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paulprescott72 - iStock

Bierfurzpatriotismus um der Liebe willen? Nein!

26. März 2024

Ja, schon wieder Fußball. Denn momentan überschlagen sich die Ereignisse: Zuerst kam das pinke Trikot, zu dem Kollege Finkelstein schon alles gesagt hat, was gesagt werden kann. Anschließend wurde der Sponsorenwechsel zu Nike verkündet, welcher Robert Habeck („Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen“) zu der Aussage verleitete, dass „Adidas und Schwarz-Rot-Gold“ für ihn schon immer zusammengehört hätten und er sich von dem DFB-Team „ein Stück mehr Standortpatriotismus“ gewünscht hätte. Die Satire schreibt sich von selber, auch hier muss kaum etwas ergänzt werden.

Erwähnenswert ist lediglich, dass die Aussage Habecks auf den zweiten Blick gar nicht so unlogisch ist, wie es erst einmal klingt. Schließlich wurde im unlängst veröffentlichten Werbevideo ja offenbart, für was und für wen die Internationalelf inzwischen steht:

https://twitter.com/iMiaSanMia_en/status/1768240453378322657?s=20

Multikulturelle Migranten mit mehreren Nationalitäten, ein bisschen gruslige, senile Biodeutsche, die eben auch noch hier wohnen, ein paar schwächliche „Almans“, die sich ihrer literarischen Vergangenheit rühmen, und natürlich ein paar Müllers, die ihr Bestes für den Erfolg des Projekts mit kulturellem Minimum geben. Das Wortpaar „kulturelles Minimum“ als Prinzip einer Leitkultur stammt übrigens von CDU-Chef Friedrich Merz, der natürlich nicht definieren konnte, was er darunter versteht. Was wir wissen, ist, dass „die deutsche Nationalelf anfeuern“ nicht dazu zählt. Einer der vielen deutschen Müllers, der noch in der Nationalelf spielt, dürfte nicht vergessen haben, wie das Spiel gegen die Türkei in Berlin zum Auswärtsspiel wurde. „Gewurmt“ hat ihn das damals. Der in Deutschland geborene Türke Kaan Ayhan äußerte sich dagegen freudig: „Es kann eine Heim-EM werden.“ Für die Türkei, versteht sich.

Worin das kulturelle Minimum liegen könnte, schrieb die „Bild“-Zeitung anlässlich des Auswärtsspiels in Berlin: „Bemerkenswert: Bei der deutschen Hymne pfiffen die Gäste-Fans nicht.“ Aber es gibt auch bindende Glieder zwischen den Türken und Deutschen: Unser Kapitän İlkay Gündoğan ist auch bei den Türkei-Fans beliebt, immerhin bekundete er auf einem 2018 an Recep Tayyip Erdoğan verschenkten Trikot „Respekt für seinen Präsidenten“. Damals natürlich noch an der Seite Mesut Özils, der sich inzwischen ja in seiner Heimat ganz offen dem türkischen Nationalismus hingibt.

Weil die Leistung der Nationalelf stimmte, konnte darüber allerdings weggesehen werden. Inzwischen ist das Konzept von Nationalität sowieso dermaßen aufgeweicht, dass sich die deutsche Nationalelf in ein paar Jahren von der französischen wie früher nur noch durch die Farbe des Trikots und vielleicht die Sprache unterscheiden lassen wird. Wie ich bereits letztes Jahr geschrieben habe:

„Natürlich kann die Ausbildung von Nicht-Europäern in Europa auch zu Erfolgen führen, wie die Kolonialelf Frankreichs unlängst bewiesen hat. In einem Europa, in dem Nationalität ein ähnliches Wischiwaschi-Konzept ist wie Schönheit, Kunst, Geschlechter oder sonst etwas, sind diese Preise leider nur nichts mehr wert.“

Für den neuesten Aufreger sorgte Antonio Rüdiger. Unlängst veröffentlichte er auf Instagram ein Foto, auf dem er in voller Gebetsmontur den gern vom IS benutzten Tauhid-Finger nach oben streckt. Immerhin: Für einen – auch von Mesut Özil getätigten – Like im Jahr 2020 für ein Bild, das den französischen Präsidenten Emmanuel Macron mit Stiefelabdruck im Gesicht zeigte, hatte sich Rüdiger damals öffentlich entschuldigt. Der Post war vom russischen UFC-Kämpfer Chabib Nurmagomedow abgesetzt worden, der dadurch seinen „Unmut“ darüber ausdrücken wollte, dass Macron von „islamistischen Terror-Angriffen“ gesprochen hatte.

Wen vertritt die Nationalelf eigentlich noch? Richtig: sich selbst. Auf dem Rasen stehen ein paar Millionäre, die für ein austauschbares Team Leistungen erbringen, um noch mehr Millionen zu bekommen. Dafür demütigt man sich nicht nur freiwillig mit hässlichen Trikots, man stülpt sogar die Regenbogenbinde über den Arm, ganz egal, wie sehr das der eigenen Religion widerstrebt.

Nur in Katar wollte der Ersatznationalismus unter dem Regenbogen, den sich lebensfremde Politiker so sehr als kleinsten kulturellen Nenner wünschen, nicht so gut ankommen. Auch die linken Tränen nach dem Verbot der Regenbogen-Kapitänsbinde konnten keinen Regenbogen in der Wüstenlandschaft erzeugen. Blöd war natürlich auch, dass mit der Politisierung des Teams die Leistungen immer schlechter wurden, ein blamables Vorrunden-Aus inklusive.

Die WM 2006 war wohl eines der Ereignisse, die mich damals patriotisch politisiert haben. Seitdem haben sich Deutschland, die Politik und die Nationalelf verändert. Umso bestimmter behaupte ich heutzutage: Wer Deutschland liebt, wünscht der „Nationalelf“ ein schnelles Vorrunden-Aus.

PhrasenDrescher

Der Phrasendrescher - wie könnte es anders sein - promoviert derzeit interdisziplinär in der Philosophie und der Politikwissenschaft. Als glühender Verehrer von Friedrich Nietzsche weiß er, dass man auch Untergänge akzeptieren muss und arbeitet bereits an der Heraufkunft neuer, stärkerer Werte.


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