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Ob Sex oder Politik – Ungleichheit ist der bestimmende Faktor des Lebens

24. Juli 2023
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Daß er mit dem Thema „Liebschaften am Arbeitsplatz“ Anstoß erregen wird, dürfte dem Professor bewußt gewesen sein. Schließlich wäre es für ihn nicht das erste Mal, von Kollegen und Studenten wegen „extrem konservativer Positionen“ kritisiert zu werden. Doch Volker Lieble ist hart im Nehmen. Der Jurist, Professor für Arbeitsrecht an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), hat mit Titel und Beschreibung seines für das kommende Wintersemester angebotenen Seminars einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Unter Bezugnahme auf den „Fall Reichelt“, den ehemaligen „Bild“-Chef, der wegen Vorwürfen des Machtmißbrauchs während Affären mit Kolleginnen entlassen wurde, stellt Rieble zwei grundlegende Rechtsfragen: „Darf man sich ´hochschlafenˋ, also eine Einstellung und Beförderung mit Sex erkaufen?“ – „Was ist ´Machtmißbrauchˋ rechtlich (Fall Reichelt, jedenfalls in der Skandalisierungs-Wahrnehmung)?“

Als erste meldete sich auf Twitter eine Juristin zu Wort; sie hatte ein Foto der Ankündigung der Lehrveranstaltung geteilt und schrieb: „München hat angerufen und will das Frauenbild der 50er zurück.“ Andere, so die Süddeutsche Zeitung, sprachen von „frauenverachtenden Formulierungen“. Mit der Bemerkung, er verachte niemanden, veröffentlichte Rieble daraufhin eine Ergänzung seines Textes: „Arbeitnehmer setzen in der realen Arbeitswelt neben ihrer Leistung Sex, Intrigen, Geld oder Gefälligkeiten für berufliche Vorteile ein.“ Aus fast 35 Jahren Praxiskontakt wisse er, daß Personalverantwortliche in Unternehmen „den Aufstiegsbeischlaf deutlich überwiegend als Waffe der Frau“ sehen. Soziologisch belegt sei im übrigen ein genereller „Geschlechtsunterschied in der Partnerwahl: Frauen orientieren sich nach ´obenˋ, Männer nach ´untenˋ“. Da Chefposten immer noch überwiegend männlich besetzt seien, liege der Schluß nahe: „Neigung und Gelegenheit passen zueinander.“

Ob das LMU-Seminar wie geplant stattfinden kann, ist bislang nicht bekannt. Es zeigt sich aber einmal mehr, wie brisant das Thema ist: die Ungleichheit nicht nur der Geschlechter, sondern die Ungleichheit des Menschen, seiner Befindlichkeiten und Bestrebungen allgemein. Im Grundgesetz heißt es in Artikel 3 (Gleichheit vor dem Gesetz) unter Punkt 3:

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Eine wesentliche Ungleichheit läßt die Verfassung jedoch wohlweislich aus, weil sie angeboren und nur partiell korrigierbar ist – die körperliche (Aussehen, Kraft) und die geistige (Intelligenz) Ungleichheit. Von beiden Faktoren wird das Leben jedes einzelnen jedoch entscheidend geprägt.

Unter der Überschrift „Schönheit zahlt sich aus“ zitierte die „Süddeutsche“ (17. Juni) Professor Ulrich Rosar, Soziologe und „ Attraktivitätsforscher“ an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität:

„Insgesamt kann man sagen, daß attraktive Menschen einen systematischen Wettbewerbsvorteil in allen möglichen Lebensbereichen und Lebensphasen haben; das geht im wahrhaftigen Sinne in der Wiege los und setzt sich im Prinzip bis in den Ruhestand fort.“

Wer als attraktiv gelte, bekomme in der Arbeitswelt häufiger die Stelle, werde schneller befördert und verdiene oftmals mehr. Schon in der Grundschule, so Rosar, bekämen Kinder bessere Leistungsprognosen, zum Beispiel bessere Noten oder eine Empfehlung fürs Gymnasium. Eine „Schönheitsformel“ gebe es zwar nicht, aber wir alle haben Rosar zufolge sehr ähnliche Vorstellungen davon, was attraktiv ist: symmetrische Gesichtszüge, jugendliches Aussehen, Schlankheit, volles Haar, bei Frauen außerdem filigrane Gesichtszüge, bei Männern markante sowie eine große Statur.

Im Magazin der „Süddeutschen“ (Nr. 28 vom 14. Juli) setzte sich Tobias Haberl mit der Bewegung „Body Positivity“ auseinander, jener Idee, die selbst Fettleibigen einreden will, alle Körper seien schön, darum solle jeder seinen Körper so annehmen, wie er ist. Haberls Fazit:

„Schön wär´s! Die Natur ist ungerecht. Intelligenz, Gesundheit, Schönheit sind ungleich verteilte Größen. Wir können uns einreden, daß es anders ist, aber dann leben wir halt an der Wirklichkeit vorbei.“

Allein 2022 wurden in Deutschland 98.548 Schönheitsoperationen gezählt, fünf Prozent mehr als im Vorjahr; kosmetische Industrie und Modefirmen können sich über mangelnde Umsätze nicht beklagen. Bodybuilder und Betreiber von Fitnessstudios haben mit Ausnahme der Corona-Zeiten Hochkonjunktur.

Was auf körperlicher Seite für Aussehen und Kraft gilt, findet im geistigen Bereich sein Pendant. Eltern suchen für ihre Kinder Schulen, in denen der Migrantenanteil noch gering ist, oder sie melden sie gleich in privaten Einrichtungen an. Um die Chancen von Kindern aus „sozial benachteiligten Schichten“ zu erhöhen, greift der Staat in die frühkindliche Bildung ein; in höheren Klassen wird die Leistungsanforderung reduziert, so daß die Abiturquoten bei gleichbleibendem IQ in absurde Höhen schnellen.


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Ihren stärksten und – aufs Ganze gesehen – bedeutendsten Niederschlag findet die
Ungleichheit der Menschen in der Politik, denn die jeweilige Parteienpräferenz ist im wesentlichen das Resultat individueller Erfahrungen. Mao Zedongs Diktum, seinerzeit gemünzt auf die KP, hat bis heute zeit- und ortlose Gültigkeit:

„Überall, wo Menschen leben – außer in der Wüste – teilen sie sich in Linke, in der Mitte Stehende und Rechte. Das wird in zehntausend Jahren noch so sein.“

Hatte Mao als Linksradikaler China nach dem Prinzip „Allen das Gleiche“ in eine riesige Volkskommune verwandeln wollen und sein Land an den Rand einer Katastrophe geführt, so hat es sich heute dank Maos pragmatischer Nachfolger zu einer Leistungsgesellschaft mit 50 Millionen Privatfirmen und der Devise „Jedem das Seine“ zur zweitgrößten Volkswirtschaft entwickelt.

Der antagonistische Widerstreit von Links und Rechts findet sich, oftmals ins Extrem getrieben, in nahezu allen menschlichen Bereichen – besonders deutlich aber und wegen der Bürgerkriegsnähe überaus gefährlich in der Politik. Literarisch lassen sich die konträren Positionen mit zwei Zitaten fassen. Links: „Alle Menschen werden Brüder“ (Schillers „Ode an die Freude“), Rechts: „Mir geht nichts über Mich!“ (Max Stirners Abhandlung „Der Einzige und sein Eigentum“ (1845). Nachstehend in aller Radikalität die grundlegenden Gegensätze:

Links: Kollektivismus – Rechts: Individualismus

Links: Solidarität – Rechts: Wettbewerb (Konkurrenz)

Links: Planwirtschaft – Rechts: Marktwirtschaft

Links: Internationalismus – Rechts: Nationalstaat

Links: Universalismus – Rechts: Partikularismus

In der Mitte Stehende, also Liberale alten Schlages, werden pragmatisch den Ausgleich suchen, oder sie werden wie Goethes Faust resignativ seufzen: „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“ und sich einer eindeutigen Stellungnahme entziehen. Am Schluß des Lebens jedoch hat alle Qual, auch die Ungleichheit, ein Ende, wie der österreichische Volksdichter Ferdinand Raimund in seinem Bühnenstück „Der Verschwender“ (1834) feststellt:

„Das Schicksal setzt den Hobel an / Und hobelt alles gleich.“

Peter Kuntze

Kuntze wurde 1941 in Kiel geboren und hat nach Abitur und Wehrdienst eine verlagskaufmännische Lehre in Hamburg absolviert. Anschließend ein Redaktionsvolontariat in Ansbach. 1968 gelang ihm der Sprung nach München zur Süddeutschen Zeitung, wo er als außenpolitischer Nachrichtenredakteur sein Brot bis 1997 verdient hat. Nebenbei schrieb Kuntze etliche Kinderbücher, zwei Romane und acht politische Sachbücher über China. Seine konservative Wende geschah in den letzten Berufsjahren.

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