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Abraham Storck, n Four day battle in the Second Anglo-Dutch war, ca 1670

Reden wir über Kapitalismus – Verdammt gutes Schiff, Junge!

13. Mai 2022
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Was als kritische Auseinandersetzung mit der rechten Sicht auf den Kapitalismus begann, entwickelt sich mehr und mehr zu einem waghalsigen Ritt durch Zeit und Raum. Aber ganz ehrlich: Warum auch nicht? In der letzten Kolumne haben wir uns dem Schiffbau im Alten Ägypten gewidmet. Das hat weniger mit meiner persönlichen Begeisterung für Seefahrt zu tun (ihr Anfang und Ende liegen bei ein und derselben Überquerung des Ärmelkanals, die See war sehr unruhig…) als mit der Anschaulichkeit des Schiffbaus an sich: Der Weg vom Baumstamm zum Schiffsrumpf ist lang, unzählige Handgriffe und reichlich Kopfkratzen sind nötig, um einen fahrbaren Untersatz zusammenzuzimmern. Der Bau eines Schiffes ist ein extrem komplexes Unterfangen und stellt das Kollektiv, das sich dieser Aufgabe verpflichtet hat, vor enorme Herausforderungen. Ganz gleich, ob Kanu, Trireme oder Fregatte – diese schwimmenden Bauwerke legen Zeugnis ab über den Entwicklungsstand der jeweiligen Wirtschaftskultur. Es wundert daher nicht, dass einst die geografische Lage, verbunden mit der Fähigkeit des Schiffbaus, den entsprechenden Gemeinschaften die Zuschreibungen „Seevolk“, „Seefahrernation“, „Seerepublik“ und so weiter verlieh.

Wir haben beim letzten Mal den altägyptischen Schiffbau als eine straff zentralisierte Organisationsform charakterisiert, in der Eigeninitiative oder so etwas wie Marktmechanismen keine oder nur eine vernachlässigbare Rolle gespielt haben. Der Pharao befahl den Bau einer gewissen Anzahl von Schiffen, also machten sich seine Wesire daran, den göttlichen Befehl in einen bürokratischen Prozess zu übersetzen, der schließlich in der peniblen – man will schon sagen: pedantischen – Allokation von Arbeitskräften und Baumaterialien mündete. Ja, das funktionierte insoweit, als die Schiffe gebaut wurden, den Nil als Verkehrsweg nutzbar machten und zum Tausende Jahre währenden Glanz der ägyptischen Hochkultur beitrugen.

Andererseits stieß diese protoplanwirtschaftliche Organisation überall dort an Grenzen, wo sie sich „aus sich heraus“ nicht weiterentwickeln konnte. Die Handgriffe und Techniken beim Schiffbau blieben über Jahrtausende dieselben. Wir hatten im letzten Artikel die konstruktionstechnischen Besonderheiten altägyptischer Schiffe angerissen – für die Nilfahrt machte das alles Sinn. Aber die Schiffe des Pharaos waren nicht oder nur sehr eingeschränkt hochseetauglich. Altägypten wurde nie eine Seemacht.

Wechseln wir nun Zeit und Ort und begeben uns in die Vereinigten Niederlande des 17. Jahrhunderts. Es war das „Goldene Zeitalter“ dieser aus sieben Provinzen lose verbundenen Republik, die nach der gewaltsamen Sezession vom spanischen Großreich zur weltweit führenden Seemacht avancierte. 1650 verfügten die Vereinigten Niederlande über 16.000 Handelsschiffe, darunter 6.000 Hochseefahrer. Englands Handelsflotte bestand zur selben Zeit aus gerade einmal 1.000 Schiffen. Niederländische Werften bauten im Auftrag zahlreicher europäischer Mächte Schiffe – die kurbrandenburgische Flotte nahm hier ihren Anfang, bekannt ist auch die Arbeit des russischen Zaren Peter I. auf der niederländischen Werft Zaandam. Wahrscheinlich konnte er dort die von Windkraft betriebenen Sägewerke begutachten, die exemplarisch für den Einfallsreichtum, aber auch das ökonomische Bewusstsein der Niederländer stehen.

Ein weiteres beeindruckendes Beispiel dafür ist der auf den ersten Blick wenig beeindruckende Schiffstyp „Büse“. Die „Büse“ war ein kleines, bauchiges Segelboot, mit dem auf hoher See Hering gefischt wurde. Die Besonderheit dieses Schiffs war, dass die Holländer es mit einem Räucherofen versahen, um den gefangenen Fisch noch auf See konservieren zu können. Die Vorteile lagen auf der Hand: Die Besatzung konnte länger auf See bleiben, weil der Fisch nicht zu verderben drohte und damit wesentlich wirtschaftlicher arbeiten.

Natürlich waren die Vereinigten Niederlande kein libertäres Paradies, in dem die glückliche Zusammenfügung privater Interessen lang anhaltende Früchte trug. Auch die Seerepublik hatte ihren Staat und aufgrund ihrer besonderen Verfassung gleich fünf Admiralitäten. Man hat also den Wust von amtlichen Papieren und Vorschriften geradezu vor Augen. Es hat auch Gründe, weshalb die Holländer zwischen Frankreich und England zerrieben wurden – das alles würde hier viel zu weit führen. Wichtig für uns ist, zu begreifen, dass es vor allem die entfesselte Privatinitiative war, die den Aufstieg der Niederländer zur Seemacht begründete. Es waren die unzähligen, meist namenlosen Schiffbauer, die mit ihren Ideen den niederländischen und schließlich auch europäischen Schiffbau weiterentwickelten, und es war die Gewinnorientierung der Reeder, die den Einsatz neuer Techniken ermöglichte.

Friedrich Fechter

Nachdem sich Fechter von den beiden Chefs die Leitung der Netzredaktion hat aufquatschen lassen, musste er mit Enttäuschung feststellen, dass die Zeiten von Olymp-Schreibmaschinen und reizenden Vorzimmerdamen vorbei sind. Eine Schreibmaschine hat er sich vom hart erarbeiteten Gehalt trotzdem gekauft. Und einen antiken Schreibtisch. Auf irgendwas muss man im Hausbüro schließlich einprügeln können, wenn die faulen Kolumnisten wieder ihre Abgabefristen versemmeln…

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