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AfD oder System – Wer hat den längeren Atem?

14. Februar 2024
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Die Medien bangen schon länger: Wird die AfD erst in den östlichen Bundesländern und dann in der gesamten Republik noch mehr Stimmen bekommen, dann war‘s das mit der Demokratie. Der Reichstagsbrand 2.0 wird kommen, alle Flüchtlinge werden aus Deutschland deportiert, und die AfD wird Fackelzüge durch Berlin veranstalten…

Um dagegen zu protestieren, wurden in den letzten Monaten viele Demonstrationen in den größeren Städten Deutschlands abgehalten, bei denen sich ein breites Bündnis gegen rechts positionierte und klarmachte, dass es sich mitsamt der Regierung nun offiziell im Widerstand befindet. Welches Szenario wird nun eintreten? Schafft die AfD, sobald sie an der Macht ist, die Demokratie ab, oder verbietet das breite Bündnis vorher Wahlen, um die AfD nicht an die Macht kommen zu lassen?

Einen wahrscheinlich realistischeren Blick in die Zukunft bietet der in den Süden. Bereits 1983 durfte die österreichische blaue Partei, die FPÖ, dort zum ersten Mal an der Regierung mitwirken. Seitdem war sie fünfmal (1983 bis 1986, 1986 bis 1987, 2000 bis 2003, 2003 bis 2005, 2017 bis 2019) in einer Regierungskoalition. Wirklich Panik bekamen Presse und NGOs 1993, als die FPÖ unter Jörg Haider, einem der Vorreiter des modernen Rechtspopulismus, ein Volksbegehren namens „Österreich zuerst“ anstrengte. Kurz davor hatte das österreichische Magazin „Profil“ auf seinem Cover, angelehnt an den faschistischen Marsch auf Rom unter Mussolini, den „Marsch auf Wien“ von Haider prophezeit.

Auch in Österreich schloss sich daraufhin eine breite Schicht aus linken, grünen, liberalen und religiösen Institutionen und NGOs zusammen, um gegen rechts zu demonstrieren. Das Bündnis konnte 200.000 bis 300.000 Menschen in Wien mit Lichtern auf die Straße bringen – die bis heute größte Demonstration Österreichs. 

Als es im Jahr 2000 dann zur schwarz-blauen Koalition unter maßgeblicher Beteiligung Jörg Haiders kam, schien es endgültig so weit: Der Faschismus war wiedergekommen. Das „SZ-Magazin“ veröffentlichte ein Quiz, in dem man Aussagen Haiders und Hitlers unterscheiden sollte („Berlin direkt“, die Amadeu Antonio Stiftung und andere haben inzwischen diesen „Witz“ auch mit Björn Höcke versucht). Die damals 14 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union strengten Sanktionen gegen Österreich an, doch die Regierung kam zustande – auch wenn sich Haider nach Kärnten absetzte.

Österreichs Demokratie ging damals nicht unter, und es sieht auch nicht so aus, als ob sie heute gefährdet ist. Und das, obwohl die FPÖ unter dem politischen Hardliner und „Volkskanzler“ Herbert Kickl so strenge Töne anschlägt wie schon lange nicht mehr – und damit bei Umfragen teilweise bei über 30 Prozent steht. In Österreich finden in diesem Jahr wieder Wahlen statt. Ob diese Situation auch zu Demonstrationen führen wird wie in Deutschland?

Unwahrscheinlich. Das Narrativ der extremistischen Demokratiefeinde und der Hang zur Nazizeit haben sich schlichtweg abgenutzt. Die FPÖ ist in Österreich im Laufe der Zeit viel akzeptierter geworden. Inzwischen kennt jeder einen FPÖ-Wähler, das Schreckensbild kann der Realität nicht standhalten.

In Deutschland werden die Verteufelungen, die Angst vor den bösen Rechten und die Demonstrationen wahrscheinlich noch etwas anhalten, hier hat der Nazivorwurf noch Denunziationspotenzial. Nach den ersten Regierungsbeteiligungen wird der „Dammbruch“ noch einmal einen Aufschrei geben, der nach und nach verhallen wird. Spätestens wenn die AfD unter Beweis stellt, dass auch sie Realpolitik betreiben und nicht nur Opposition sein kann, werden die Umfragewerte wahrscheinlich auch wieder zurückgehen und ansteigen, je nach dem Verhalten der deutschen Regierungen. Was bleiben wird, ist die langsame Normalisierung einer Politik, die ein wesentlicher Anteil des Wahlvolks umgesetzt sehen will. Ein paar Regierungsbeteiligungen später werden in Deutschland auch die letzten Demonstrationen ausbleiben, weil keiner mehr kommen wird. Ein vergleichsweise langweiliges, aber durchaus realistischeres Zukunftsszenario.

PhrasenDrescher

Der Phrasendrescher - wie könnte es anders sein - promoviert derzeit interdisziplinär in der Philosophie und der Politikwissenschaft. Als glühender Verehrer von Friedrich Nietzsche weiß er, dass man auch Untergänge akzeptieren muss und arbeitet bereits an der Heraufkunft neuer, stärkerer Werte.

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