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Mit Vielfalt zur Einfalt

3. Mai 2024
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Im Kampf gegen die AfD empfiehlt Andrian Kreye, Feuilleton-Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“, ein dreiminütiges Video von Andreas O. Loff. Unter dem Titel „Oma, was war nochmal dieses Deutschland?“ ging es am 12. April viral – auf Youtube, TikTok und Whatsapp. Erzählt wird die Geschichte einer Großmutter, die im Jahr 2060 ihrer Enkelin in der neuen afrikanischen Heimat berichtet, wie es war, als „die Blauen“ in Berlin die Macht übernahmen und, so Kreye, „ihre Menschenhasser-Ideologie von der ´Remigrationˋ in die Tat umsetzten“.

Staunend erfährt die Kleine, daß es damals in Deutschland Demokratie und Wohlstand gab. Als Kontrast werden die Bilder eines kaputten Landes der Gegenwart gezeigt: Der Reichstag – im Brachland verwaist, die Elbphilharmonie – eine Ruine, Köln – am ausgetrockneten Rhein. Und die meisten autochthonen Deutschen, die eigentlich hätten bleiben dürfen, haben in Schlauchbooten die Flucht übers Mittelmeer angetreten. Schließlich war ja niemand mehr da, der die Arbeit macht und den Wohlstand ankurbelt. „Was kann man als Netzbürger dazu tun?“ läßt Kreye am 12. April seine Leser fragen und gibt selbst die Antwort: „Anschauen, liken, weiterleiten. Manchmal fängt Widerstand ganz klein an.“ In dem Sinne reagierte die KRAUTZONE auf die mit KI generierte Propaganda:

Während das Video in der Rückschau die segensreichen Zeiten der Vielfalt und Weltoffenheit, der Diversität und Toleranz heraufbeschwört, brechen sich selbst in der SZ manchmal die Zweifel an dieser idyllischen Sichtweise Bahn. So nahm Gustav Seibt am letzten April-Wochenende Frank-Walter Steinmeiers bei Suhrkamp erschienenes Buch „Wir“ zum Anlaß, Deutschlands wahre Probleme darzulegen. Das aufmunternde, beherzt gesprochene Wir des Bundespräsidenten, räsonierte Seibt, solle es also richten. Doch dieses Wir sei sehr langweilig, es sei erwartbar „vielfältig „, auf keinen Fall völkisch-homogen, einig in Verschiedenheit – „und wie die Formeln eben lauten“, fertigt der Rezensent bissig jenes Vokabular ab, das auch sein Blatt tagtäglich im Munde führt, um mit einem „Aber“ auf den Punkt zu kommen:

„Es gibt Probleme, es rumpelt im Selbstverständlichen, mit Spaltungen, mit Hass und Politikverachtung, in Parallelitäten, die nicht mehr von allen geteilt werden. Die Bedrohung der demokratischen Funktionsweisen durch den Verlust gemeinsamer Wirklichkeiten in Filterblasen, Verschwörungsideologien, Fake-News-Welten, durchs Schwächerwerden eines übergreifenden Bürgersinns ist ein längst geläufiges Thema des aktuellen Krisendiskurses.“

Zum Schluß gönnt Seibt auch dem Bundespräsidenten einen Punkt, denn Steinmeier weise auf drei aktuell drängende, das Wir bedrohende Konfliktfelder hin: erstickende Bürokratie, ökologische Transformation und „die Frage nach einem ´einendenˋ Patriotismus in einer Gesellschaft mit Migrationshintergrund und diverser Identitäten“.

„Wie wahr!“ möchte man rufen, hält aber inne, weil die Vernunft – unabhängig von Kant – weiß, daß richtige Erkenntnisse nicht zwangsläufig entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen. Diese ernüchternde Tatsache hat ein Kommentator der SZ seinem Publikum kürzlich unfreiwillig vor Augen geführt. Unter der Rubrik „Folgen einer Lebenslüge“ schrieb er am 25. April:

„Die Spaltung, die der israelisch-palästinensische Konflikt entlang ethnisch-kultureller Grenzen hervorruft, hat enorme Sprengkraft für eine Gesellschaft, die noch immer der kollektiven Lebenslüge nachhängt, ein Schmelztiegel der Kulturen zu sein, in der die ethnische Herkunft keine Rolle spiele.“

Gemeint waren die USA, doch auch in Deutschland ist diese Lebenslüge längst zur Schicksalsfrage der zur Staatsräson stilisierten „liberalen Demokratie“ geworden.

Peter Kuntze

Kuntze wurde 1941 in Kiel geboren und hat nach Abitur und Wehrdienst eine verlagskaufmännische Lehre in Hamburg absolviert. Anschließend ein Redaktionsvolontariat in Ansbach. 1968 gelang ihm der Sprung nach München zur Süddeutschen Zeitung, wo er als außenpolitischer Nachrichtenredakteur sein Brot bis 1997 verdient hat. Nebenbei schrieb Kuntze etliche Kinderbücher, zwei Romane und acht politische Sachbücher über China. Seine konservative Wende geschah in den letzten Berufsjahren.

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