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Buchkritik: Über den Umgang mit Menschen (Adolph Freiherr von Knigge)

25. August 2022
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Wer „Knigge“ hört, denkt sofort an Benimmregeln . Ganz fehlgeleitet ist dies nicht, allerdings stellt das große Werk, der „Urknigge“, der unter dem Titel „Über den Umgang mit Menschen“ im Jahre 1788 erstmals verlegt wurde, weit mehr als ein Buch über Etiketten dar. Der hannoveranische Freiherr Knigge (das „von“ ist genealogisch umstritten) gab es gegen Ende seines Lebens als Ratgeber für einen weisen Umgang mit unterschiedlichen Menschengruppen und auch dem eigenen selbst heraus. Obgleich Knigge zeitweise Freimaurer und danach auch eine Zeit lang Illuminat war und als starker Anhänger der Aufklärung galt, ist das Buch überraschend konservativ und schlägt kritische Töne gegenüber Geheimverbindungen an denn nach Knigge „möchte es wohl nun endlich einmal Zeit sein, diese teils zwecklosen, törichten, teils dem gesellschaftlichen Leben gefährlichen Bündnisse aufzugeben“.

Im Allgemeinen liefert das Buch aus der demütigen Perspektive eines Menschen, der in seinem gesellschaftlichen Leben genug Fehler gemacht hat, gute Ratschläge, die sich nicht in Details wie Kleidung oder der Ordnung des Bestecks verlieren, sondern vielmehr darauf eingehen wie man mit welcher Art von Menschen am vernünftigsten Umgang pflegen kann. Dabei geht Knigge die Menschen verschiedenen Alters, Geschlechts und Standes durch und behandelt unter anderem auch die Themen Familie, Freundschaft, Liebe, Nachbarschaft, Geistlichkeit, Gelehrsamkeit und sogar den Umgang mit Tieren.

Das erfrischende an Knigges Buch ist, dass eine gewisse Bodenständigkeit und ein gesunder bürgerlicher Konservatismus daraus sprechen. So heißt es im Teil über den Umgang mit Eltern:

Wer die Mutter nicht liebt, deren Brüste er gesogen, wessen Herz nicht warm wird bei dem Anblick der Gefilde, in welchen er die unschuldigen, glücklichen Jahre seiner Jugend fröhlich und sorgenlos verlebt hat – was für Interesse soll der wohl an dem ganzen nehmen, da Eigentum, Moralität und alles, was den Menschen auf dieser Erde irgend teuer sein kann, doch am Ende auf Erhaltung jener Familien- und Vaterlandsbande beruht?“

Das Buch ist außerdem mit einem gewissen, spitzen Humor gewürzt und Knigge polemisiert an etlichen Stellen gegen die Auswüchse der Aufklärung und die Verachtung von Familie, Religion, Eigentum und Vaterlandsliebe. Dabei sind seine Worte zwar über 200 Jahre alt, sprechen aber auch in unsere Zeit hinein:

Glückliches achtzehntes Jahrhundert (…) O gebenedeites, goldenes Zeitalter! (…) Dann fallen alle Fesseln ab, dann schwinden alle Vorurteile! Ich brauche nicht meines Vaters Schulden zu bezahlen; habe nicht nötig, mich mit einem Weibe zu begnügen und das Schloß vor meines Nachbars Geldkasten ist kein Hindernis, mein angebornes Recht auf das Gold, das die mütterliche Erde uns allen darreicht, in Ausübung zu bringen.“

Oder:

Es gibt Eltern, die umhergetrieben in einem beständigen Wirbel von Zerstreuungen, ihre Kinder kaum ein paar Stunden des Tages sehen, ihren Vergnügungen nachrennen und indes Mietlingen die Bildung ihrer Söhne und Töchter überlassen.“

Knigges Ratschläge erschöpfen sich aber gerade nicht darin, die Aufklärung vollumfänglich abzulehnen und das Fürstentum oder die finanzielle Elite heiligzusprechen, sondern er sucht in allem den gesunden und anständigen Mittelweg. So empfiehlt er über den Umgang mit Geringen:

„Man sei höflich und freundlich gegen solche Leute, denen das Glück nicht grade eine so reichliche Summe nichtiger zeitlicher Vorteile zugeworfen hat als uns, und ehre das wahre Verdienst, den echten Wert des Menschen auch im niedern Stand.“

So viel zu den Unteren – zu den Oberen verliert er unter anderem folgende Worte:

Sie werden in der Erziehung verwahrlost, von Jugend auf durch Schmeichelei verderbt, durch andere und sich verzärtelt.“

Summa summarum ist der Klassiker des Freiherrn Knigge eine lohnende Lektüre für den heutigen Leser und besonders den Konservativen. Er liefert eine Reihe bedenkenswerter Ratschläge, die dem Leser einen Erkenntnisgewinn über sich selbst und seine Mitmenschen ermöglichen. Die Grundlage dieser Ratschläge ist, neben der reichhaltigen Lebenserfahrung des Freiherrn, ein konservativ-bürgerliches Weltbild, in welchem Anstand, Lebensweisheit und ein christliches Menschenbild die Eckpfeiler sind. Daran können nicht nur linke Taugenichtse, sondern auch rechte Meckermäuler ihren Charakter schulen.

Karl Napf

Karl Napf vereint etliche Widersprüche in sich. Er ist badischer Protestant, anarchistischer Demokrat und libertärer Antikapitalist. Er strebt dem Ende seines Theologiestudiums entgegen und hegt große Sympathien für Erweckungsprediger wie Spurgeon, Whitefield oder seinen badischen Landsmann Aloys Henhöfer.

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