Habeck seine Geschichte nicht chronologisch mit, sondern bedient sich zahlreicher Zeitsprünge, die er nicht durch Kapiteltitel oder sonstige Zwischenüberschriften kennzeichnet. Teilweise springt Habeck sogar im selben Kapitel zwischen Kaiserreich, Adenauerdeutschland und Kohljahren hin und her. Dazu gesellen sich häufige Ortswechsel. Orts- und Zeitsprünge erzeugen eine oberflächliche Spannung, insbesondere bei vorsehbaren Fortgängen. Sie verdecken Anschlussfehler, Kontinuitätsbrüche und unschlüssiges Verhalten der Figuren, die sich bei chronologischer Darstellung als wirr und widersinnig entpuppen. Daher erlaube ich mir, den Tathergang halbwegs chronologisch zu ordnen:

Um 1900 hofft Arabella auf ein selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Leben in Deutsch-Südwestafrika. Bei ihrer Ankunft haben die weißen Männer bereits Karten um die angeschifften Damen gespielt und Frank alles mit der Farbe Rot verloren. So muss Frank sich mit Arabella begnügen. Zur Strafe nennt Frank Arabella nur „Rot“. Frank reist mit Arabella ins Landesinnere zur Farm Crewo, die Frank eigenhändig erbaut hat.

Frank vergewaltigt gerade die Tochter seines integren schwarzen Herero-Dieners, da flieht Arabella von der Farm. Allein und unbewaffnet läuft Arabella in die nächtliche Savanne. Rasch sieht Arabella sich von fauchenden Hyänen eingekreist. Die Bestien fletschen die Zähne, das Alphatier setzt schon zum Fangsprung an, da naht Rettung. Ein edler schwarzer Ritter tötet die Hyänen und lässt Arabella von dannen ziehen. Arabelle erinnert sich nicht an den Rückweg, aber sie findet die Farm in der Finsternis aber trotzdem wieder. Onkel Tom liegt tot in der Küche, Frank hat in Ruhe zu Ende vergewaltigt und schläft seinen Rausch aus.

Aber die Ruhe täuscht. Die Hereros unter Führung des edlen schwarzen Assa überfallen Crewo und töten alle Deutschen. Nur Arabella nehmen die Hereros als Geisel und ziehen sich in die Savanne zurück. Arabella lernt ihre Gefangenschaft unter den Schwarzen zu schätzen. Sie bringt den schwarzen Jungen das Fußballspielen bei, bildete eine multiethnische Mann-Frauschaft und findet Gefallen an den Blicken der schwarzen Jungen, wenn sie sich vor ihnen entkleiden muss. Der Sexappeal des edlen schwarzen Ritters tut sein Übriges …

Schließlich erfüllt Arabella ihre Funktion als Lockvogel für deutsche Soldaten. Die Hereros wollten die Deutschen in einen tödlichen Hinterhalt locken. Ausgezogen, um ihr Leben für das Arabellas zu geben, sterben die deutschen Soldaten durch Assas Hand. Ein Glück, denn Arabella identifiziert sich zunehmend mit den Hereros und hadert mit ihrer deutschen Herkunft. Mit Assa reitet Arabella zum deutschen Hauptquartiert und lenkt dort die Deutschen ab, derweil Assa einen Kapitänleutnant tötet, der Arabella nach Deutschsüdwest geschifft hatte.

Bei dieser Gelegenheit lernt Arabelle den schneidigen Oberleutnant Paul von Kavea näher kennen, den Sohn des Gouverneurs der Kolonie. Doch die Reichsregierung enthebt von Kavea seines Amtes und setzt stattdessen den sinistren Sethor ein. Sethor sinniert über die Freuden der Grausamkeit und vergewaltigt beinahe Arabella. Mit Paul heckt Sethor Pläne aus, denen MrWissen2go später noch das Giftgas hinzudichten wird. Ansonsten verstehen Arabella und Paul sich aber prächtig. Gut, Arabella setzt auch schon ein kleines Bäuchlein an und da der grunzende Gouverneur ja gar nicht zum Stich gekommen ist, kann das ja nur bedeuten, dass der gelackmeierte Paul sie jetzt zügig unter die Haube bringen muss. Gesagt getan, auch der Massenmord an den Hereros. Noch im selben Jahr bringt Arabella die kleine Nele zur Welt.

1916 kehren Arabella, Paul und Nele nach Deutschland zurück, wo Arabella bald eingeht. Im Nationalsozialismus fällt Neles Wahl auf irgendeinen Wagnerianer, dessen Name ich vergessen habe, der auf dem Polenfeldzug als erster Gefallener des gesamten Zweiten Weltkrieges stirbt. Als Nele die Todesnachricht erhält, setzen die Wehen ein. Zum Andenken nennt Nele ihre Tochter Kriemhild.

In den 1950er-Jahren treibt Kriemhild es mit irgendeinem Ami. Der Gelackmeierte heißt nun Jens, der im Barmbecker Krankenhaus feststellen muss, dass so ein Käsegesicht wie er nicht der Vater des schwarzen Mädchens sein kann. Nele rät zur Aussetzung. Jens und Kriemhild retten das schwarze Mädchen und nennen es ebenfalls zu Ehren des gefallenen Wagnerianers Cosima. Kriemhild kehrt mit Jens nach Crewo zurück und geht irgendwann vor die Hunde. Jens spielt für die nächsten 35 Jahre auch keine Rolle mehr, dafür aber Niels, der windige Journalist. Er war zufällig auf der Entbindungsstation und hat Fotos geschossen, die das schwarze Schaf der Familie einfangen.

Als Namibia in den 1980er Jahren seine Unabhängigkeit von Südafrika erlangt und den Tourismus ankurbeln will, wittert Niels steigende Grundstückspreise und will sich Crewo unter den Nagel reißen. Er fliegt nach Hamburg, um die greise Nele mit den Fotos von Cosimas Geburt zu erpressen. Nun nimmt Nele doch wieder Kontakt mit der in Frankfurt am Main lebenden Cosima und deren weißen Tochter Hera auf. Die Farm soll an Cosima gehen und nicht an den Erpresser. Cosima weist Nele zunächst ab, will die Farm dann aber doch haben. Cosima trifft auf den fast hundertjährigen, aber rüstigen Paul. Paul weiß längst, dass er nicht Neles leiblicher Vater ist, was er Nele aber seit über achtzig Jahren verschweigt, derweil Nele sich noch als Weiße unter Weißen wähnt. Paul findet Cosima und Hera trotzdem sehr sympathisch.

Auf verschlungenen Pfaden zwischen Gesas Reisebüroalltag, Jaspers Universitätsbürokratie und irgendwelcher Leute Landungsprobleme in Paris kommt es zum dramatischen Höhepunkt. Paul entscheidet sich nach all der Zeit, Nele kurz vor Ladenschluss doch noch reinen Wein einzuschenken. Nele erkennt, dass sie eine Schwarze ist. Um ihr irdisches Dasein doch noch als Weiße zu beenden, liefern sich Nele mit Cosima eine Art Wettrennen nach Namibia. Auf Crewo treffen sich Großmutter und Enkeltochter wieder. Es kommt zum Showdown. Nele fleht Cosima an, Crewo nicht an den Erpresser zu veräußern, doch vergeblich. Die Farm fackelt ab, Nele verbrennt mit samt ihren Lebenslügen zu Schutt und Asche.

Ach ja, was ich vergessen hatte: Kriemhild lebt doch noch. Paul trifft sich mit ihr, verschweigt ihr aber nach wie vor die Identität ihres schwarzen Großvaters. Am Ende streichelt Kriemhild seine Finger so „zärtlich, als wären sie schwarz.“

Stil:

Im Klappentext der hier zugrundeliegenden Ausgabe heißt es, Habeck erzähle „elegant und mitreißend.“ Wahrhaftig: Mitreißend wie seine Ansprachen, elegant wie sein Kleidungsstil, erzählt Habeck diese Geschichte, die vermutlich für ein Epos hält.

In „Der Schrei der Hyänen“ sind die Charakterisierungen der Figuren noch plumper als die Metaphern. Nichts muss der Leser sich selbst erschließen, nichts zwischen den Zeilen lesen, nichts bleibt in der Schwebe oder regte im Nachgang zu einer ergebnisoffenen Diskussion an. Seinen geistig nährstoffarmen Einheitsbrei kaut Habeck immer erst zigfach durch, spuckt ihn aus und tritt ihn platt, bevor er eine neue Figur einführt. Nehmen wir zum Beispiel das Stück Totholz, welches sich Nele von Kavea nennt. Wir treffen Nele das erste Mal bei der Gartenarbeit. Just in diesem Moment blickt die alte Dame auf ihr bewegtes Leben zurück. Und zwar so:

Aus der anfänglichen Neugier, wie sich das Erinnern wohl anfühlen mochte, diesem Staunen über das Gefühl, als strichen Watteflocken am Körper vorbei, war eine Leidenschaft geworden. Nele konnte nicht verstehen, dass einmal gelebte Momente sich so intensiv anfühlen konnten, dass ihr Gedächtnis Empfindungen der Haut hervorrufen konnten. Und sie meinte zu spüren, dass ihr Körper umso sensibler reagierte, je weiter die erinnerten Geschehnisse zurücklagen

S. 37

Wäre da nicht dieser Schmierfink von Gruner+Jahr, der das Foto von ihrem buchstäblich dunklen Familiengeheimnis geschossen hat.

„Nele strich über das Gesicht des Babys auf dem Foto und versuchte, es vom Schmutz zu befreien, verwischte jedoch einen Blumenerdkrümel und zog schwarze Schatten über das Bild ihrer Enkelin. Als sie die Tür des Gewächshauses hinter sich schloss, überlegte sie zum ersten Mal, die Rosenzucht aufzugeben. Reinheit durch Veredelung zu vergrößern, erschien ihr plötzlich ein unsinniges Unterfangen.“

S. 43

Wem das Bild von der Rassenhygienikerin mit der Rosenschere zu tief ist, dem sei hier versprochen: Bis zum Verbrennen in der Farm mit Schimpf, Schuld und Schande kommt kein komplexeres mehr. Ab jetzt greift Habeck gleich zur Brechstange:

„Seit der letzten Bürgerschaftswahl war sie Senatorin. Die Sozialdemokraten schätzen ihre preußische Härte.“

S. 83

In der Tat:

Sie legte gar keinen Wert darauf, gemocht zu werden, wohl aber Benimm. So funktionierte die Welt. Menschen setzten sich über ihre Abneigungen hinweg und täuschten einander ihre Achtung vor. Auf der Safari, die Hera ihr wieder ins Gedächtnis gebracht hatte, hatte sie erlebt, wie nutzlos Mitleid war.“

S. 113

Ihre post-imperialen Aggressionen lässt Nele sogleich an einem ihrer vielen Notare aus:

„Den rechten Brauenstrich halb gezogen, nahm sie den Hörer und meldete sich schroff. Leon Fries erkundigte sich, ob Cosima die Farm noch immer haben sollte. Nele bejahte knapp und militärisch. Im Endeffekt war Prinzipientreue immer käuflich.“

S. 115 f.

Jaja, schließlich hatte Cosima ihr schon so früh so viel Ärger bereitet.

„Die Hebamme legte das Baby ins Wärmebett, wobei der Sauger aus dem Mündchen fiel. Sofort krähte Cosima wieder. Nele beugte sich über das handtellergroße schwarze Köpfchen. Sonnlein dachte einen Augenblick, sie würde das Kind packen und in einen Mülleimer stopfen. Doch Nele drehte sich nur langsam zu ihrer betäubten Tochter um: „Mit einem Neger“, sagte sie angewidert.“

S. 133

Ha! Bist ja selbst einer!

Nele besaß nichts mehr, womit sie sich stützen konnte. Das Rüstzeug, mit dem sie Schwäche, Nachgiebigkeit und Wankelmut pariert hatte, hatte sie aus der sicheren Überzeugung bezogen, es gäbe einen Kern, der sich zu verteidigen lohnte. Und jetzt hatte ihr Vater alles auf den Kopf gestellt. Die Wurzeln ihres Stammbaumes zappelten als Zweige im Wind, sie selbst, Nele von Kavea war eine Schwarze, eine Negerin.“

S. 287

Das gibt doch gleich ein völlig neues Körpergefühl:

„Sie spürte ihre Kopfhaut, als würde Regen darauf tropfen, und sie fühlte ihre Wirbelsäule, als liefe Wasser innenwärts an ihr herunter.“

S. 287

Wir könnten noch andere Szenen begutachten. Etwa, wie Nele gegenüber Dritten ihre Ehe zusammenfasst:

„Er ist 1939 beim Einmarsch in Polen gefallen. Seine ganze Liebe galt Wagner.“

S. 70

Bevor Nele erkennt, dass es kein echtes Leben im weißen gibt:

Mit dem Haus verbrannte der letzte Beweis Neles weißer Kindheit. Ihre Familie, ihr Stolz, ihr Adel und ihr Denken waren ein Irrtum gewesen. Sie hatte ihr Leben lang nach Idealen gestrebt, die sie nie erreichen konnte und die, wie ihr jetzt schwante, nie wirklich einen Wert hatten, nicht für sie und für niemanden sonst.

S. 295

Womit wir zum grundlegendsten Makel dieses Romans kommen: Habeck verachtet den Stoff seiner Geschichte, insbesondere seine Figuren und die Zeit, in der sie zu leben vorgeben. Denn welches Bild zeichnet Habeck von Deutschland, das

„(…) von oben (…) aus(sah), als hätte jemand einen Mülleimer ausgekippt“?

S. 32

Noch schlechter als jenes über Frankreich, dessen Hauptstadt zwar 1988 bereits gefallen war:

„Er atmete die Atmosphäre der Einsamkeit, umgeben von Menschen, die wie er in einem halbleeren Flugzeug dösten (…) Paris lag wie ein umgestürzter Weihnachtsbaum unter ihnen.“

S. 252

Aber immerhin sind Franzosen keine Deutschen, in Habecks Geschichte ein Wert an sich. Deutsche sind Habecks Projektionsfläche, auf der er seinen Ekel zeigen und ergriffen angesichts des eigenen Ekels sein kann, hechelnd um Abbitte und Anerkennung von wem auch immer. Die Niederschlagung des Herero-Aufstandes – schon damals umstritten und kein deutsches Ruhmesblatt – nutzt Habeck lediglich als Aufhänger zur Generaldenunziation. Auch jenseits des Waterbergs und vor 1968 erfindet Habeck Deutsche fast ausschließlich, um sie dafür zur bestrafen, dass sie so, wie er sie erfunden hat, nicht seinen moralischen Erwartungen entsprechen. Hasste Thomas Mann das Lübecker Bürgertum des 19. Jahrhunderts? Verabscheute Josef Roth die späte Donaumonarchie? Habeck tut genau das, nicht nur mit dem Kaiserreich. Er kanzelt auch die junge Bundesrepublik als moralisch ihm nicht gewachsen ab. Für deren Beschreibung muss der erhabene Habeck dann aber doch die meistbenutzten Standardfloskeln aus seiner „Süddeutschen Zeitung“ abkupfern:

Deutschland war, als Sie geboren wurden, muffig bis in die geknickten Sofakissen. Kriemhild hat unter diesem Land ohne Luft gelitten, dem ganzen konservativen Schmodder, unter Neles Preußentum und der fehlenden Mutterliebe.

S. 75

Aus dieser Mentalität heraus kann grundsätzlich kein literarisches Werk entstehen, egal, ob obendrein noch

Diamanten aus Regentropfen (…) auf dem Glas (klebten)

S. 55

oder

Clemens‘ Krawatte (…) wie ein Ausrufezeichen unter seinem Kinn (stand)

S. 121

und

der Mond in dem orangenen Stadthimmel über Frankfurt schwindsüchtig (war).

S. 301

Wie in den Werken einer quotierten Hausautorin am Subventionstheater sinkt bei Habeck die Integrität einer Figur umso tiefer, je weiter die Figur sich von der politischen Meinung des Verfassers entfernt. Ganz im Stile eines ZDF-Dreiteilers muss gleichzeitig mindestens eine Figur auftreten, die ihrer Umwelt geistig und moralisch überlegen sein soll. Überlegen, weil sie der herrschenden Sozialmoral des Veröffentlichungszeitpunktes gerecht wird, nicht aber den Maßstäben derjenigen Zeit, in der dieser Fremdkörper die politischen Parolen der Zukunft aufsagt. Zum Beispiel Charly, Arabellas feministische Freundin und kecke Ladenbetreiberin:

Die einzige weiße Frau, die ein selbstbestimmtes Leben für sich realisiert hatte, war Charly (…). Charly war unverheiratet und hatte vier oder fünf schwarze Liebhaber. Sie kleidete sich wie ein Mann, rauchte Zigarre und war eine der wenigen Frauen, die nicht als angeworbene Braut nach Südwest gekommen war, sondern allein auf eigene Verantwortung. Für Frank repräsentierte sie ein Mischmach aus Verlotterung der neuen Zeit, die er verabscheute, und er duldete seine Nachbarin nur, weil die Weißen in Südwest zusammenhalten mussten. Obwohl Charly sie behandelte wie eine Freundin, hatte Arabella nicht das Gefühl, sich ihr anvertrauen zu können. Dazu gab es zu viel, was Arabella an ihr bewunderte.“

S. 91

Diese rückwirkende Maßstabsverschiebung wäre selbst dann unredlich, wenn Habeck die Maßstäbe der Zeit kennen würde, die er demonstrativ verachtet. Aber für wie viel Genauigkeit und Detailschärfe reichen Habecks Kenntnisse über die Deutschen der vorletzten Jahrhundertwende? Nun, für einen Tummelplatz der Pappnasen aus dem Kasperletheater der Nachgeborenen, die ihre „Spiegel“-Lektüre mit Expertenwissen verwechseln, das zur Nachverurteilung berechtigte.

Zum Beispiel Arabella, die geschundene Heilige mit den Textbausteinen des Jahres 2004. In Habecks Wunschdenken über das Leid einer Gebärmaschine im Patriachat wandert Arabella so nach Deutsch-Südwestafrika aus:

Sie musste ein Leumundszeugnis vorlegen und bestätigen, dass sie kochen, waschen und putzen konnte. Kommentiert wurde aber nur ihr Äußeres. „Ein schönes Muttervieh“, freute sich der Beamte und klemmte sein Monokel ins Auge, als er ihren Namen in eine Liste malte.“

S. 15

Dann trifft Arabella auf Paul, der trotz des preußischen Gymnasiums nur so weit denken kann, wie die Assoziationen in Habecks Bruchstückbildung reichen:

Rassische Verwandtschaft hat weniger mit der Hautfarbe als vielmehr mit dem Charakter eines Volkes zu tun. Es gibt genaugenommen drei Varianten von Schwarz hier in Südwest. Das Schwarz der Hottentotten ist gelblich, das der Hereros ist braun, und richtig schwarz sind die Klippkaffer. Kennen Sie Goethes Farbenlehre?“

S. 24

Und irgendwas war da doch mit diesem Bismarck auf dem einen Bild da. Genug Information, um die fiktiven Vorfahren an diesem Wissensfetzen aufzuziehen:

Lächerlichkeit und Heimtücke lagen bei ihm dicht beieinander, während des ganzen Gesprächs nach er Schlacht fummelte er an dem Stuhl herum. Paul war zum Sekretär ernannt worden, die anderen Offiziere ahmten den Aufmarsch im Spiegelsaal von Versailles 1871 nach (…).“

S. 282

Und derweil die deutschen Männer um 1900 nonstop fluchen, furzen und rülpsen, begreifen sie gar nicht, welche Gesellschaftsexperimente Habeck ihnen für das 20. Jahrhundert empfehlen könnte:

Die Hereros, das sind alles Sozialisten“, stellte Georg fest. Aber das war nicht lustig gemeint. Sozialisten, da waren sich alle einig, gehörten aufgehängt.“

S. 97

So hält der Mann, der nur in Klischees denken und nur in Phrasen schreiben kann, sich wieder einmal für einen großen Mahner, der sorgenvoll eine höhere Erkenntnis verkünde:

Vielleicht wollte ihr Urgroßvater für den Kaiser Frankreich erobern oder den Ural. Und wahrscheinlich wollten sie nicht unter einer Fremdherrschaft leben. Heimat ist für die Deutschen vor allen Dingen da, wo man das Sagen hat.“

S. 291

Fazit:

Ich hatte eine Farm in Afrika… und einen Kurs an der Schreibschule Hildesheim.

U. B. Kant

Der U. B. Kant wurde 2009 erst zwei Tage nach der Bundestagwahl volljährig, sonst hätte er noch mit beiden Stimmen die Steinmeier-SPD gewählt. Heute lebt der U. B. Kant im besten Deutschland, das es jemals gab, und möchte sein Gesicht bei freien Meinungsäußerungen lieber verbergen. Seinen Ahnen entsprechend setzt es sich zusammen aus Lüneburger Heidjen, Ostwestfalen und Ostpreußen. Schädelvermesser könnten angesichts einer solch feinsinnigen Vereinigung der Schöngeister ablesen, dass der U. B. Kant die gesammelten Werke von Shakespeare, Schiller und Sophokles nicht nur dekorativ im Bücherregal stehen, sondern deren Lektüre auch nach zehn Seiten abgebrochen hat.

6 Comments

  1. Woher weiss der Verfasser, dass der Schund auf Habecks Mist gewachsen ist, könnte nicht eher die angetraute Habecks dieses illustre werk verbrochen haben?

  2. Wie konnte nele die ganze Zeit schwarz sein, ohne es zu merken? Und wie haben sie es dann herausgefunden? DNA-TEsts waren doch noch nicht so weit in den 80ern.. scheinbar sah sie ja so weiß aus, dass niemand je auf die Idee kam, sie sei nicht weiß.

  3. Nele nennt ihre Tochter „Kriemhild“, weil deren Vater Wagnerianer war? Wieso das? Soweit mir bekannt ist, kommt im gesamten Wagnerschen Werk keine Kriemhild vor, auch in Wagners Umfeld ist mir keine Kriemhild bekannt. Kriemhild ist zwar eine zentrale Figur in der Nibelungensage, aber in Wagners Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen“, der lose auf der Sage beruht, taucht sie nicht auf.

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