Dunkel
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And the Oscar goes to…

27. März 2022
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Am Morgen des 4. April 1978 war Woody Allen seiner Zeit um Jahrzehnte voraus. Der zurückliegende Abend hatte lange gedauert, die allmontägliche Jazz-Session im New Yorker Carlyle Hotel sich ziemlich lang hingezogen. Woody und seine Kumpels waren echt gut drauf gewesen, das Publikum sowieso. Und nun war der Dienstagmorgen angebrochen und auf der Fußmatte lag wie gewöhnlich eine Ausgabe der „New York Times“, die Woody Allen schon auf der Titelseite erzählte, wie der gestrige Abend gelaufen war. Also nicht bei der Jazz-Session mit den Kumpels in New York, sondern in Los Angeles. Bei der Oscarverleihung. Und siehe da, Woody Allens Film „Annie Hall“ (Deutscher Titel: „Die Stadtneurotiker“) war der große Gewinner des Abends gewesen.

Zugegeben, in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“ war Woody Allen leer ausgegangen, aber in den nicht minder prestigeträchtigen Kategorien „Beste Regie“ und „Bestes originales Drehbuch“ hatte er gestern Abend abgesahnt. Erfreut nahm Woody Allen den Sieg seiner Muse Diane Keaton für die Titelrolle der Annie Hall in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin“ zur Kenntnis, da er wusste, wie wichtig ihr dieser Preis war und wie nützlich er noch werden könnte, wenn Diane die für Schauspielerinnen kritische Marke von 40 Jahren überschritten hätte.

Dann widmete Woody Allen sich dem Drehbuch für seinen nächsten Streifen „Manhatten.“ Mit „Annie Hall“ hatte Woody Allen sich seit der Kinopremiere im letzten Jahr nicht mehr beschäftigt und die breite Masse des amerikanischen Publikums weder davor noch danach. Die Presse überschlug sich mit Geschichten über den frischgebackenen Oscarpreisträger, der die Eitelkeit besessen hatte, die Einladung zur Oscarverleihung trotz mehrfacher Nominierungen einfach sausen zu lassen. So sollte Woody Allen es auch in den folgenden Jahrzehnten halten, da er und seine Filme ständig mit Nominierungen in den tollsten Kategorien bedacht wurden, ohne dass Woody sich auch nur bei einer einzigen Oscarverleihung blicken ließ, auch nicht 1987, als er für „Hannah and her sisters“ (Deutscher Titel: „Hannah und ihre Schwestern“) schon wieder in der Kategorie „Bestes originales Drehbuch“ gewann.

Erst im Frühling 2002 ließ Woody sich zu einer Ausnahme überreden, da die Oscarverleihung ganz im Zeichen der Stadt New York und ihrer Wunden vom 11. September 2001 stehen sollte. Da durfte der bekennende Sohn der Stadt nicht fehlen. Bei der Oscarverleihung 2012 glänzte Woody Allen hingegen schon wieder mit Abwesenheit, als er für „Midnigt in Paris“ abermals den Oscar für das beste originale Drehbuch abräumte. Aber was sollte Woody tun? Die Kumpels bei der Jazz-Session im Stich lassen?

Nur das Gerücht, Woody Allen habe seine eigene Adoptivtochter geheiratet, hält sich bis heute noch hartnäckiger als der Vorwurf, Woody Allen wolle mit seiner demonstrativen Ignoranz gegenüber dem mit Abstand begehrtesten Filmpreis der Welt lediglich eine Starallüre der besonderen Art für bedienen; ein Zeichen an sein snobistisches Publikum setzen, das wahrscheinlich zu 90 Prozent aus Akademikerinnen in Westdeutschland und Paris bestünde.

Doch weit gefehlt, selbst wenn jeder Woody-Allen-Film allein in Paris mehr Zuschauer ins Kino lockte als in den gesamten USA. Woody Allen hatte einfach nur schon 1978 die Sinnlosigkeit dieses Preises erkannt. Aber lassen wir den Meister doch einmal in seiner Biographie „Ganz nebenbei“ aus dem Jahr 2020 selber zu Wort kommen:

Er [der Film „Annie Hall“, Anm. U. B. Kant“] wurde für mehrere Oscars nominiert. Am Abend der Verleihung spielte ich Jazz in New York – den „Jackass Blues“, den King Oliver berühmt gemacht hat, das weiß ich noch. Aber auch ohne den Auftritt als Ausrede wäre ich nicht hingegangen. Ich halte nichts von Preisen für Kunst. Kunst macht man nicht für Wettbewerbe, sondern um einen Drang zu stillen – und hoffentlich ein paar Leute zu unterhalten. Das Urteil irgendwelcher Klüngel über den besten Film, das beste Buch oder den wertvollsten Schauspieler interessiert mich nicht die Bohne. Aber ich will für dieses Thema nicht noch mehr Schreibmaschinenband verschwenden…“

Woody Allen, „Ganz nebenbei.“, S. 218, Hamburg 2020. Aufgrund unbewiesener Missbrauchsvorwürfe von 1992 nicht veröffentlicht. Forderungen nach Zensur in Deutschland unter anderem von Margarte Stokowski und Sascha Lobo.

Bereits beim Presserummel 1978 vertrat Woody Allen die Auffassung, Kunst sei etwas viel zu subjektives, um objektiv in Kategorien wie „Bestes originales Drehbuch“ oder „Beste Regie“ verglichen zu werden. Diese Subjektivität unterscheide die Kunst vom Sport. Hier könne jeder objektiv feststellen, wer schneller läuft und weiter springt. Und diese Wettbewerbe habe er damals auf dem Schulhof, der hypochondrischen Kunstfigur Woody Allen zum Trotz, immer gewonnen.

Und welche Oscarverleihung hätte sich besser geeignet, deren Absurdität zu karikieren, als jene von 1978? Woody Allen selbst vermutet, sein Film „Annie Hall“ sei bis heute vielleicht einer der Filme mit dem geringsten Einspielergebnis, der jemals den Oscar in der Kategorie „Bester Film“ gewann. Aber um „Star Wars“ mit seinem Milliardenpublikum auszustechen reichte es. Woody Allen stach in den Kategorien „Beste Regie“ und „Bestes Drehbuch“ den ebenfalls nominierten George Lucas aus. Zugegeben, der beste Schauspielführer ist George Lucas mit seiner angeblich einzigen Anweisung („You know, faster and more intense!“) nie geworden und auch wenn es um das Schreiben von Dialogen geht, dürfte Woody Allen („Das Essen in diesem Restaurant schmeckt grauenhaft und die Portionen sind zu klein“) George Lucas überlegen sein („Gouverneur Tarkin. Ich hätte drauf können müssen, dass Vader nach Eurer Pfeife tanzt. Ich habe Euren fauligen Gestank schon erkannt als ich an Bord gebracht wurde“ „Hm. Charmant bis zuletzt.“). Aber „Die Stadtneurotiker“ als besten Film des Jahres dem Urknall des „Star-Wars“-Universums vorziehen?!

Natürlich war es nicht die erste und blieb auch nicht die letzte zweifelhafte Entscheidung der Oscar-Jury. Im Katastrophenjahr 1968 atmete der Film frischen Wind. Nicht dank der RAF-Sympathisanten im westdeutschen Subventionsfilm, dafür im amerikanischen Horror-Genre mit Roman Polanskis „Rosemaries Baby“, im Italo-Western durch Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“ und allen voran in der Science Fiction dank Stanley Kubricks „2001-Odysee im Weltraum“. Den Oscar als bester Film des Jahres 1968 gewann dann aber der Kostümfilm „Oliver“. Schon mal gesehen? Ich auch nicht.

Im Jahr 1995 hätte die Jury derartig aus dem Vollen schöpfen können! 1995 ließ Martin Scorsese „Casino“ vom Stapel, jagten sich Al Pacino und Robert De Niro in Michael Manns „Heat“ bei Nacht und Scheinwerferlicht über den Flughafen von Los Angeles, reichte der Besiegte dem Sieger noch im Augenblick des Sterbens auf eine respektbekundende Weise die Hand, wie sie nur in der Männerwelt vorkommen kann. Und hätte Oliver Stone nur auf zehn Minuten seines linken Bekehrungs-und Gesinnungskitsches verzichtet, ihm wäre mit „Nixon“ eine Tragödie von fast Shakespeare’scher Größe gelungen. Aber der Oscar für den besten Film des Jahres ging dann an „Braveheart“ und keiner weiß warum. Wahrscheinlich weil US-Amerikaner schon immer ihre seltsamen Vorlieben für Unabhängigkeitskämpfe gegen die englische Krone hatten. Und mit „Shakespeare in Love“ von 1998 fangen wie hier gar nicht erst an…

Ich habe keine Ahnung, wer dieses Jahr bei den Oscars nominiert ist, aber wer auch immer in der Kategorie „Beste Regie“ leer ausgeht, er kann sich darüber hinwegtrösten, so wenigstens in einer Reihe mit Regisseuren wie Ernst Lubitsch, Fritz Lang, Alfred Hitchcock, Stanley Kubrick, Sergio Leone oder Sidney Lumet zu stehen, die allesamt nie einen Regie-Oscar gewannen. Vielleicht gehört ja bald auch Ridley Scott dazu. Soviel zur Güteklasse des Regie-Oscars.

Ebenso lächerlich hätte sich die Jury beinahe in den Kategorien „Beste (adaptierte/originale) Filmmusik“ gemacht, als sie den Jahrhundertkomponisten Ennio Morricone wieder und wieder und immer wieder leer ausgingen ließen – selbst für dessen zauberhafte Klänge in dem Kolonialfilm „The Mission“ von 1986, in dessen Rahmen die Hauptfigur vielleicht zu Recht bemerkt, ein einziges Orchester hätte genügt, um einen ganzen Kontinent zu erobern. Für die großen Melodien in „Spiel mir das Lied vom Tod“, „1900“, „Es war einmal in Amerika“ oder „Cinema Paradiso“ wurde Morricone gar nicht erst nominiert. Kurz vor Morricones Tod kratzte die Jury gerade noch die Kurve und verlieh Morricone für die solide Auftragsarbeit zu Quentin Tarantinos „The Hateful Eight“ einen Goldjungen, der in Wahrheit ein verkappter Lebenswerk-Oscar war.

Aber für verkappte Lebenswerk-Ehrungen wurden die Kategorien „Bester Nebendarsteller“ oder „Beste Nebendarstellerin“ ja auch regelmäßig zweckentfremdet. Immer wieder in großen Rollen glänzen und dafür gar nicht erst nominiert werden, bei den Hauptrollen-Oscars mehrmals leer ausgehen – aber am Ende für drei, vier anständig dargebotene Szenen den Nebenrollen-Oscar gewinnen. Ja, vielen Dank auch! Der selige Robin Williams kann sich zu „Good Will Hunting“ ja nicht mehr äußern, aber sprechen Sie bei Gelegenheit mal die wunderbare Judy Dench auf ihre Rolle in – ach nein, mit „Shakespeare in Love“ wollten wir hier ja gar nicht erst anfangen. Aber die Dame weiß, was ich meine.

Warum ich dann doch mit so viel angelesenem Wikipedia-Wissen über diesen ach so unwichtigen Preis protze? Weil ich die Oscars geliebt habe. Ja wirklich, schon als Kind haben sie mich fasziniert. Die ansprechende Ästhetik der Trophäe selbst, die ansprechende Ästhetik seiner Gewinner außer in der Kategorie „Beste visuelle Effekte“, das Abendessen der Nominierten, die Wetten und Debatten im Vorfeld, der Abend selbst, der Umschlag mit dem Namen des Gewinners, die angespannte Stille, der anschließende Glorienschein des Siegers, das aufgesetzte Lächeln der Verlierer. Die Debatten, warum die Jury dieses Jahr wieder mal alles falsch entschieden habe. Die klare Einteilung in Frauen und Männer bei den Schauspiel-Oscars, wohl wissend, wie viel härter der Konkurrenzkampf bei den Männern gewesen war, es überhaupt unter die fünf Nominierten zu schaffen, während bei den Frauen Jahr für Jahr erkennbare Verlegenheit darüber herrschte, mehr als drei herausragende Leistungen zusammenzukratzen. Ach, war das immer schön!

Und jetzt ist alles vorbei. Die Einschaltquoten befinden sich im freien Fall, vielleicht wird der Oscar bald gar nicht mehr im Fernsehen ausgestrahlt, genau wie sein kleiner Bruder Golden Globe, und die Gewinner werden dann per Fax informiert. Der Gang des Siegers auf die Bühne nach Verlesung seines Namens ist schon heute nicht mehr jener weihevolle Moment, der ein Leben in ein Vorher und ein Nachher einteilt und das Vorher nachher so erscheinen lässt, als sei es von Anfang an auf diesen heraushebenden Moment zugelaufen. Die Bilder zeitgenössischer Oscarverleihungen ähneln noch ein bisschen jenen aus den besseren Zeiten, von deren Mythos sie von Jahr zu Jahr weniger zehren.

Die Oscars sind auf das Niveau einer staatlichen Plagiatssendung in Deutschland herabgesunken und versprühen kaum mehr Esprit als die „Lola“ oder der Grimme-Preis, anlässlich derer die Sozialisten am Tropf von GEZ und Filmförderung über einen roten Teppich flanieren, vor den aktuellen Kameras von ARD und ZDF ihre Betroffenheit über den Rassismus/Sexismus/Klimawandel kundtun und bei gefühlt null Fernsehzuschauern um GEZ-finanzierten Preise für komplett steuerfinanzierte Propagandafilme wetteifern, die, oft nicht nur gefühlt, null Kinozuschauer angelockt haben. Willkommen im Lipsi-Land.

Ich selbst bin zu faul, um dieses Jahr die Namen der Nominierten zu googeln, werde nicht noch einmal um drei Uhr nachts aufstehen und mich durch unzählige Werbepausen quälen. Im Frühjahr 2016 gab ich bei einer Telefonumfrage noch spontan an, die drei wichtigsten Themen seien für mich im Moment die sogenannte Flüchtlingskrise, die sogenannte Inklusion an unseren öffentlichen Schulen und die Oscar-Verleihung. War ja auch wichtig, ob Leonardo DiCaprio es mit „The Revenant“ endlich schaffte.

Dabei hatten 2016 schon die Trends eingesetzt, die mir den Spaß an den Oscars vergällten. Wie bei Hänsel und Gretel steht bei den Oscars am Anfang allen Übels die Inflation. Der Reiz der Oscars war immer ihre Verknappung. Die Academy vergibt sie nur einmal im Jahr und in jeder Kategorie gilt: Es kann nur den Einen geben. Schon eine der fünf Nominierungen zu ergattern galt als Auszeichnung, die 2010 verwässerte, als die Anzahl der nominierten Streifen für den „Besten Film“ auf zehn anschwoll. Tja, und schon ist die Nominierung als solche nur noch halb so prestigeträchtig.

Von da an ging es nur noch bergab. Die Oscars für die besten Schauspieler gingen fortan ständig an die Darstellungen historischer Figuren, die unter irgendeinem Tick, gern auch unter einer ausgewachsenen Krankheit leiden wie Collin Firth als stotternder König Georg VI., Meryl Streep als halluzinierende Margaret Thatcher oder Gary Oldman als volltrunkener Winston Churchill. Außer natürlich Daniel Day-Lewis als edelmütiger Sklavenbefreier Abraham Lincoln. Und doch wäre all das alles noch erträglich gewesen, denn wozu sind Oscarverleihungen schließlich da, wenn nicht, um nachher in der Pose des genervten Gelehrten über die fachlichen Fehlentscheidungen der Jury zu schimpfen? Oder über deren weiße Hautfarbe wie heutzutage.

Womit wir bei der elenden Politisierung wären. Erst musste ständig der Moderator der Show gewechselt werden, weil der ursprüngliche Kandidat früher einen Witz über Schwule gerissen oder die vermeintliche Größe seines Gemächts gelobt hatte. Oder überhaupt ein Gemächt besaß. Dann geriet die Show endgültig zur evangelischen Kirchentagspredigt. Was früher Ausnahme gewesen war, mauserte sich mehr und mehr zur Regel. Gewann früher ein Werk den Oscars als „Bester Film“, hatte es in der Regel auch zahlenmäßig die meisten Oscars abgeräumt. Seltene Ausnahmen bildeten „Die Stadtneurotiker“ und sogar „Der Pate“. Aber warum sollte der angeblich beste Film des Jahres nicht auch die meisten Oscars gewinnen, wenn er doch der Beste sein sollte?

Weil die politische Haltung bei einem anderen Nischenfilm besser stimmte! Achten Sie mal darauf, wie häufig in den letzten Jahren der Gewinner des „Besten Films“ sonst in kaum einer anderen Kategorie gewann, außer in den Kategorien „Bestes (adaptiertes/originales) Drehbuch“, weil auch in diesen Kategorien die viel berüchtigte Haltung stimmte. Musik und Maske, Kostüme und Kulissen erfordern dann eben doch noch zu viel handwerkliches Können jenseits eines Bekenntnisses zur richtigen Gesinnung.

Da geht 2016 ein Streifen wie „ The Revanent“ als bester Film des Jahres leer aus, damit ein belangloser „Spotlight“ abräumen darf, der weder den Kampf zwischen Weißen und Indianern, noch den des Menschen gegen die Natur im Amerika des 19. Jahrhunderts erzählt, dafür aber den Todesmut besitzt – Achtung! Achtung! Anschnallen! – die katholische Kirche zu kritisieren. Bähm! Das muss sich erst mal einer trauen! 2016 war auch das Jahr des #OscarSoWhite, unter dessen Kürzel allerlei Verschwörungstheorien wucherten, warum wohl im Qualitätswettbewerb einer privatwirtschaftlichen, nicht mit Steuergeldern subventionierten Kreativitätsindustrie so oft Weiße obsiegen? Nach Donald Trumps Wahlsieg 2016 gab es kein Halten mehr. Jede Dankesrede geriet zur Bußpredigt an das ekelhaft weiße Mehrheitspublikum, sich gefälligst seinen immerwährenden Rassismus abzugewöhnen. Multimillionäre, die mit dem Privatjet nach L. A. zur Preisverleihung geflogen waren, forderten, „wir“ im Sinne von „ihr“ müssten mal mehr Armut durch Verzicht wagen, um „das Klima“ zu retten.

Da rutschte eine lebende Legende wie Meryl Streep auf Iris-Berben-Niveau ab, indem sie sich in einem Saal voller Gleichgesinnten zur letzten Bastion der Pressefreiheit stilisierte. Schließlich brachte Meryl Streep es, unter Zusammenkratzen allen Mutes und mit absehbaren Konsequenzen für ihre bürgerliche Existenz, doch tatsächlich fertig – jetzt Augen zu und durch! – Donald Trump zu kritisieren. Da kam ein Gigant mit der cineastischen Lebensleistung eines Robert De Niro auf die Bühne und hatte doch echt den Wagemut, seine Rede vor lauter Clinton-Wählern einfach mal mit einem mordsgefährlichen „Fuck Trump!“ einzuleiten. Oh Mann, ein Wunder, wie der Kerl es wieder lebend aus dem johlenden Saal geschafft hat.

Mit dem #MeToo-Gezeter kam noch das Sexismus-Gedöns dazu, hauptsächlich nachgeplappert von Frauen, die ihre gesamte Karriere Harvey Weinstein zu verdanken hatten und auf dem Straßenstrich von L.A. verendet wären, hätte Harvey sie nicht noch nach Mitternacht zur, hüstel, hüstel, „Drehbuchbesprechung“ in seine Senatoren-Suite gebeten. Na gut, Gwyneth Paltrow wäre auch ohne Harvey Weinstein eine von Haus aus steinreiche Frau mit Steven Spielberg als Patenonkel, aber den Oscar für – ach nein, mit „Shakespeare in Love“ fangen wir hier ja gar nicht erst an.

Seit #MetToo werfen die vorauseilend Gehorsamen ständig die Frage auf, warum Schauspielerinnen oft erheblich weniger Gage bekämen als ihre männlichen Kollegen? Na weil kein Mensch wegen Frances McDormand eine Kinokarte zieht und daher nicht genügend Geld reinkommt, um sie wie George Clooney zu bezahlen! Warum ist das kleine Einmaleins der Marktwirtschaft für euch Linke immer so schwer zu verstehen?

Aber zum Glück sind manche Weiber ja nicht nur aufs Geld aus. Zum Beispiel jene Weiber, die Woody Allen früher bekniet hatten, doch bitte, bitte einmal mit ihm drehen zu dürfen, vielleicht, weil unter der Leitung keines anderen Regisseurs so viele Frauen den Oscar gewonnen haben wie unter Woody Allens. Diese Weiber erklärten nach #MeToo, das Gesicht leidvoll verzerrt vom tief empfundenen Weltenschmerz, sie wollten die Gage für ihre Auftritte in einem Woody Allen-Filmen wieder zurückzahlen. Wie gut, dass Woody Allen noch nie einem Schauspieler mehr als den tariflichen Mindestlohn gezahlt hatte.

A propos Woody Allen. Neben dem lustigen Jazz-Abend mit den Kumpels zog Woody Allen noch einen weiteren Vorteil daraus, die Oscarverleihung von 1978 zu schwänzen. So musste er sich nicht die Dankesrede von Vanessa Redgrave, der bekennenden Trotzkistin, für den Nebenrollen-Oscar anhören. Redgrave, bis zu diesem Moment noch keine Oscarpreis –, nur Palästinenserschalträgerin, nutzte die Sendezeit ihrer Dankesrede, um irgendeine linke Grütze abzusondern. Als zwei Stunden später der Schriftsteller Paddy Chayefsky den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch verkünden sollte, nutzte der wiederum seine Sendezeit, um auf Frau Redgraves Polit-Gefasel in einer heute mehr denn je gültigen Weise zu replizieren:

I’m sick and tired of people exploiting the occasion of the Academy Awards for the propagation of their own personal political propaganda. I would like to suggest to Miss Redgrave that her winning an Academy Award is not a pivotal moment in history, does not require a proclamation, and a simple “thank you” would have sufficed.”

1978 vermerkte das Protokoll hierfür noch lautstarken Applaus.

U. B. Kant

Der U. B. Kant wurde 2009 erst zwei Tage nach der Bundestagwahl volljährig, sonst hätte er noch mit beiden Stimmen die Steinmeier-SPD gewählt. Heute lebt der U. B. Kant im besten Deutschland, das es jemals gab, und möchte sein Gesicht bei freien Meinungsäußerungen lieber verbergen. Seinen Ahnen entsprechend setzt es sich zusammen aus Lüneburger Heidjen, Ostwestfalen und Ostpreußen. Schädelvermesser könnten angesichts einer solch feinsinnigen Vereinigung der Schöngeister ablesen, dass der U. B. Kant die gesammelten Werke von Shakespeare, Schiller und Sophokles nicht nur dekorativ im Bücherregal stehen, sondern deren Lektüre auch nach zehn Seiten abgebrochen hat.

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