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Landtagswahl: 5 Szenarien, wie es 2024 in Thüringen weitergehen kann

3. Januar 2024
in 5 min lesen

Am 1. September 2024 wird in Sachsen und Thüringen gewählt. In beiden Ländern steht aktuell die AfD an der Spitze der Umfragen: In Sachsen verzeichnet die AfD laut der Sächsischen Zeitung 37 Prozent der Stimmen, in Thüringen steht sie laut „Wahlkreisprognose“ mit 36,5 Prozent knapp dahinter. Ein Blick auf die Umfrageergebnisse in Thüringen zeigt, wie kompliziert die politischen Mehrheitsverhältnisse sein werden. Konnte Bodo Ramelow mit seiner quasiverfassungswidrigen Minderheitsregierung aus Rot-Rot-Grün die letzten Jahre noch mit Ach und Krach regieren, wird sich dies aller Voraussicht nach bald ändern, weil die Unterstützung für das linksgrüne Bündnis drastisch sinkt. Gegenüber der letzten Wahl im Oktober 2019 (Kemmerichs Rückzug) verlor die SED 4 Prozentpunkte, die SPD 1,2 Prozentpunkte und die Grünen 2,2 Prozentpunkte.

1. Sozialistische Minderheitsregierung

Da die Grünen mit diesem desolaten Ergebnis deutlich unter die Fünf-Prozent-Hürde fielen, wären sie nicht mehr im Parlament vertreten. Eine Rot-rote Regierung würde demnach nur noch 34 Prozent der Wählerstimmen hinter sich vereinen und hätte nur 35 Sitze im Landtag. Die AfD alleine käme auf 37 Prozent. Die CDU müsste also alle Vorhaben der SED-geführten Minderheitsregierung dulden und zugleich absoluten Kadergehorsam ihrer Parlamentarier einfordern. Sobald sechs CDU-Abgeordnete nicht im Sinne der SED stimmten, käme keine Mehrheit zustande.

Unter all diesen Bedinungen ist dieses Szenario relativ unwahrscheinlich, da viele unwahrscheinliche Faktoren zusammenkommen. Dazu gesellt sich noch ein weiterer Aspekt: Eine derart schwache Minderheitsregierung ließe sich den immer unzufriedenen Thüringern nicht mehr verkaufen und böte den besten Nährboden für die absolute Mehrheit der AfD. Lediglich ein absolut machthungriger Ramelow, der sich mit einer dritten Amtszeit ein Denkmal setzen will, könnte sich par force an der Regierung halten. Und dann ist eines eindeutig: Der übernächste Ministerpräsident hieße Björn Höcke.

2. SED und CDU?!

Um irgendwie eine Mehrheit zu erringen, müsste für Ramelow ein neuer Bundesgenosse her. Und da bietet sich nur die CDU an. Auch wenn viele treue CDU-Anhänger jetzt sagen werden: „Niemals arbeiten wir mit den Sozialisten zusammen“, könnte sich doch genau das auch anbahnen. Zwar hat der CDU-Bundesparteitag die Kooperation mit SED und AfD eigentlich ausgeschlossen, aber Mike Mohring, Chef der Thüringer CDU, hatte sich bereits im Sommer gegen den Unvereinbarkeitsbeschluss gestellt. „Wenn die Lage schwierig ist, muss man in der Lage sein, Gespräche zu führen. Das erwarten doch die Wählerinnen und Wähler von uns“, so Mohring gegenüber der DPA im Juli. Er betonte weiter, dass der Beschluss heute an der Lebensrealität im Osten vorbei gehe. Wenn das nicht die große Handreichung an einen neuen Koalitionspartner ist?!

Dass Ramelow als lupenreiner Machtpolitiker ohne mit der Wimper zu zucken mit der bürgerlichen CDU koalieren würde, ist wahrscheinlich. Aber selbst wenn Mohring und eine Mehrheit in der CDU den Pakt mit den SED wollen, wird der Preis dafür hoch sein. Dabei geht es gar nicht um einzelne Parlamentarier, die vielleicht mal „gegen sich selbst“ abstimmen werden oder die Fraktion vielleicht sogar verlassen könnten. Der wichtigste Punkt ist ein anderer: Eine Kooperation mit der SED würde bundesweit für enormes Aufsehen sorgen und der aktuellen Strategie der CDU den Wind aus den Segeln nehmen. Denn seit der Ära Merkel geht die CDU wieder auf konservativen Stimmenfang und faucht gegen die linken Parteien. Für Friedrich Merz seien die Grünen sogar der „Hauptfeind“, wie er auf dem Bundesparteitag in Baden-Württemberg im vergangenen November behauptete.

Eine schwarz-lila Koalition wäre in Deutschland ein Novum und würde die CDU der Lächerlichkeit preisgeben. Trotzdem darf auch hier der Macht- und Geldwille der CDU nicht unterschätzt werden. Für die AfD wäre diese Koalition vielleicht das größte Geschenk: Eine Koalition aus SED und CDU würde jedem konservativen Wähler zeigen, was die CDU eigentlich ist: eine weitere linke Partei. Die Thüringer Christdemokraten haben es zudem besonders schwer: Entgegen dem bundesweiten Aufwind in den letzten Monaten verlor die Partei bei der letzten Umfrage sogar 1,5 Prozentpunkte. Das schwächt die eigene Verhandlungsposition immens.

3. Blau und Schwarz

So würde Thüringen regiert, wenn es wirklich nach den Wählern ginge. Nicht nur, dass beide Parteien sich zumindest auf dem Papier am nächsten stehen, auch die Thüringer wollen eine blau-schwarze Regierung. 41 Prozent der Befragten wünschen sich eine Zusammenarbeit von AfD und CDU, knapp über 30 Prozent der Wähler wollen eine Regierung, die ohne die AfD arbeitet – egal in welcher Konstellation.

Obwohl die Parteien bereits gegen die linke Minderheitsregierung zusammengearbeitet haben, ist eine offene Zusammenarbeit unwahrscheinlich. Die Thüringer haben mit Björn Höcke wohl den AfD-Spitzenkandidaten, der sich am deutlichsten gegen eine Kooperation mit den Establishment-Parteien stellt. Sollte die realpolitische Situation ihn aus was für Gründen auch immer dazu bringen, wird er den Einfluss des Juniorpartners CDU klein halten. Ob die CDU das mit sich machen lässt? Ebenfalls sehr unwahrscheinlich, selbst im kleinen Thüringen mit einer vergleichsweise konservativen CDU. Eine Kooperation mit der AfD würde auf Bundesebene eine Kernschmelze verursachen. Die wird irgendwann kommen – aber aller Vorausicht nach noch nicht im September in Thüringen.

4. Blau allein?

Es gibt noch ein viertes Szenario, das nur auf den ersten Blick sehr abwegig scheint. Die AfD übernimmt eine Minderheitsregierung und stellt mit Höcke den ersten AfD-Ministerpräsidenten der BRD. Mit Ist-Stand 37 Stimmen fehlen ihr nur sieben weitere Abgeordnete aus der Opposition, um Gesetze verabschieden zu können. Ob sie die bekommen wird? Unwahrscheinlich, denn keiner der CDU-Parlamentarier wird (öffentlich) für Vorhaben der AfD stimmen, da er sonst bald seinen Job los ist.

Für die AfD könnte diese recht frühe Regierungsübernahme besonders gefährlich werden. Die erste AfD-Regierung, und dann noch unter dem Dämon Björn Höcke, würde landaus, landein als Schreckensbeispiel fungieren, zumal die AfD ohne die 44 Sitze auch nicht durchregieren kann. Die Partei würde tagtäglich blockiert werden und die Medien würden es ihr anlasten. Auch bundesweit wäre dadurch ein negativer Effekt vorstellbar. Aus Sicht des Establishments wäre das vielleicht die klügste und langfristigste Strategie, doch auch hier muss klar sein, dass es „das Establishment“ nicht gibt, und dass es erst recht nicht klug und langfristig denkt, sondern in machtpolitischen Mechanismen und Selbstdarstellungen. Und da kann man Höcke als Präsident schlichtweg nicht ertragen.

Fazit

Vier Szenarien – blendet man das Scheitern von Koalitionsverhandlungen und Neuwahlen einmal aus. Was ist am wahrscheinlichsten? Die Redaktion tippt auf Punkt 2: CDU und SED. So schrecklich dieses Szenario klingen mag, so schädlich wäre es doch für die Altparteien. Und sollte dieser Fall eintreten, beweist es dann doch, dass die Altparteien, allen voran die CDU, nichts gelernt haben und ihre mittelfristige Ablösung lediglich um einige Jahre verzögern können.

Das interessantere Fazit ist jedoch ein anderes: Die Mehrheitsverhältnisse, sollten sie so bleiben wie jetzt, zeigen eindrucksvoll, dass es keine echten Mehrheitsverhältnisse mehr gibt. Auch das ist eine positive Entwicklung, da endlich die statischen Blöcke der Altparteien aufgebrochen werden und dadurch nicht nur die unsägliche Kartellbildung der letzten Jahre verhindert wird, sondern auch Druck auf die Ausrichtung von CDU und FDP ausgeübt wird, wie bereits jetzt beim konservativen Neuanstrich der CDU gezeigt wird.

Es bleibt also spannend, und vielleicht bekommen auch die Thüringer bald etwas, das man als Demokratie bezeichnen kann. Dass Erfurt eine große Strahlkraft nach Berlin hat, zeigte vor fünf Jahren die Wahl von Kemmerich. Eines ist klar: weiter wie bisher geht es nicht mehr.

Redaktion

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