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China und die USA – Lippenbekenntnisse, aber keine Einigung

5. April 2024
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Erstmals seit ihrem Treffen Mitte November in Kalifornien telefonierten Chinas Staatschef Xi Jinping und US-Präsident Joe Biden am 2. April miteinander. Wie so oft in der Vergangenheit berichteten die meisten deutschen Medien nur lückenhaft und somit einseitig über das weltpolitisch bedeutsame Gespräch. Daß beide Seiten das Telefonat als „offen und konstruktiv“ bewerteten, teilten sie zwar mit, gingen aber nicht auf die jeweiligen Standpunkte ein. Diese Details erfuhr man statt dessen im deutschen Online-Dienst des KP-Organs „People’s Daily“.

Dem Bericht zufolge erklärte Xi, die Taiwan-Frage sei die „erste rote Linie“, die in den Beziehungen zwischen China und den USA nicht überschritten werden dürfe. Angesichts der separatistischen Aktivitäten sowie der Ermutigung und Unterstützung dieser Aktivitäten von außen werde China nicht untätig bleiben. Xi forderte Washington auf, Präsident Bidens Zusage, eine „Unabhängigkeit Taiwans“ nicht zu unterstützen, in konkrete Maßnahmen umzusetzen.

Die Vereinigten Staaten, so Xi weiter, hätten eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um Chinas Handel und seine technologische Entwicklung zu unterdrücken, und setzten immer mehr chinesische Unternehmen auf ihre Sanktionslisten. Wären die USA bereit, eine für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit anzustreben und an Chinas Entwicklungsdividenden teilzuhaben, fänden sie immer offene Türen vor. Sollten sie jedoch darauf beharren, Chinas Hightech-Entwicklung einzudämmen und das Land seines legitimen Rechts auf Fortschritt zu berauben, werde Peking nicht tatenlos zusehen.

Biden wiederum bekräftigte „People’s Daily“ zufolge, daß die USA keinen neuen Kalten Krieg anstrebten. Es sei auch nicht ihr Ziel, Chinas politisches System zu verändern; ebensowenig seien Amerikas Bündnisse im Indopazifik gegen die Volksrepublik gerichtet. Die USA, so der Präsident, unterstützten keineswegs die „Unabhängigkeit Taiwans“, sondern verfolgten nach wie vor die Ein-China-Politik (derzufolge Peking der allein rechtmäßige Vertreter ganz Chinas und Taiwan eine chinesische Inselprovinz ist – d. Verf.).

Der US-Präsident betonte, es liege im Interesse der ganzen Welt, daß China auch ökonomisch Erfolg habe. Daher würden die USA Chinas Entwicklung nicht einschränken und strebten keine „Abkopplung“ von der Volksrepublik an. In Kürze, verkündete Biden, würden Finanzministerin Janet Yellen und Außenminister Antony Blinken nach Peking entsandt werden, um Dialog und Kommunikation zu verstärken, Fehlkalkulationen zu vermeiden und gemeinsam auf globale Herausforderungen zu reagieren.

Beide Seiten kamen laut „People’s Daily“ überein, in Kontakt zu bleiben, und beauftragten ihre Teams, „die Vision von San Francisco zu verwirklichen“. Dazu gehörten die Weiterentwicklung der Konsultationsmechanismen in diplomatischen, wirtschaftlichen, finanziellen, handelspolitischen und anderen Fragen sowie die Kommunikation zwischen Militärangehörigen und die Zusammenarbeit in Bereichen wie Drogenbekämpfung, Künstliche Intelligenz und Klimaschutz. Wer die Mitte November in Kalifornien beschworene „Vision von San Francisco“ kennt, muß allerdings konstatieren, daß sich an der Realität bis heute nichts geändert hat: Xis Vorwürfe von damals gelten nach wie vor, und Bidens Versprechen hinsichtlich der Wirtschaftspolitik werden nahezu täglich durch die rigorose Abschottung des amerikanischen Marktes widerlegt.

Bereits drei Tage nach dem Telefonat traf Finanzministerin Yellen in China ein. Am 6. April konferierte sie in Guangzhou (Kanton) mit Vize-Regierungschef He Linfeng und kritisierte Pekings Industriestrategie, durch Subventionen Überkapazitäten zu schaffen, die dann als Billigprodukte nicht zuletzt den US-Markt überschwemmen. Diese Befürchtung wird auch in Europa besonders hinsichtlich konkurrenzlos günstiger Solarpanele, Batterien und Elektroautos geteilt. Anfang dieser Woche trifft Yellen noch in Peking mit Regierungschef Li Qiang, ihrem Amtskollegen Lan Foan sowie mit Notenbankchef Pan Gongsheng zusammen. Daß es der 77jährigen bei ihrem bisher zweiten China-Besuch gelingen wird, den sich abzeichnenden Handelskrieg zwischen den beiden mächtigsten Nationen der Welt abzuwenden, ist indes mehr als zweifelhaft.

Peter Kuntze

Kuntze wurde 1941 in Kiel geboren und hat nach Abitur und Wehrdienst eine verlagskaufmännische Lehre in Hamburg absolviert. Anschließend ein Redaktionsvolontariat in Ansbach. 1968 gelang ihm der Sprung nach München zur Süddeutschen Zeitung, wo er als außenpolitischer Nachrichtenredakteur sein Brot bis 1997 verdient hat. Nebenbei schrieb Kuntze etliche Kinderbücher, zwei Romane und acht politische Sachbücher über China. Seine konservative Wende geschah in den letzten Berufsjahren.

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